Etappen | Länge | Auf | Ab |
---|---|---|---|
4 | 101.4 km | 1585 Hm | 1525 Hm |
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4 | 101.4 km | 1585 Hm | 1525 Hm |
Bad Nauheim, 07.04..2023
Nach zweistündiger Bahnfahrt erreiche ich Bad Nauheim, von wo aus ich auf dem Taunus-Rhön-Weg nach Schlitz wandern möchte. Das Oster-Wochenende ist die letzte Möglichkeit, mein Outdoor-Equipment zu testen und meinen Rücken an den Rucksack zu gewöhnen, bevor ich in 3 Wochen meine lange Wanderung nach Dänemark starten werde.
Das Wetter ist allerdings deutlich kälter als ursprünglich erwartet und ich bin sehr gespannt, wie ich die drei Nächte im Zelt überstehe und ob ich Plan B oder C aktivieren muss.
Jetzt geht es aber erstmal los!
Der schöne Sprudelbrunnen in Bad Nauheim ist Startpunkt und derzeit Baustelle, was wirklich schade ist. Bei Regen verlasse ich die Stadt auf gut markiertem Weg durch einen Park und erreiche bald darauf die Salzwiesen von Wisselsheim. Obwohl ich schon lange in der Gegend wohne und auch schon von den salzhaltigen Quellen in Friedberg gehört habe, ist mir diese geologisch bedingte Seltenheit neu.
Knöcheltiefe Matschwege fordern, meine volle Konzentration, beschmutzen mein Beinkleid, und führen mich in das überregional bekannte Rosendorf Steinfurt.
In Erinnerung an das alle zwei Jahre hier stattfindende Rosenfest vertieft, verlaufe ich mich prompt.
Im weiteren Wegverlauf wechseln sich schlammige, sumpfige und matschige Wegen ab, bis sich endlich die Münzenburg - auch Wetterauer Tintenfass genannt - zeigt. Da der Weg nicht unmittelbar an der Burg vorbei führt und der immer noch anhaltende Dauerregen keine Aussicht auf tolle Aussicht verheissen, spare ich mir den Umweg. Im Ort findet sich leider kein Café oder Restaurant, obwohl meine Lust auf ein Stückchen Kuchen und einen wärmenden Kaffee beträchtlich sind.
Die nächsten Kilometer werden kulturell anspruchsvoll, denn es geht gemeinsam mit dem Lutherweg 1521 an Kastellen mit ausführlichen Schautafeln vorbei, weiter zur Burgwüstung Arnsburg und weiter zur Burg Arnsburg. Deutlich sieht man dort die Spuren der nächtlichen Feuersbrunst, die letztes Jahr nicht nur die Scheune dieses ehemaligen Zisterzienserklosters zerstört hat.
Endlich hört der Regen auf, der mich seit Beginn der Wanderung begleitet.
Ein wunderschöner Wanderweg entlang der hochwasserführenden Wetter bringt mich nach Lich.
(Namen von Flüssen können schon lustig sein. In meiner Heimat gibt es einen Fluss namens Wiese und hier einen Fluss namens Wetter.)
Vorbei an der Brauerei Ihring & Melchior, die das „Licher Bier“ braut, wandere ich in die historische Altstadt, wo ich ein kleines, türkisches Paradies vorfinde. Ein leckerer vegetarischer Teller, eine Steckdose zum Laden des iPhones, eine Plastiktüte für meine total eingesaute Regenhose, eine ziemlich saubere Toilette und die Möglichkeit, meine Wasserflasche zu füllwn - das ist, was ich gerade brauche.
Um 19:00 Uhr breche ich auf, damit ich in etwa 5 km ein Plätzchen im Wald finde. Nach dem Regen tummeln sich auf den feuchten Wiesen unglaublich viele Gänse und veranstalten einen ziemlichen Lärm. Sehr schön ist das!
Ich bin überrascht, wie früh es schon dämmert, obwohl erst um 20:45 Uhr Sonnenuntergang sein soll. Jetzt noch einen gescheiten Platz finden, wo an jeder Ecke ein Hochsitz steht – gar nicht so einfach. Endlich habe ich ein Plätzchen gefunden und schaffe es gerade noch so, das Zelt aufzubauen, bevor es dunkel ist. ich hoffe, das wird eine gute Nacht.
