GR13 - Via Algarviana (PT) - Überblick
Dies sind die schon gewanderten Etappen:

Etappen | Länge | Auf | Ab |
---|---|---|---|
1 | 25 km | 537 Hm | 369 Hm |
Dies sind die schon gewanderten Etappen:
Etappen | Länge | Auf | Ab |
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1 | 25 km | 537 Hm | 369 Hm |
Herzlichen Dank, für die schönen Rückmeldungen, die mich über WhatApp und Signal unter +4917650750259 erreichen und auf meiner Reise begleiten.
Alcoutim, 15.04.2025
Beim gestrigen Restaurantbesuch gelang es mir, aus Vorspeisen und Beilagen ein leichtes und schmackhaftes Abendessen zu kombinieren – denn originär gab die Karte überhaupt nichts Vegetarisches her. Und das Thunfisch-Steak, welches ich gerne alternativ gegessen hätte, war schon aus.
Ich schlafe tief und träume süß, doch, als ich morgens um 5 Uhr aufwache, höre ich draußen Geräusche, die ich ganz bestimmt nicht hören möchte. Regen. Heftiger Regen. Wieso habe ich eigentlich meine Regenhose nicht mitgenommen?
Ich kuschele mich erneut in die Federn, lasse schöne Gedanken vorbeiziehen und als ich um 7 Uhr aufstehe, überrascht mich eine wunderschöne Morgenstimmung über dem Fluss.
Zum Frühstück bekomme ich Rührei von eigenen Hühnern, rustikales Brot, Käse, Joghurt und zwei schon geschälte Orangen, die ich unbedingt mit Zimt probieren soll.
Mein lokaler Reiseveranstalter überschlägt sich bisher nicht in Organisationskompetenz, und es ist der Frau unglaublich unangenehm, dass sie heute kein Lunchpaket für mich hat. Sie zeigt mir eine E-Mail, aus der hervorgeht, dass sie sogar bei der Agentur nachgefragt hat, ob heute wirklich kein Lunchpaket nötig sei. Ich versichere ihr, dass das kein Problem sei, denn einerseits bekomme ich so viel Brot zum Frühstück, dass ich locker drei Scheiben mitnehmen kann und außerdem komme ich heute sogar an einer Bar vorbei, bei der es zumindest einen Kaffee geben sollte. Sie holt mir von zu Hause sogar noch zwei Orangen und eine schon gewaschene Tomate, die ich mitnehmen kann. Schon ziemlich perfekt.
Wir „unterhalten“ uns herzlich und ich erfahre einiges über ihre Familie, Schicksalsschläge und ihre Einstellung zum Leben auf dem Land. Obwohl mit Google Translate vieles auf der Strecke bleibt, fühle ich mich ihr nahe.
Mit dem 9 Uhr Glockenschlag beginne ich meine Wanderung, gehe zur Bootsanlegestelle, bestaune die Wandertafel und freue mich über die Sonne.
Es tut so gut, endlich loszugehen, und ich genieße es unglaublich, vorbei an zart lila blühenden Judasbäumen und strahlend weißen Häusern den Ort Alcoutim zu verlassen.
Oberhalb des Flusses wandere ich durch die Landschaft und erfreue mich des Blütenmeers aus Zistrosen und anderer mir unbekannter Gewächse. Die Vögel singen laut, doch ansonsten stört kein Ton, diese unglaublich friedliche Stille. Noch habe ich mein Tempo und meine innere Ruhe nicht gefunden, doch ich bin auf einem guten Weg.
Nach knapp 2 Stunden, die ich aus vollem Herzen genieße, erreiche ich den kleinen Ort Cortes Pereiras. In den Gärten wachsen reife Orangen, Zitronen, Mispeln und (unreife) Feigen. Das täglich geöffnete Café ist geschlossen, wodurch mir eine Pause erspart bleibt. Hervorragend markiert und von lautem Hundegebell hinter Zäunen und Mauern begleitet, durchquere ich den Ort. Bald darauf verabschiedet sich der bisher gemeinsam verlaufende Jakobsweg.
