Silves, 25.04.2025 (Dia da Liberdade)

Heute ist der höchste Feiertag in Portugal – der Tag der Freiheit, der an die Nelkenrevolution 1974 erinnert und die Rückkehr zur Demokratie markiert. Etwas Besonderes, Wertvolles, was vielen in einer Demokratie lebenden Menschen nicht bewusst ist.

Gut, dass mir die Tatsache bewusst war, denn sonst wäre ich sicher besorgt gewesen, schon um Mitternacht von schwerer Artillerie (Kanonenschüssen), gefolgt von 10-minütigem Feuerwerksgeknalle erschreckt worden zu sein. Ich vermute, dass dies alles direkt auf der Burg über mir stattfindet. Blöd nur, dass ich schon in 6 Stunden aufstehen möchte.

Es ist kurz nach 6 Uhr, als ich aufstehe, meinen Rucksack packe, mein vorbereitetes Frühstück esse, mich über den Sonnenaufgang freue und um 7:20 Uhr losmarschiere. Es ist sehr angenehm kühl, und ich genieße die Morgenstimmung. Über den Burgberg, vorbei an prachtvoll, lila blühenden Bougainvilleen, verlasse ich Silves mit der wirklich beeindruckenden Burg (Castelo de Silves).

Um 8 Uhr ist man wohl der Meinung, dass es Zeit ist, mit dem Feiern zu beginnen, und feuert erneut Kanonenschüsse ab. Ich bekomme dies in einem dörflichen Ausläufer der Stadt mit und muss über den lautstarken Protest der hier wohnenden Hähne lachen – die fangen nämlich jetzt allesamt an, wild und ausdauernd zu krähen.

Die ersten Hügel fordern mich schon sehr, und ich weiß, dass ich auf gar keinen Fall mit dem Gedanken wandern darf, heute eine Monster-Tour zu machen. Deshalb werde ich jetzt bis zum frühen Nachmittag eine „entspannte 20-km-Hügel-Tour“ machen. Und schon geht’s viel leichter.

Die Hügel haben es echt in sich, denn es geht stets steil hinauf und steil herunter – niemals eben. Nach 6 km – ich bin völlig verschwitzt – erreiche ich einen Hügel mit überdachter Aussichtsplattform, die vermutlich als Feuerwachpunkt dient. Schön kann ich das Häusermeer von Portimão an der Küste sehen – und auch die Bergkette der „Serra de Monchique“, über die sich von der Rückseite gerade eine Wolkenschicht schiebt.

Der nächste Hügel ist komplett gerodet, und ich verstehe nicht, warum. Das Holz der Eukalypten (?) liegt noch am Wegrand, und alles sieht echt wüst aus.
Trotz hervorragender Markierung verpasse ich die nächste Abzweigung und muss dank der Warnung meiner Uhr umdrehen.
Unter anderem lag dies daran, dass ich den breiten Hauptweg verlassen hatte. Es geht nun auf einem schmaleren Weg extrem steil nach unten. An einer feuchten, gar nicht so tückisch aussehenden Stelle geschieht es dann – ich rutsche weg und falle seitlich vorwärts auf mein Knie und meine rechte Hand, mit der ich das Gewicht des Rucksacks abfange. Sch***e!

Adrenalin und Schmerz durchfluten mich gleichzeitig mit der Befürchtung, dass jetzt etwas Schlimmes passiert ist. Einen Moment lang ist mir speiübel.
Ich schaffe es, mich aufzurappeln – Gott sei Dank! Ich kann sogar alles noch bewegen, auch wenn es arg wehtut. Obwohl mich der schwere Rucksack nach unten gedrückt hat, fühlt sich der Rücken gut an. Der Schreck sitzt tief, doch ich habe riesiges Glück gehabt, denn nach ein paar humpelnden Schritten sieht es tatsächlich so aus, als wäre außer einem blutig zerkratzten und geprellten Knie sowie einem nur geprellten Handballen nichts passiert. Beides tut natürlich weh, doch ich kann weitergehen. Es ist ewig her, dass ich beim Wandern gestürzt bin, und doch weiß ich, dass das ganz anders hätte ausgehen können. Oh Mann!
Ich schicke einen herzlichen Dank an meinen Schutzengel und Richtung Universum.

Etwa eine Stunde später, als ich mich wieder einigermaßen beruhigt habe, mache ich eine Pause, esse eine Kleinigkeit und versprühe ein bisschen Desinfektionsmittel.
Aufgrund der extrem hügeligen Landschaft bin ich heute deutlich langsamer unterwegs als erwartet. Gut, dass ich früh gestartet bin.

Das Monchique-Gebirge mit dem Picota kommt näher und näher, und ich bin sehr dankbar dafür, dass die Wegführung nun etwas weniger steil als zuvor auf und ab führt.
Auf dem Weg nach unten kommen plötzlich drei E-Mountainbiker von hinten angefahren. Einer hält an und erzählt mir, dass sie heute Morgen auch in Silves gestartet seien und nun das lange Wochenende auf dem Weg ausnutzen.

