Porto Covo, 15.04.2024

Ich genieße die nächtliche Ruhe und die frische Meeresluft und schlafe mit offenem Fenster ganz hervorragend. Lautes Gekreische weckt mich, doch kann ich es den Möwen verdenken, sich über den neuen Tag zu freuen? Als dann auch noch die Müllabfuhr durch die Straße rumpelt, beschließe ich, dass es Zeit ist, aufzustehen.
Montagmorgen - und ich springe voll Tatendrang um kurz nach 7 Uhr aus dem Bett!
Als mich bald darauf (zeitverschiebungsbedingt) mein Handy an den ersten Teams-Call erinnert, zögere ich nicht lange - und schalte die Benachrichtigungsfunktion aus.

Im Café bestelle ich mir wie gewohnt einen Galāo und einen Käsetoast. Dieser ist so riesig, dass die Hälfte mit auf die Wanderung kommt. Zum Glück habe ich eine Tupper-Dose und als ich versuche, die großen Toast-Dreiecke passend in der rechteckigen Dose zu platzieren, fühle ich mich an meine Kindheit erinnert. Tangram. Analog, herausfordernd und spannend.
Die nostalgischen Gefühle spüle ich mit einem weiteren Kaffee herunter, lasse mich kurz vom Fernseher mit dramatisch-traurigen Trompetenklängen und Schwarzweiß-Bildern von 1974 mit Trauerkranz irritieren, verstehe zum Glück nichts (und 15. April ist noch etwas früh für 40 Jahre Nelkenrevolution), begebe mich in die lichte Herrlichkeit des Tages und wandere los.

Es geht steil hinunter zum Hafen und auf der anderen Seite steil wieder hinauf. Oben angekommen, genieße ich den Blick zurück auf Porto Covo und in meiner Richtung kann ich schon die kleine, vorgelagerte Insel „Ilha do Pessegueiro“ sehen. War ich auf der gestrigen Etappe noch alleine, ist heute das Gegenteil der Fall. Hier ist es halt auch atemberaubend schön.

Immer wieder schneidet sich das Meer ins Land hinein und bildet tolle Buchten, bzw. bilden sich durch landseitig einfließendes Wasser Barrancos, die manchmal durchquert werden müssen, wobei sich der Auf- und Abstieg stellenweise überraschend anspruchsvoll darstellt. Für mich ist es nicht wirklich fordernd, denn ich war auch schon mal in den Bergen unterwegs, doch hier hätte ich es nicht erwartet. Beim ersten Abstieg bekomme ich schon mit, wie mich die mir nachfolgende Gruppe beobachtet und dann versucht, die Stelle zu umgehen. Fast jede dieser Buchten erscheint mir badenswert, doch dann käme ich ja gar nicht voran.

Bald schon führt der Weg direkt am Strand entlang und direkt an der Wasserlinie läuft es sich sogar ganz angenehm - solange man die Wellen im Auge behält, sogar trockenen Fußes. Der Strand ist bilderbuchhaft – feinsandig, sauber, ohne vorgelagerte Felsen und fast menschenleer. Hätte ich nicht noch 16 km vor mir, würde ich bestimmt baden gehen.

Beim Fort von Pessegueiro (bzw. „Fort Nossa Senhora da Queimada“) mache ich im Schatten des Restaurants ein Päuschen, genieße die Aussicht und trage eine weitere Schicht der altersgerechten Sonnencreme (50+) auf. Das Geplapper der anderen Wanderer, zum Glück nicht nur Deutsche, blende ich weitestgehend aus.

Bald darauf befinde ich mich etwas versetzt zum Meer auf einem tiefsandigen Weg. Die Vögel singen, niemand ist weit und breit zu sehen oder zu hören, in der Ferne höre ich das Rauschen des Meeres und ein leichtes Lüftchen streicht über meine Haut. Hier entdecke ich die für mich passende Langsamkeit und meine innere Ruhe. Alles ist, wie es ist. Wunderbar. Einfach wunderbar.

Solche Momente kann ich nur alleine erleben und mit der Einsamkeit ist es vorbei, als ich wieder direkt an der Küste ankomme, denn die meisten Wanderer scheinen den (gesperrten) Weg über die Dünen genommen zu haben. Ich bereue den „Umweg“ gewiss nicht.

Nachdem ich eine Weile vor mich hingewandert bin, ziehen völlig überraschend innerhalb von Minuten von Süden kommende Wolken auf. Meer und Wolken vermischen sich zum Einheitsgrau und beim Blick zurück sehe ich, dass ich auch in diese Richtung nichts mehr sehe. Der Spuk hält 10 Minuten an und dann ist alles vorbei, als ob nichts gewesen wäre. Ein merkwürdiges Erlebnis.

