Güster, 01.06.2023

Letzte Nach habe ich unverschämt gut geschlafen. Ich mache mich zügig fertig, schlüpfe in meine frisch gewaschenen Kleider, esse mein Müsli mit einem mitgebrachten Instant Kaffee, spüle schnell ab und schon kann es losgehen. Es ist viertel vor neun Uhr.
Beim EDEKA hole ich mir Verpflegung für unterwegs, denn bis zum Tagesziel komme ich nirgends vorbei, wo es etwas gibt.

Beim Verlassen der Ortschaft sehe ich die ersten schwarz-weißen Kühen dieser Wanderung und überquere gleich den Elbe–Lübeck-Kanal. Ich bin ja überzeugt, er müsste von der Logik her Elbe-Ostsee-Kanal heißen, oder zumindest wie bis 1936 Elbe-Trave-Kanal, nur hat mich niemand gefragt. Nun ja – es ist, wie es ist.

Obwohl es heute kühler als gestern und bedeckt ist, freue ich mich, als der Weg schon bald in einen Wald führt.

Heute geht es also nach Mölln. Der Stadt, die ich seit 1992 nicht mehr mit Till Eulenspiegel assoziiere und vermutlich lebenslänglich mit dem von zwei Neonazis durchgeführten Mord mittels eines Brandanschlags in Verbindung bringen werde. Und bei mir bedeutet lebenslänglich tatsächlich mein Leben lang. Und nicht bis 2007. (Da wurde der zu lebenslänglicher Haft verurteilte Täter nämlich entlassen).
Als ich mir dies durch den Kopf gehen lasse, kommt mir die Idee, dass ich mir diese negative Assoziation auch wieder „wegmachen“ könnte. Eigentlich müsste das ja funktionieren. Und ich beschließe, das heute auszuprobieren.

Auf einem wirklich schönen Weg wandere ich ins Helbachtal. Ich freue mich über die Stille und die Natur. Und die im Feuchtgebiet reichlich wohnenden Mücken freuen sich, dass ihr Frühstück vorbeigewandert kommt. Irgendwann wird es mir zu bunt und ich sprühe eine gute Portion Autan auf meine Beine. Ich möchte dieses Zeug nur so selten wie nötig verwenden. Hier ist es nötig.

Weiter geht es im NSG zum Lottsee, Schwarzsee und Krebssee, über deren eiszeitliche Entstehung interessante Tafeln informieren.
Einige Bänke laden an aussichtsreichen Orten zur Rast, allerdings ist es so kühl (lt. App sind es 12°) und windig, dass ich lieber in Bewegung bleibe. Ich befürchte auskühlen.

Nach 2⁄3 der Strecke finde ich doch ein schönes Plätzchen. Ohne Aussicht, aber auch ohne Wind. Eigentlich ist es noch etwas früh, um Mittagspause zu machen, aber was soll’s. Auch woanders machen Leute bereits vor 12 Uhr Mittagspause.

Der langgestreckte Drusensee wird mich bis kurz vor Mölln begleiten. Wäre es 15° wärmer, würde ich hier ganz bestimmt ein Bad nehmen. Stattdessen wandere ich im Pulli direkt am bewaldeten Seeufer entlang und genieße es auch so.
Über Kilometer hinweg bleibt der Weg traumhaft. Ich passiere sogar zwei offizielle Badestellen und doch ist hier nichts los. Einen einzigen Mann, der seinen Hund Gassi führt, treffe ich heute zwischen Güster und Mölln.

Durchs Pinnautal erreiche ich die Stadtgrenze von Mölln. Es ist absurd - in Frankfurt und in Süddeutschland schwitzt die Familie bei 25° – hier hat es gerade mal 14°. Brrr.

Mölln ist ein richtig schönes Städtchen mit vielen roten Backstein-Häusern, alten Fachwerkhäusern, Kopfsteinpflaster und ganz viel Wasser.

Da das Eulenspiegel-Museum noch geschlossen ist, gönne ich mir zunächst einen Kaffee. Danach besuche ich das Museum und die St. Nikolai Kirche. Natürlich reibe ich auch dem Till über seinen Fuß und Daumen. Noch ein kleiner Bummel entlang der Läden und danach geht es gleich den Bahndamm nutzend über den Stadtsee zur Jugendherberge. Diese liegt wie so oft etwas außerhalb, hier sind es fast 2 km.

Beim Check-in werde ich namentlich begrüßt. Das überrascht mich zuerst, denn laut Verfügbarkeitsabfrage im Internet müsste die JuHe voll sein. Ist sie auch, aber mit Schulklassen und nicht mit alten Wanderern. Da ich zwei verschiedene Buchungen habe (eine aus der ursprünglichen Planung und eine aus der Neuplanung) soll ich morgen das Zimmer wechseln. Natürlich möchte ich das nicht und mich damit auch nicht abspeisen lassen. Ich hinterfrage die Auslastung und motiviere die Mitarbeiterin am Check-in, eine gute Lösung zu finden. Dass ich alleine in einem Zimmer bin, scheint hier „eh klar“ zu sein. Zudem versucht man auch noch, keine anderen Gäste in die Flure zu legen, in denen Schulklassen hausen. Das hat wohl mit der Geräuschentwicklung zu tun.
Ich bin bereit, das zu wagen. Lieber zwei Nächte alleine im gleichen Zimmer, wo es auf dem Flur laut wird, als zu acht im 8er, wo es im Zimmer laut ist und die Leute mitten in der Nacht vom Konzert kommen.
Zum Glück ist die Klasse noch unterwegs, sodass ich den Waschraum ganz für mich alleine habe. Dort gibt es unbegrenzt warmes Wasser - besser als in den meisten Hotels - und sogar Duschgel (von Bruno Banani) hat man für mich bereitgestellt.

Morgen muss ich schauen, wo ich etwas zum Abendessen bekomme, aber heute kann ich in der JuHe essen. Es gibt Spaghetti mit Soße/Pesto und Salat. Und obwohl ich nicht vorangemeldet bin, ist auch eine Portion für mich drin.
Das Essen im Speisesaal mit mehreren anwesenden Gruppen Kinder und Jugendlicher ist in etwa so „schlimm“ wie angekündigt. Ich glaube, dass Benehmen, Essmanieren und Lautstärke auf meinen Klassenfahrten ähnlich waren, lediglich waren die Lehrer/Begleiter in meiner Erinnerung präsenter und nicht nur physisch anwesend. Das kann allerdings auch eine Erinnerungsverzerrung sein.
Früh ziehe ich mich mit einem Bier und meinem Buch ins Bett zurück. Einen gemütlichen Aufenthaltsraum nämlich nicht. Bin gespannt, wie die Nacht wird.

Länge Auf Ab
23.8 km 95 Hm 94 Hm

 


Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.