Länge
Auf
Ab
30.5 km
362 Hm
314 Hm
Lich, 08.04.2023 (Ostersamstag)
Die Nacht im Wald verlief ruhig und störungsfrei. War es anfangs noch recht warm, wurde es gegen morgen kälter und an manchen Stellen kroch die Kälte in den muckelig warmen Schlafsack.
Das Zelt ist schön leicht, aber wirklich nicht zu groß. Solange ich drin liege, passt das, jedoch kann ich nicht drin sitzen und war es ein Kleiderwechsel im Zelt praktisch unmöglich meine Begeisterung dem warmen Schlafsack zu verlassen und das vom Tau pitschnasse Zelt abzubauen, hält sich in Grenzen - die erste Berührung meiner nackten Stirn mit dem von Kondens feuchten Innenzelts mach das nicht besser.
Laut Wetter App hat es 2°, während ich das Zelt abbauen, lasse ich auch meinen Kocher arbeiten. Der Regen der letzten Tage hat den Vorteil, dass ich mir um Waldbrandgefahr grade keine Sorgen machen muss.
Um kurz nach 8:00 Uhr mache ich mich dann auf dem Weg und erfreue mich am frischen Grün, dem Gesinge der Vögel und dem Gehacke eines Spechts im morgendlich verschlafenen Wald.
In Nonnenroth habe ich gleich eine der Begegnungen, weshalb ich es liebe, zu Fuss und alleine unterwegs zu sein. Im kleinen Einkaufsladen bekomme ich nicht nur etwas zum Frühstücken, sondern treffe auf jemanden aus dem Kirchenvorstand, der mir ausführlich über den Lutherweg und die tolle Möglichkeit, hier in Nonnenroth in Schäferwagen übernachten zu können, berichtet. Wir hätten uns noch lange unterhalten können. Mit dem extra für mich aus der eigenen Küche geholten Kaffee und einem Ostergebäck setze ich mich in der Nähe der Schäferwagen unter eine Überdachung - denn schon wieder regnet es leicht. (Unbezahlte Werbung: schaeferwagen-nonnenroth.de)
Zum Glück hat der Regen schon bald wieder aufgehört und vor der Mittagszeit erreiche ich Laubach. Da ich normalerweise nie Probleme mit Blasen habe, schleppe ich die Blasenpflaster immer umsonst durch die Gegend. Heute darf ich mal eins zum Einsatz bringen. Keine Ahnung, ob das an den neuen Schuhen liegt, oder daran, dass diese innen feucht sind. Ein Tag Regen und eine feuchte, kalte Nacht im Zelt gehen auch an Goretex-Schuhen nicht spurlos vorüber.
In eine Café verbringe ich etwas Zeit - ein Restaurant hat (noch) nicht geöffnet und insgesamt scheint der Ostersamstag Auswirkungen auf die Öffnungszeiten zu haben. Da dies heute vermutlich der letzte Kontakt mit der „Zivilisation“ ist, möchte ich diese Gelegenheit nutzen. Für heute Abend habe ein paar Nudeln im Rucksack.
Ich verlasse Laubach auf einer Straße, direkt an der Wetter, an der noch Hochwasser-Hinweistafeln vom März hängen. In einigen Gärten türmt sich Sperrmüll. Damals musste diese Straße gesperrt werden und in einem Katastrophen Einsatz das Gewerbegebiet vor größerer Überflutung geschützt werden. Wenn man den heute noch nicht einmal knietiefen Bach vorbeiplätschern sieht, ist das wirklich schwer vorzustellen.
Beim Forsthaus Ruthardtshausen entdecke ich eine Kirchenruine. Ich steige steilen vor uns begutachten. Die Überreste das 1260 errichteten Gebäudes welches seit fast 500 Jahren nurmehr eine Wüstung ist. Ist es Einbildung, dass dieser Ort eine besondere Ausstrahlung hat? Direkt daneben wäre eine hervorragende Zeltmöglichkeit, aber ich möchte noch weiter.
Es geht nun ständig bergauf und als ich den Höllerskopf überschreite, wird mir klar, dass ich mich spätestens jetzt im Herzen des Vogelsbergs befinde. Es folgt der - leider nur geographisch- Höhepunkt des heutigen Tages, den ich auf Teerstrasse mit extremem Gegenwind erklimme. Die Windräder freuen sich - ich nicht.