Kurz nach Mittag verlasse ich die markierte Route und wandere sogar ein Stück zurück nach Norden. Nicht weil ich völlig verrückt geworden bin, sondern weil ich bei der gestrigen Durchsicht der heutigen Strecke auf Google den Hinweis auf den „Praia naturista do Malhão“ gefunden habe. Diese Information in einem Wanderführer zu erwarten, wäre vermutlich übertrieben und ich freue mich darauf, diesen etwas abgelegenen Strandabschnitt zu besuchen, an dem man sich nicht nur nahtlos bräunen lassen kann, sondern sich vor allem beim Wellenbad völlig frei fühlt. Das Wasser ist bestimmt nicht wärmer als gestern und bereite doch so viel mehr Spaß. Während ich trockne, verspeise ich meinen Tangram-Toast und eine Dose Fisch. Wie gut es mir doch geht!

Im weiteren Verlauf darf ich am Strand über eine Steinbarriere kraxeln, die zwei Buchten trennt, bevor es nicht mehr weitergeht und ich mich wieder auf die Klippen hinauf begebe. Die Blumenpracht hier oben begeistert mich ungemein.
Nur wenige Wegabschnitte auf den Klippen sind felsig, meist wandere ich im tiefen Sand und da das Vorwärtskommen beschwerlich und langsam vonstattengeht, habe ich viel Zeit, die traumhafte Aussicht zu genießen.

5 km vor dem Tagesziel erreiche ich den Strand „Angra da Cerva“. Der Fischerpfad führte oberhalb der Bucht entlang und der Abstieg nach unten ist steil. In der ganzen Bucht sind nur etwa fünf Leute, die Wellen brechen hoch und schlagen auf den feinsandigen Strand. Obwohl ich schon ziemlich geschafft bin, steige ich den schmalen, rutschigen Pfad hinab und erkläre die linke, unbesiedelte Strandseite zum Naturbadestrand. Dafür, dass die nachfolgenden Menschen, die irgendwie alle auf „meine“ Strandseite kommen, dies nicht beachten, kann ich ja nichts. (Wer mich kennt, weiß, dass ich mich immer sofort nach dem Baden abtrockne und wieder anziehe). Ich vergnüge mich so lange mit den starken, traumhaft brechenden Wellen, bis ich anfange, richtig zu bibbern und auch im Wasser Gänsehaut habe. Ich würde gerne noch drinbleiben, denn es bereitet mir unglaublichen Spaß, doch weiß, dass ich jetzt raus muss. Ein dünnes Rinnsal Süßwasser spritzt lustig die Felswand hinab – ideal, um das Gesicht und die Hände vom Salzwasser zu befreien und auch die Füße ziemlich sandfrei einzusocken.
Erfrischt und glücklich steige ich wieder zum Fischerpfad hinauf und wundere mich, wie die Autorin des Wanderführers von hier aus bereits die ersten Häuser von Villa Nova de Milfontes sehen kann, denn ich kann es jetzt und auch noch eine ganze Weile nicht.

Auf der Terrasse eines schönen Restaurants oberhalb eines kleinen Hafens gönne ich mir den letzten Galāo des Tages. Dieser ist wirklich lecker und kostet trotz der gehobenen Lokalität nur 1,50 €. Ich kann das gar nicht fassen.

Der Ort Villa Nova de Milfontes liegt an der breiten Mündung des Flusses Mira. Auch hier gibt es einen Strand, an dem man toll baden können soll, doch mein Bedarf ist für heute gedeckt, weshalb ich direkt zum Hotel „Milfontes Beach“ gehe und dort überraschend freundlich eingecheckt werde. Da es schon 18 Uhr ist, beeile ich mich, um im kleinen Supermarkt noch Wasser, Bier und eine neue Dose Fisch für morgen zu besorgen, bevor er schließt.
Da Sonnencreme nötiger als erwartet ist und meine nicht nur seltsam riecht - sie ist zwar noch nicht 50+, doch auch schon älter als erlaubt - gönne ich mir eine große Flasche eines Markenprodukts aus dem Hause Garnier und strapaziere das Urlaubsbudget, doch über zu viel Sonne will ich sicher nicht klagen

Cleverer weise denke ich daran, den Sand in meinen Schuhen außerhalb des Hotels auszuschütten. Für eine richtige Sandburg ist es zu wenig, doch für auf dem Zimmerboden viel zu viel. Danach wasche ich Wäsche und mühe mich ab, sie möglichst frei hängend und gut belüftet im Zimmer zu platzieren. Das war auch schon einfacher.

Da ich keine Lust habe, im Hotel zu essen, gehe ich den Ort und lande in einem Restaurant, in das sich wohl kein Einheimischer verirrt. Hier ist man nicht nur sprachlich auf die internationalen Gäste eingestimmt. Den durchaus leckeren Quinoa-Burger hätte ich so und zu dem Preis auch in Frankfurt haben können. Wirklich herausragend ist der Nachtisch: Käse mit Marmelade.

Fazit: Eine lange, sandige, anstrengende Etappe mit Aussichten und Bade-Erlebnissen, die in Erinnerung bleiben. Gemeinsam mit meinem ganz persönlichen Moment der Ruhe und Zufriedenheit.
Ein Tag, für den ich besonders dankbar bin.

Länge Auf Ab
22.6 km 230 Hm 237 Hm


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