Fischingen, 21.06.2021
Ich habe himmlisch gut geschlafen und fühle mich völlig erholt, obwohl auch nachts die Glocken jede Viertelstunde schlugen. Das Bett war so traumhaft bequem und in der Zelle war es so angenehm kühl und still.
Der heutige Tag wird von der 21 geprägt. 21. Hochzeitstag am 21. Juni im Jahre 2021. Ein Fest für Numerologen. Derweil macht meine Frau dort Urlaub, wo es garantiert keine Berge gibt. Und oft auch kein Meer. Watt? Genau! An der Nordsee.
Beim Frühstück bin ich alleine und erfreue mich vor allem des Kloster-Früchtebrots. Dazu ein Spicy-Chai und der Tag kann beginnen!
Bei strahlend blauem Himmel, wie man ihn sich nicht schöner vorstellen kann und Sonnenschein ziehe ich um halb neun los.
Auf schönen Wurzelpfaden im Wechsel mit breiten Schotterwegen geht es hinauf.
Ein Landwirt sorgt für die die würzige Landluft. Allerdings kommt die Gülle, die fein versprüht wird, nicht aus einem Güllewagen, wie ich das kenne, sondern aus einem gaaanz langen Schlauch, der irgendwo neben der Straße im Boden verschwindet. Quasi eine Gülle-Pipeline. Interessant! Besser riechen tut‘s dennoch nicht.
Nach gut eineinhalb Stunden habe ich den Hörnli-Gipfel (1132 m) mit seiner Triangulationspyramide erreicht und damit im Drei-Kantons-Eck den Kanton Zürich erreicht, den ich heute Abend am Zürichsee wieder zu verlassen gedenke.
Da der Hörnli-Wirt irgendwie von meinen Wanderplänen Wind bekommen haben muss, hat er seit letztem Monat den Ruhetag auf Montag gelegt. Im Gegenzug nutze ich nun eines seiner Bänklein, auf denen Picknick explizit verboten ist. Quid pro quo!
Nicht unbedingt knieschonend geht es hinunter nach Steg im Tösstal, wo ich meine Flasche wieder am Brunnen füllen kann. Hier gäbe es sogar einen ansprechenden Laden mit Brötchen und Snacks, aber ich muss noch weiter, bevor ich Mittagspause machen darf.
Bis nach Gibswil verläuft der breite Weg mal entlang der Straße - mal entlang der Bahnlinie. Abwechslung muss sein. Im Volg erstehe ich Salat und Obst und ein paar Gemüsebällchen zum Mittag. Für die verbleibenden zwanzig Kilometer möchte ich keinen Kohldampf schieben.
Im Osten brauen sich immer dunklere Wolken zusammen. Was das wohl noch geben wird?
Der Weg zieht sich nun an der rechten Hangseite nach oben und ich darf dort auf kleinen Sträßchen und Wegen entlangwandern und ins Tal schauen. Das ist abwechslungsreich und macht mehr Spaß.
Nach der x-ten Kuppe beginnen meine Augen zu strahlen. Ich kann plötzlich den Zürichsee sehen. Mit Damm, auf dem mein Tagesziel Hurden liegt. Und sogar die Mythen zeigen sich. Ich freue mich so! Ist aber noch ein gutes Stück bis dorthin.
Vor Rüti führt der Weg hinab zum Fluss Jona und überquert diesen, um dann auf der anderen Seite wieder hinaufzuführen und mich auf Waldwegen meinem Ziel näher zu bringen. Als ich mich von einem schwyzerdütschen Spruch auf einer Bank überreden lasse, eine Pause zu machen, ist es eigentlich zu spät. Ich bin die ganze Zeit seit Mittag ohne Trinkpause durchgegangen. Unvernünftig! Um so besser geht es mir jetzt und besonders, als zehn Minuten später auch noch ein Brunnen kommt. Mit bellendem Hund zwar, aber der will nur gestreichelt werden.
Dank der dunklen Wolken über mir brennt die Sonne nicht mehr, aber es ist unglaublich drückend. Das gibt doch sicher noch ein Gewitter! Noch zehn Kilometer - mal sehen.
Schon kurz darauf fallen die ersten Tropfen und ich hülle mich in meinen Poncho. Ich bin zwar nicht aus Zucker, aber wenn ich warte, bis der Starkregen einsetzt, ist es zu spät. Fünf Minuten später hört es wieder auf. Wie bisher jedes Mal.
In Rapperswil besuche ich noch Schloss und Kirche. Danach geht es auf dem Holzsteg nach Hurden. Es ist schon etwas besonderes, über den Zürichsee zu laufen, zumal der Steg aus senkrecht befestigten Latten besteht, so dass man hindurchschauen kann. Auf einer Seite ist eine Holzwand - auf der anderen Seite nichts außer ein paar dünnen Drahtseilen. (Warum es die Holzwand braucht, erschließt sich mir im Verlauf des Abends noch). Der Autoverkehr verläuft auf dem Damm. Schon seit jeher versuchen die Menschen, die natürliche See-Enge, die durch eine Gletschermuräne entstanden ist, zu überqueren. Mindestens seit dem 14. Jahrhundert gibt es hier eine Holzbrücke. (Allerdings ohne Geländer und mit lose aufliegenden Holzbohlen.)
Das letzte Stück zieht sich - dabei habe ich den Berg Etzel fest im Blick, dessen Pass ich morgen überqueren möchte. Endlich ist das Ziel erreicht!
Ich checke semi-freundlich bedient im Gasthof Seefeld, der auf dem Damm zwischen Hauptstraße und Bahnlinie eingequetscht liegt, ein. Mein Zimmer hat Blick auf die Bahnlinie.
Eineinhalb Stunden nach meiner Ankunft braut sich ein grandioses Gewitter zusammen. Es fängt an, wie wild zu stürmen, die Gartenterrasse wurde schlagartig geräumt. Das Servicepersonal fängt in Windeseile an, Tische und Stühle, sowie Blumenkübel, die sich gerade selbstständig machen, einzufangen und windgeschützt abzustellen. Die machen das nicht zum ersten Mal.
Auf dem See gibt es nun Wellen, das dunkle Grün hat sich in ein Hellgrün verwandelt. Die Leuchtsignale sind auf Sturmwarnung (90 x pro Minute) eingestellt und die Regenfront kommt näher. (Leider kann ich keine Fotos machen, denn durch geschlossenes Fenster mit Fliegengitter wird das nichts. Und ich hatte gerade meine Not, das Fenster gegen den Sturm zu schließen. Das mache ich sicher nicht mehr auf!).
Sollte ich nicht weggeweht werden, gibt es mit dem morgigen Bericht ein Update.
Fazit: Ein langer Tag mit viel zu viel Teerstraße, einem schönen Gipfel und einem eindrucksvollen Naturschauspiel.
Länge | Auf | Ab |
---|---|---|
35.2 km | 739 Hm | 949 Hm |