Zur Mittagszeit erreiche ich die Menhire von Lavajo, welche seit etwa fünfeinhalbtausend Jahren hier herumstehen. Ich entschuldige mich für meine Ignoranz, doch ich kann diesen Grenzsteinen und/oder heiligen Städten nichts abgewinnen. Ganz anders verhält es sich mit dem Prachtexemplar der an der nächsten feuchten Stelle wachsenden Zantedeschie (- auch Calla genannt -). Dabei öffnet sich mein Herz.
Blöderweise sind inzwischen schwarze Wolken am Himmel aufgezogen und ein sehr kühler Wind setzt ein. Ich erreiche einen kleinen Ort und mache einen Umweg zum Kulturzentrum, wo es ein Café geben soll. Dieses ist laut Führer nur unregelmäßig geöffnet und heute, wenig überraschend, geschlossen. Auf der winzigen, überdachten Terrasse laden drei Stühle zur Pause. Das tut gut.
Ich mache Pause und bin noch am Essen, als eine Frau und zwei Arbeiter erscheinen und den Kulturraum aufschließen und mich einladen, gerne drinnen Platz zu nehmen, wo sie ihre mitgebrachten Sandwiches verspeisen. Ich gebe mir Mühe, zu kommunizieren, doch die Sprachbarriere ist aufgrund des nicht vorhandenen Mobilfunknetzes extrem hoch.
Der Himmel scheint ein Einsehen zu haben, und die dunkle Wolke ist weitergezogen. Munter stapfe ich weiter durch das Blütenmeer – meiner ersten Flussquerung entgegen.
Ich nähere mich von oben dem Fluss und bereite mich schon darauf vor, hüft- oder zumindest knietief durchs Wasser waten zu müssen, doch als ich an der Furt ankomme, kann ich problemlos trockenen Fußes ans andere Ufer balancieren.
Nachdem diese Hürde überwunden ist, wandere ich tiefenentspannt weiter und lasse meinen Füßen und Gedanken freien Lauf. Es ist so schön, einfach nur zu sein.
Und so ziehe ich die Regenjacke an und wieder aus, überquere ein paar Bäche und eine weitere Ortschaft und ruhe in mir selbst. Die Zeit vergeht wie im Fluge.
Irgendwann höre ich lautes Donnergrollen, und wenige Minuten später fallen erste Tropfen, aus denen innerhalb einer halben Minute ein prächtiger Gewitterregen wird. Ohne zu zögern, reiße ich mir den Rucksack von den Schultern, springe in meine Regenjacke und meinen Regenrock vom Dualen System Deutschland (auch als Gelber Sack bekannt – den ich zum Glück schon unten aufgeschnitten habe) und spanne meinen Schirm auf. Es gießt schätzungsweise drei oder vier Minuten wie aus Eimern, bevor der Spuk vorbei ist. Hätte ich nicht so schnell reagiert, wäre jetzt kein trockener Faden mehr an mir.
An das Gehen mit Rock muss ich mich noch gewöhnen und entweder kleinere Schritte machen oder doch noch einen Schlitz einbauen. Und doch ist solch ein Rock praktisch – in Europa außer in Schottland für Männer allerdings bis jetzt nicht so recht akzeptiert. Schade eigentlich.
Abgesehen von einem Nest von Pinienprozessionsspinnern (Danke an mein WhatsApp-Netzwerk) erreiche ich ohne besondere Vorkommnisse den Endpunkt meiner heutigen Wanderung – die Bushaltestelle in Balurcos de Baixo. Gerade mal eine halbe Stunde, bevor ich um 16 Uhr abgeholt werden soll. Auch in diesem kleinen Ort wimmelt es vor verlassenen, verfallenden Häusern. Hier im Hinterland leben fast nur noch alte Menschen, denn die Jungen ziehen in die Stadt.
Kann man es ihnen verdenken?
Da jemand an dem Müllsammelplatz an der Bushaltestelle seine Stühle entsorgt hat, kann ich jetzt schön in der Sonne sitzen und werde schon 15 Minuten vor der vereinbarten Zeit mit dem Taxi abgeholt und in meine Unterkunft gefahren.
Ich will gerade auf der überdachten Terrasse einen Tee kochen, da überrascht mich das Gewitter erneut – jetzt sogar mit ausgeprägtem Hagel. Mir reicht's jetzt mit kalt und nass und daher gehe ich nun duschen.