Der Wasserhahn auf dem Friedhof in Kölzenhain befindet sich noch im Winterschlaf, so dass ich auf die lokale Bevölkerung angewiesen bin, mir köstliches Vogelsberger Nass für mein Abendessen zur Verfügung zu stellen. Es stellt sich heraus, dass dies überhaupt gar kein Problem ist. Eine Frau, die gerade in ihrer Garage arbeitet, füllt meine Flasche und wünscht mir eine schöne Wanderung. Hätte nicht gedacht, dass das so einfach geht.
Ich erreiche die Schleunigsteine wo ich neben einer Schutzhütte mein Zelt aufstelle. Erstmals sehe ich Menschen auf Gassi-Runde. Ich hoffe, es ist trotzdem eine gute Wahl für das Nachtquartier. Ich begutachte das Blasendesaster an den Füßen. Einmal fette Blase unter dem Blasenpflaster und am anderen Fuß eine Blublase. Kein Wunder dass das weh tut. Bin gespannt, wie ich damit morgen weiter wandern kann. Hier oben ist es windig und mir wird jetzt schon kalt. Schnell was zu essen kochen und dann ab ins „Bett“.
Fazit des Tages: Dinge, derer ich mir sicher war, dass sie gutgehen, wie z.B. problem- und blasenfrei die Distanz überwinden, funktionieren nicht. Anderes, vor dem ich Bammel hatte, wie fremde Menschen nach Wasser fragen, klappen problemlos.
Länge
Auf
Ab
31.7 km
708 Hm
370 Hm
Ulrichstein, 09.04.2023 (Ostersonntag)
Die letzte Nacht war noch mal deutlich kälter und laut Agrar-Wetter-App gab es auch Bodenfrost. Irgendwann war die Nacht zu Ende, und es wurde wieder hell. Von Sonnenaufgang keine Spur - und dabei hatte ich so einen tollen Blick nach Osten.
Die Vögel dürfen heute länger schlafen, so dass die Kirchenglocke den Weckdienst übernimmt. Eine Schutzhütte direkz neben dem Zelt ist natürlich der absolute Luxus, wenn es darum geht alles abzubauen und einzupacken und sich Wasser für ein warmes Getränk zuzubereiten.
Zu Beginn der Wanderung verwende ich meine Wanderstöcke für das, wofür sie ihren Namen bekommen haben, denn mir tut dank der Blasen jeder Schritt weh und ich versuche, mich mit den Stöcken etwas auszubalancieren. Bei mir kamen die Stöcke bisher ja nur als Zeltstangen zum Einsatz. „Dual-use“ ist geil!
In Ulrichstein ist mein Ziel der Vulkan-Bäcker, dessen Öffnungszeiten am Ostersonntag ich mir letzte Woche telefonisch bestätigen ließ. Hätte ich nachgefragt, ob sie auch eine Sitzgelegenheit und eine Toilette haben, wäre ich jetzt nicht enttäuscht worden. Der Bäcker befindet sich leider lediglich im abgesperrten Eingangsbereich eines Nahkaufs. Zum Glück hat dort jemand eine Palette Torf stehen gelassen, die ich jetzt als Sitzgelegenheit umfunktioniere. Immerhin ist es im Vergleich zu draußen warm, und die Verkäuferinnen sind nett und lassen mich gewähren. Zum Glück ist Ostern, so dass es hart gekochte Eier gibt, sonst hätte mir ein trockenes Brötchen reichen müssen, denn am Sonntag werden keine belegten Brötchen angeboten.
Nach zwei überstandenen Nächten im Zelt mit Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt, bin ich jetzt der Meinung, mein Outdoor Equipment ausreichend getestet zu haben und suche mir für heute Nacht ein Bett in der Jugendherberge Lauterbach. Ich sehne mich nach einem warmen Aufenthaltsraum, einem beheizten Zimmer, einem Bett und einem Klo. Etwas warmes Wasser schadet sicher auch nicht. Außerdem muss ich ja überprüfen, ob meine Packliste auch für meine Wanderung auf dem E1 taugt. Dort werde ich zum Großteil in festen Unterkünften und nur ausnahmsweise im Freien übernachten.