Um 12:30 Uhr beende ich meine heutige Hügel-Tour nach 18 km und finde eine wunderschöne Stelle in der Natur, in der ich mich in schattiges Gras legen und ausruhen kann. Inzwischen tut auch mein Knie nicht mehr bei jedem Schritt weh, und ich bin unglaublich froh, dass das doch noch so glimpflich abgelaufen ist, wobei ich jetzt aufpassen darf, dass sich das nicht entzündet.

Nach eineinhalbstündiger Mittagspause im Schatten, während der ich sogar wegdöse, starte ich um 14 Uhr auf die zweite Wanderung des Tages. Dies ist zum Glück nur eine überschaubare Gipfeltour, die mich auf den Picota-Gipfel führen soll.
Das Knie nach der Pause wieder in Schwung zu bringen, ist schmerzhafter als erhofft, doch das Wegstück über einen schmalen Wiesenpfad ist eine der schönsten Passagen auf dem gesamten bisherigen Weg. Leider ist das Stück nur kurz und endet an der Stelle, an der der Weg sorgsam verbarrikadiert ist. Zum Glück bin ich darauf vorbereitet, dass hier ein Grundbesitzer angeblich rechtswidrig den Durchgang verhindert, und weiche auf die Alternativroute aus. Diese ist ein winziges Stück kürzer als die Originalroute und verläuft leider zu einem guten Teil auf der Straße. Zum Glück hatte ich diese Information auf der offiziellen Webseite entdeckt, denn von meinem lokalen Reiseanbieter gab es hierzu keine Information. In meinem finalen Feedback werde ich dies erwähnen.

Nachdem ich eine Stunde meditativ auf einem breiten Weg und der Straße gegangen bin, biege ich jetzt auf einen steilen, steinigen Wanderweg nach oben ab. Bogen schlagend zieht sich die Route nach oben, und ich benötige insgesamt fast drei Stunden, bevor ich auf dem Picota mit seinen 773 m stehe – seines Zeichens zweithöchster Gipfel der Algarve. Der höchste Gipfel ist nur etwa drei Kilometer von hier entfernt.
Erwartungsgemäß habe ich von hier oben einen 360°-Rundumblick, wobei die Sicht von weiter unten klarer war. Außer mir ist hier oben niemand – und da es sehr windig ist, gehe ich nach ganz kurzer Pause weiter. Es ist ja auch schon 17 Uhr.

Kurz nach 18 Uhr erreiche ich den Ortseingang von Monchique. Ich möchte jetzt nur noch in die Unterkunft, duschen und mich ausruhen.
Im Supermarkt besorge ich mir einen großen Salat und ein kleines Bier. Eine nette Frau mit Englischkenntnissen hilft mir, auch noch eine Salatsoße zu finden. Die steht hier nämlich nicht neben dem Salat. Sie führt mich in einen ganz anderen Gang – ich bedanke mich und bemerke einen ziemlich unangenehmen Geruch. Mir ist das jetzt echt unangenehm, und ich schnüffele an mir, um dann festzustellen, dass wir uns unbemerkt der Käseabteilung genähert haben, die diese olfaktorische Verwirrung zu verantworten hat. Uff!

Jetzt trinke ich doch noch schnell einen Kaffee und mache mich auf die letzten (Kilo-)Meter.
Mein Flüssigkeitsmanagement (6 l Wasser + 1 l Apfelsaft) hat heute ziemlich gut gepasst.

Dunkle Wolken und kalter Wind machen die letzten Meter ziemlich kühl und unangenehm. Als ich mich umdrehe, sehe ich, dass der Gipfel des Picota in Wolken verschwunden ist. Gut, dass ich jetzt nicht mehr dort oben bin.
Bis auf einen falschen Schritt scheine ich heute alles richtig gemacht zu haben.
Die auf dem Weg liegende Apotheke nehme ich als Wink des Schicksals und bekomme eine Salbe für mein Knie – die gute alte Eucéta-Salbe, die sämtliche solche Schürfwunden meiner Kindheit geheilt hat, gibt es ja leider nicht mehr.

Punkt 19 Uhr komme ich an meiner Unterkunft an – ich war also fast 12 Stunden unterwegs – und werde von einer etwas merkwürdigen Frau empfangen. Sie scheint auf mich gewartet zu haben und führt mich in mein Zimmer. Leicht muffig riecht es hier, und es ist vom Standard deutlich hinter dem der letzten Nacht zurück, doch heute ist mir alles egal.
Ich dusche, stelle fest, dass das nun saubere Knie ziemlich okay aussieht, auch wenn es natürlich brennt und dick ist, und salbe es ein.
In der Küche verspeise ich meine 400-g-Portion Salat und bin glücklich. Geschafft und glücklich.

Länge Auf Ab
33.5 km 1265 Hm 844 Hm