Ich mache mich auf den Weg zum Abendessen und stoße im Aufenthaltsraum auf die vier heute eingetroffenen Wanderer und meine Gastgeberin. Sie bedauert, dass ich nicht früher gekommen sei, denn sie hätte Tee für uns gemacht. Den kann ich ihr einfach nicht ausschlagen und zwei Scheiben „Armer Ritter“, die sie dazu gemacht hat, auch nicht. Wo soll das nur hinführen?! Und natürlich schaue ich mir auch noch ein paar weitere Bilder von ihren Kindern und Enkeln an.
Jetzt aber Abendessen! Nachdem ich gestern in dem laut meiner Gastgeberin besten Restaurant gewesen bin, gehe ich heute in das zweitbeste. (Das andere hat Ruhetag.) Rückblickend kann das eigentlich nur bedeuten, dass es nur zwei Restaurants im Ort gibt, oder meine Gastgeberin in keinem der anderen war.
Im nackten Gastraum werden auf einer Tischreihe Gemüse, Gebäck und Vorräte verkauft, und das Essen bleibt sowohl geschmacklich als auch qualitativ um Längen hinter dem gestrigen zurück. Und da spreche ich nicht von dem Galão mit saurer Milch – das kann bei diesem Wetter passieren. Lichtblick ist nur die verhältnismäßig gut englisch sprechende junge Bedienung und das superschnelle WLAN.
Die Belgier aus meiner Unterkunft treffen bald nach mir ein und so erfahre ich, dass sie morgen mit Etappe 3 starten und insgesamt fünf Tage unterwegs sein wollen. Zwei weitere Gäste scheinen auch noch Wanderer zu sein – ganz so selten wird die Via Algarviana also doch nicht begangen, auch wenn ich heute keiner Menschenseele begegnet bin.
Fazit: Heute war ein wunderschöner Auftakt und ich fühle mich hervorragend. So darf es gerne weitergehen. Gerne sogar noch trockener.
Länge | Auf | Ab |
---|---|---|
25 km | 537 Hm | 369 Hm |
Vila Real de Santo António, 14.04.2025
Ich bin überrascht, wie ruhig es in der Nacht war und werde tatsächlich durch Vogelgezwitscher geweckt. Und während ich bei offenem Fenster geschlafen habe, ist meine frisch gewaschene Unterwäsche auf der davor gespannten Leine getrocknet. Eine Wäscheleine, sogar inklusive einiger Klammern, auf dem Balkon zu haben ist etwas, was ich mir viel öfter wünsche. Und je hochpreisiger die Unterkunft ist, desto unwahrscheinlicher ist es, diesen Luxus vorzufinden.
Ich begebe mich in ein kleines Café direkt um die Ecke und traue mich, meinen Galão und ein süßes Etwas zu verspeisen. Dann erst sehe ich, dass es auch belegte Brötchen gibt. Von ChatGPT lasse ich mir erklären, was ich bestellen muss und wie man das ausspricht, und tatsächlich bringe ich die richtigen Schlüsselwörter und ein Lächeln über die Lippen, um ein Weißbrötchen mit etwas Margarine und eineinhalb Scheiben einfachen Käse zu bekommen.
Die südländisch laute Kommunikation ist gewöhnungsbedürftig, doch obwohl ich kein Wort verstehe, scheint der Umgang positiv und freundlich zu sein. Das System, wie bei einem Teil der Kunden an der modernen Registrierkasse vorbei kassiert wird, verstehe ich sofort.
Unvermittelt kommt eine Gruppe Menschen mit Flugblättern, einer Portugal-Fahne und einem Anzugträger herein. Sie begrüßen die Leute, schütteln Hände und verteilen die Zettel mit „Salva Portugal“. Manche erkennen, dass ich für Wahlwerbung eher weniger empfänglich bin – andere nicht – und so wird auch mir die Hand geschüttelt. Bei so viel „Volksnähe“ schwant mir, um welche politische Richtung es sich handelt und in der Tat entpuppt sich der Anzugträger als André Ventura, Vorsitzender der Partei Chega! - also quasi der Björn Höcke der portugiesischen AfD.
Nach 5 Minuten ist der Spuk vorbei – zumindest im Café.