Ich freue mich, als ich nach 13 km den Ort Dirlamen erreiche und kurzfristig sogar die Sonne durch die Wolken blinzelt. Dies bleibt der einzige Lichtblick, denn das einzige Restaurant ist geschlossen, so dass ich Bedürfnisse jeglicher Art noch 10 km bis Lauterbach verschieben muss. Ich mache dennoch eine Pause. Von einem alten Ehepaar abgesehen, scheint der Ort praktisch ausgestorben. Das einzige Leben kommt von drei Kindern, die angesichts der Temperaturen völlig ungeeignet gekleidet draußen sind. Ein Junge reagiert sich an ein paar Holzstücken ab, ein Mädchen fährt auf einem viel zu kleinen Fahrrad, welches hinten, nur die nackte Felge besitzt (!) und das dritte spielt mit kurzem Kleidchen auf dem Spielplatz. Zwei der Kinder grüßen mich freundlich, was mich überrascht, und ich merke erst später, dass sie auf Kontakt aus waren. Alles zusammengezählt, vermute ich, dass es sich bei Ihnen um Geflüchtete handelt, die nun hier irgendwo im Nirgendwo gestrandet sind. Dieser Gedanke macht mich traurig. Sehr traurig.
Das Wetter hat sich inzwischen zu ganz passablem Wanderwetter gemausert und der Weg ist landschaftlich schön. Der Track führt allerdings in Höhe von Sickendorf in die Wildnis. Plötzlich habe ich nur die Wahl zwischen mehr als knöcheltiefem Sumpf oder Dornenbüschen. Es kostet mich etliche, wenig spaßige Minuten, bis ich mich durchs Unterholz geschlagen habe und wieder auf dem markierten Weg bin. (Dem Track von wanderbares-Deutschland.de darf man hier also nicht trauen!).
Jetzt darf ich noch rasch den kleinen Hügel „Altenberg“ besteigen und endlich sehe ich Lauterbach vor mir liegen. Bin ich froh!
Im Ort angekommen, ist es sogar sonnig genug, um vor einem Café ein Bierchen zu trinken. Danach nehme die letzten Kilometer zur Jugendherberge, die glücklicherweise in der „richtigen“ Richtung ausserhalb der Stadt liegt, in Angriff.
In der Jugendherberge bekomme ich ein Einzelzimmer mit Bad, obwohl ich eigentlich nur ein Bett im Schlafsaal (haben + zahlen) wollte. Zum Glück kann ich mir das leisten und für die anschließende Behandlung meiner Blasen ist es auch angenehmer, keine Zuschauer zu haben. Auch für die Zuschauer.
Im nach Westen ausgerichteten Speiseraum genieße ich das Abendessen, welches frisch und schmackhaft ist. Und dann freue ich mich auf das bequeme Bett…
Länge
Auf
Ab
26.7 km
280 Hm
497 Hm
Lauterbach, 10.04.2023 (Ostermontag)
Ich weiß nicht, ob es an dem zu üppigen Abendessen liegt, jedenfalls schlafe ich die Nacht nicht so gut, wie ich mir erhofft habe. Mit Sonnenaufgang bin ich wach und kann im Frühstücksraum eine halbe Stunde lang das Buffet alleine und in Ruhe genießen. Wobei ich sagen muss, dass die anwesenden Kinder zwar alle quirlig, aber nicht übermäßig laut oder sonstwie nervig sind. Ebensolches gilt für die Eltern. Das habe ich auch schon anders erlebt.
Bei allerbesten Wanderwetter - kühl und sonnig - nehme ich den Anstieg des Steinberg in Angriff. Sogar den kleinen Umweg zum Gipfel und dem Hexenplatz nehme ich in Kauf. Die Aussicht ist durch die vielen Bäume eingeschränkt, dafür rauschen die Windräder erstaunlich flott vor sich hin. Ruhe geht anders.
Nachdem ich hauptsächlich auf frisch von Wildschweinen umgepflügten Wegen aufgestiegen bin, freue ich mich über die Forststraße im Abstieg. Es läuft sich bedeutend leichter und schneller, denn ich darf die Uhr im Blick behalten. Um kurz nach zwölf Uhr fährt mein Bus aus Schlitz – und dann erst 2 Stunden später wieder.
In Schlitz angekommen, drehe ich eine kurze Runde durch die beachtliche Altstadt und gönne mir zum Abschluss der Tour ein Eis unweit der Bushaltestelle. Wenn alles gut läuft, könnte ich in 4 Stunden zu Hause sein. (Dank Job-Ticket völlig kostenlos)
Diese Oster-Tour hat definitiv nicht nur Spaß gemacht und deshalb bin ich besonders froh um diese Erfahrung.
Ich hoffe, meine Füße erholen sich schnell, denn schon in knapp 3 Wochen starte ich auf dem E1 nach Norden.
Länge
Auf
Ab
12.5 km
235 Hm
344 Hm