Nun kaufe ich mir frisches Wasser, denn den Luxus, das gechlorte Leitungswasser nicht trinken zu müssen, gönne ich mir so lange wie möglich und kehre ins Zimmer zurück, um mein Zeug zu packen und am späten Vormittag auszuchecken. Mein Bus fährt erst um 13:30 Uhr und da ich die Sehenswürdigkeiten der Stadt schon besucht habe, bleiben fast drei Stunden totzuschlagen. Bei Traumwetter eine verhältnismäßig einfache Übung, doch es kribbelt mir in den Füßen und ich möchte wandern.
Am Hafen sehe ich den Wegweiser des GR13, auf dem Alcoutim mit 65 km angegeben ist. Zum Glück wusste ich nichts von diesem Weg – so wie ich mich kenne, hätte ich zumindest überlegt, auch noch dorthin zu wandern.
Stattdessen lasse ich mich auf einer Bank mit Blick auf den Grenzfluss nieder, zippe meine Hosenbeine ab und bringe die Sonnencreme erstmals zum Einsatz. Und genieße es.
Selbstverständlich schlendere ich doch noch durch die Fußgängerzone, die an einem Werktag deutlich belebter ist als gestern, bevor ich mich zur Bushaltestelle begebe. Das Scannen des Tickets erzeugt beim Fahrer seltsame Geräusche und die Diskussion über dessen Gültigkeit verläuft ziemlich einseitig. Ob aus Überzeugung oder Resignation – ich darf mitfahren. Das Ticket für die einstündige Fahrt kostet knapp 6 EUR.
Als wir aus VRSA herausfahren, wundere ich mich über die großen, in Becken eingeteilten Wasserflächen mit weißen „Schneebergen“ dazwischen. Nach kurzem Überlegen wird mir klar, dass hier offenbar Salz aus Meerwasser gewonnen wird.
Der rasante Fahrstil des Kleinbusfahrers und der unangenehme Körpergeruch des hinter mir sitzenden, ungepflegten und nach Alkohol riechenden Mannes sind keine gute Kombination. Zwar gurte ich mich möglichst fest an und versuche die Achterbahnfahrt durch die hügelige und bunt blühende Landschaft zu genießen, doch als ich gegen 15 Uhr endlich in Alcoutim aussteigen darf, ist mir richtig übel.
Ich quatsche die Deutsch sprechende Frau an, die auch mit Rucksack aussteigt, doch sie ist keine Fernwanderin und möchte lediglich Urlaub bei einer Freundin machen.
Da der Busfahrer nicht bei der von mir gebuchten Haltestelle angehalten hat, darf ich nach Gespräch mit der vermeintlichen Wanderin den Berg zu meiner Unterkunft wieder hinaufsteigen. Na ja – Etwas Bewegung schadet mir bestimmt nicht. Und dank meiner hervorragenden Sprachkenntnisse schaffe ich es, die Unterkunft zu finden – pünktlich zur in meinen Unterlagen angegebenen Zeit. Dort werde ich von einer verschlossenen Tür empfangen. Der Anruf bei der angegebenen Telefonnummer landet auf einem Anrufbeantworter und der Anruf bei meinem lokalen Reiseveranstalter auch. Beim nächsten Versuch 10 Minuten später habe ich mehr Erfolg und erfahre, dass ich in 1 Stunde einchecken kann. Ich gehe also wieder ins Zentrum hinab, erfreue mich an den farbenfrohen Zitronen- und Mispelbäumen, um dann mit herrlichem Blick auf den Guadiana-Fluss und das auf der anderen Flussseite liegende Dorf abzuwarten und Galão zu trinken. Ich will nicht jammern, denn es ist trotz der dunklen Wolken am Himmel immer noch trocken, angenehm warm und wunderschön hier. Die lokale Gelassenheit darf ich noch etwas mehr verinnerlichen.
Um 16 Uhr ist immer noch niemand da, doch bald danach wird eine kleine, alte und sehr freundliche Dame vorgefahren. Sie spricht fließend Portugiesisch und kann zum Glück Google Translate noch besser bedienen als ich. Sie führt mich herum und wir einigen uns auf die Frühstückszeit (7:30 Uhr) und empfiehlt mir zwei Restaurants für das Abendessen. Das Haus ist riesig und heute werde ich es für mich alleine haben – morgen treffen vier weitere Wander*innen ein.
Im ganzen Haus riecht es muffig-schimmelig, und wenn ich mir eine Wand in meinem Zimmer anschaue, weiß ich, wieso. Ich mache die Fenster auf und hoffe, dass mir das keine größeren Probleme bereitet, denn ich bin diesbezüglich etwas empfindlich.
Von meinem lokalen Reiseveranstalter wurde für mich das mir schon bekannte Via-Algarviana-Kartenmaterial hinterlegt und zusätzlich drei Kopien mit eingezeichneten Umgehungen für überflutete Gebiete und eine sehr weiträumige Umgehung einer Flussüberquerung. Diese Informationen sind neu für mich und ich bin sehr gespannt auf die Wanderung und habe gleichzeitig Bammel.
Ich erledige meine Wäsche und will gerade aufbrechen, um ohne Rucksack das Dorf mit seiner Burg zu erkunden, als es anfängt, kräftig zu regnen. Lieber soll es das jetzt, als morgen während der Wanderung.
Faro, 13.04.2025
Mein kleines Zimmerchen, welches sich „Suite“ nannte, war stilvoll und hochwertig ausgestattet und lag direkt neben einem Lokal, aus dem bis weit in den Morgenstunden Musik und Lebensfreude herüberschwapten. Da ich nicht mit Ohropax schlafen kann, durfte eine Einschlaf-Meditation aushelfen. Das klappte halbwegs gut.
Einigermaßen ausgeruht packe ich meinen Rucksack, in dem sich die Dinge erst noch zurechtsortieren müssen, was meist nach zwei Tagen geschieht.
Nachdem ich zwei Dosen Sardinen, eine Banane und zwei Flaschen Wasser gekauft habe, fühlt sich der Rucksack überhaupt nicht mehr leicht an.
Bei 15 Grad und blauem Himmel frühstücke ich in der Fußgängerzone. Die beste Option, die ich finde, ist ein Käse-Omelett mit in Fett gewälztem Toast. Es schmeckt nicht schlecht und ist doch so weit von dem entfernt, was ich sonst esse und von dem ich weiß, dass es mir bekommt. Ich bin gespannt.
Ich gehe zum Bahnhof und bin auch heute verblüfft, in welchem baufälligen Zustand so vieles ist. Mit einem dieselbetriebenen Zug fahre ich nun eine Stunde in östlicher Richtung der Küste entlang und genieße die Aussicht, soweit es die sehr schmutzige Scheibe zulässt. (Deshalb gibt es keine Fotos) Mein Ziel ist VRSA, was mich an den Vornamen der bekannten isländischen Schriftstellerin erinnert, jedoch hier nur die gängige Abkürzung der fast 20‘000 Einwohner zählenden Stadt „Vila Real de Santo António“ darstellt.
Aus dem eher industriellen Bahnhofsbereich von VRSA taste ich mich zu den schöneren Stadtteilen vor. Bei dem komplett aus kaltem Beton bestehenden Schulkomplex versuche ich, meine Bushaltestelle für morgen zu finden. Ich bin mir unsicher, denn nur auf einer Straßenseite gibt es eine Beschilderung an der Haltestelle. Ein junges Paar versucht rührend, mir zu helfen, doch wir scheitern an Orts- und Sprachkenntnissen. Schlussendlich gehe ich zum Busbahnhof und frage mittels Google Translate nach, ob ich mit meinem Ticket, welches ich von der falschen Start-Haltestelle gebucht habe, auch von dort fahren dürfe, was bejaht und direkt auf dem Ticket vermerkt wird. Jetzt bin ich unbesorgt und gehe zur Unterkunft. Dort frage ich telefonisch an, ob ich schon Gepäck unterstellen könne und darf dann sogar schon einchecken. Das ist hervorragend, denn ein WC und ein Bett für eine kurze Mittagsruhe kommen wie gerufen.
Nun ist es Zeit, in der Fußgängerzone im Zentrum, in der sich ein Touristenrestaurant neben dem anderen befindet, eine Kleinigkeit zu essen und dann die Promenade am Ufer des Grenzflusses Guadiana entlangzuschlendern. Das Wetter ist traumhaft – die dunklen Wolken haben sich inzwischen verzogen – und die Sonne strahlt bei knapp 20 Grad vom blauen Himmel.
Bald endet die Promenade, und ich befinde mich plötzlich inmitten alter, dem Verfall preisgegebener Fischereibauten. Im Restaurant der lokalen Fischervereinigung beäugt man mich überrascht und verkauft mir dann trotzdem eine Flasche Wasser. Bestimmt verirren sich nur selten Touristen hierher.
Wenig später stoße ich auf die Fahrstraße, die später als holpriger Weg zur Mündung des Guadiana ins Meer und zum dort gelegenen Strand führt.
Am Strand spielen ein paar verwegene Volleyballer – mich hingegen zieht es zum Mini-Leuchtturm am Ende der weit ins Meer ragenden Mole. Außer mir sind hier nur noch einzelne Fischer, die ihre Ruten ins Meer hängen. Und es ist nicht nur extrem windig, sondern auch atemberaubend schön, von diesem äußersten Zipfel Portugals über das grenzenlose Wasser des Atlantiks zur Sonne zu blicken.
In gut zwei Wochen möchte ich am anderen „Zipfel“ stehen, dem Kap Sankt Vincent, etwa 150 km westlich von hier.
Ich setze mich nieder und genieße!
Als ich nach einer langen Weile auf die Uhr schaue, stelle ich erschreckt fest, dass diese schon 18 Uhr zeigt und mache mich auf den 4 km langen Rückweg. Nach einer halben Stunde ist es verblüffender Weise 17:30 Uhr. Gibt es hier ein Wurmloch im Zeitkontinuum? Ich grüble darüber nach, denn dass ich mich getäuscht habe, halte ich für ausgeschlossen. Es dauert, bis der Groschen fällt und mir klar wird, dass die Zeitverwirrung damit zu tun haben muss, dass auf der gegenüberliegenden, spanischen Flussseite eine andere Zeitzone gilt und sich Uhr und iPhone automatisch verstellt haben. Das sind die Tücken der modernen Technik, die ich jetzt sicherheitshalber deaktiviere. Nicht auszumalen, deswegen den Bus zu verpassen.
Ich trinke in vor einer kleinen Pasteleria mit Einheimischen einen Galāo und esse danach noch einen Salat, bevor ich mich in mein Zimmer begebe. Mit ausbleibender direkter Sonneneinstrahlung ist es schlagartig kalt geworden – trotz Jacke.
Fazit: Ein schöner und entspannter Tag – jetzt habe ich Lust zu wandern.
Raum Frankfurt, 12.04.2025
3:21 zeigt die Uhr, als ich mich von der neuen Frau meines Herzens verabschiede und in sternenklarer Vollmondnacht zum Flughafen starte. Am Gate angekommen, habe ich die ersten 5000 Schritte des Tages hinter mir und bemerke, wie sich die Reiselust ausbreitet, die in den vergangenen Wochen von stärkeren Gefühlen meines gerade positive Kapriolen schlagenden Lebens verdrängt wurde. (Wem die letzten Sätze zu gefühlvoll sind – keine Sorge – es bleibt ein Wander-/Reise-Tagebuch)
Da ich eine kostengünstige Umsteigeverbindung über Lissabon gebucht habe, trifft mich der dichte Nebel über der Hauptstadt hart. Nicht nur sitzen wir ewig lang dumm im abflugbereiten Flieger und starten mit einer guten Stunde Verspätung, sondern nun soll ich auch noch von Lissabon aus mit dem Bus nach Faro fahren, statt zu fliegen.
Die nächsten zwei Stunden verbringe ich mit Hoffen und Bangen, denn mein Rucksack will und will einfach nicht erscheinen. Ich habe tatsächlich nur die Klamotten auf dem Leibe, meine Powerbank und ein paar Karotten dabei. Entgegen fürsorglicher Ratschlägen nicht einmal einen „Ersatz-Schlüppi“. So kann ich jedenfalls nicht loswandern.
Vielleicht ist dies die erste Übung für „Vertrauen und Loslassen“. Ich bin überglücklich, als mein Rucksack endlich auftaucht, bedanke mich überschwänglich bei den Menschen, die sich mit lokaler Gelassenheit um mich gekümmert haben, und warte eine weitere gefühlte Ewigkeit, bis der Bus kurz nach Mittag losfährt.
Zwar „verliere“ ich genau wie alle anderen im Bus gerade einen halben Urlaubstag, doch möchte ich die schlechte Stimmung nicht teilen.
Die Fahrt über die Vasco-da-Gama-Brücke, die den Tejo überspannt, ist auch bei trüber Witterung mit leichtem Nieselregen eindrucksvoll. Die Busfahrt zieht sich endlos und ich nutze die Zeit, um die aktuellen Meldungen zum Weg zu prüfen und finde für fünf Tage mir noch unbekannte Warnungen zu den Flussüberquerungen aufgrund des regnerischen März – und nur für zwei Tage Umgehungsmöglichkeiten. Ich beschließe, es auf mich zukommen zu lassen.
Viereinhalb Stunden später als geplant spuckt uns der Bus am Flughafen Faro aus, von wo aus ich mit dem Stadtbus ins Zentrum fahre. Es ist zwar sehr wolkig und deutlich unter 20 Grad warm, doch immerhin regnet es nicht.
Ich checke in der Unterkunft ein, in der man mich schon erwartet, begutachte mein Zimmerchen und mache ganz kurz Pause. Danach schlendere ich am Hafen vorbei durch die direkt am Ufer gelegene Altstadt. Diese präsentiert sich in unterschiedlichen Stadien des Verfalls – teilweise jedoch auch schon schön renoviert. Um noch mit der Fähre auf eine der vorgelagerten Inseln zu fahren, wie ich es ursprünglich geplant hatte, ist es schon zu spät. Doch auch so genieße ich es, am Atlantik zu sein.
Ich begebe mich in ein von der Unterkunft für die lokale Spezialität „Cataplana“ empfohlenes Restaurant und bestelle mir die Seafood-Version dieses Kupfertopf-Gerichts. Im Hintergrund läuft typische Musik – vermutlich Fado. Welch schöne Stimmung.
Leider wird diese bald darauf durch einen mehrfach auftauchenden, unverschämten Obdachlosen zerstört, mit dem es fast zur körperlichen Auseinandersetzung kommt.
Als ich gerade meinen Tisch räumen will, um rechtzeitig ins Bett zu gehen und diesen Bericht zu schreiben, taucht der aus Hongkong stammende und jetzt in UK lebende Student Donald auf, mit dem ich mich angeregt unterhalte, bis es richtig spät ist. Das war ein schöner Abschluss des Tages.
Fazit: Es läuft nicht immer wie geplant und das kann sich gut anfühlen.
Im April/Mai 2025 werde ich die Via Algarviana erwandern. Hierbei handelt es sich um einen Wanderweg in Portugal mit etwa 300 km Länge, der für Wanderer in 14 Etappen aufgeteilt wurde.
Die Via Algarviana entstand 1995 im Rahmen eines Ökotourismus-Projekts, welches die touristische Belebung des Hinterlands zum Thema hatte, und verläuft ausschließlich auf bereits bestehenden Land- und Feldwegen. Bei der Wegführung bemühte man sich, besonders reizvolle landschaftliche oder kulturelle Punkte einzubeziehen und mutet dem Wanderer Etappen bis zu 30 km Länge zu.
Von der Vereinigung "Almargem" ist zwar gutes Kartenmaterial und auch ein Unterkunftsverzeichnis erhältlich, doch ist die Gegend so dünn besiedelt, dass es mir ohne portugiesische Sprachkenntnisse nicht gelungen ist, Unterkünfte selbst zu buchen. Ich habe mir stattdessen einen Reisepartner gesucht, der diese Organisation für mich übernommen hat – und auch hier war es teilweise nötig, Transfers von und zum Weg einzuplanen, weil einfach keine (adäquaten) Übernachtungsmöglichkeiten vorhanden sind. Wie gut das klappt? Es wird sich zeigen.
Am 12.04.2025 geht es los, und ich werde versuchen, in gewohnter Manier täglich Berichte hier zu veröffentlichen, wobei dies aufgrund beschränkter Mobilfunkmöglichkeiten u. U. nur zeitverzögert (oder zumindest ohne Bilder) erfolgen wird.
CC BY-SA 3.0 // Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! - http://www.viaalgarviana.org
Hinweis zu KI: Hier schreibt zu 100 % Andreas - und keine generative KI. Lediglich die Rechtschreibung wird technisch unterstützt.