Tag 105 - Von Soltau nach Bispingen (3.03)
Soltau, 03.09.2024
Die Nacht war warm und leider nicht so regenerierend, wie ich mir das erhofft hatte.
Zum Frühstück gehe ich hinüber ins Haupthaus, denn ich habe im neuen Bettenhaus quer über die Straße logiert. Der Frühstücksraum ist zweigeteilt und riesig. Ich bin noch der einzige Gast, obwohl alle Tische eingedeckt sind. Ich suche mir meinen Platz und freue mich über das altbacken-rustikale Büffet. Es ist unglaublich günstig (7,50 €) und kann kaum kostendeckend sein.
Punkt 7:30 Uhr fallen plötzlich Menschen in Reisebusstärke ein. Ich fühle mich gleich jünger und fitter. Es ist die „Generation Kaffeesahne“, die hier antritt und die sich im Hotel und mit dem Frühstücken bestimmt wohlfühlt. Das erklärt nicht nur die Unmenge Kaffeesahneportiönchen auf den Tischen, sondern auch den „Früchtemix Exotik“ auf dem Büffet. Das Hotel orientiert sich an der Zielgruppe - und doch finde ich (leicht versteckt) auch vegane Streichcreme und eine Milchalternative. Ich find's prima.
Vielleicht kann ich mir in 20, 30 Jahren die Heide, oder was von ihr übrig ist, auch nochmal „in Ruhe“ anschauen.
Durch die großzügige und künstlerisch gestaltete Fußgängerzone erreiche ich den Böhme Park und verlasse durch ein Wohngebiet mit auffallend schönen, gepflegten Gärten Soltau. Ich muss mich hier erst einmal daran gewöhnen, dass man an roten Fußgängerampeln stehenzubleiben scheint, auch wenn keine Autos kommen. Das fiel mir gestern schon auf.
Über mir strahlt die Sonne vom blauen Himmel, während es im Osten bedeckt ist und sich auch leicht schwül anfühlt. Mal schauen, was sich daraus noch entwickelt.
Direkt hinter der Heideklinik darf ich in den Wald eintauchen, wundere mich über die Unmengen an Kartoffelbovisten, die hier wachsen, und erreiche den Löns-Stein.
„Schon wieder?“, denke ich, doch natürlich ist diese Soltauer Gedenkstätte an den Heidedichter die einzig Wahre.
Nur wenige Meter daneben die Gedenkstätte an hier begangenen, zigfachen Mord jüngerer, dunkler Vergangenheit.
Im Hintergrund höre ich Artillerie-Feuer und Maschinengewehr-Salven.
„Es stehn drei Birken auf der Heide valleri und vallera
an denen hab ich meine Freude, juppheidi heida….“ (Hermann Löns)
Irgendwie ist mir das gerade alles zu viel.
Nach einiger Zeit gelingt es mir, trübe Gedanken zu vertreiben und ich schwebe lächelnd über den Wirtschaftsweg nach und durch die kleine Siedlung Oeningen.
Endlich bekomme ich auf einem Waldweg weichen Grund unter die Füße und bald schon wandere ich auf einem kaum vorhandenen Pfad direkt neben einem Kartoffelacker.
Ich treffe auf zwei etwas ältere E1-Wanderer, die gerade pausieren und unverkennbar us dr Schwyz chömme.
Sie wandern den E1 südwärts, ursprünglich ab Flensburg und dieses Jahr ab Hamburg. Nice.
Weiter geht’s auf sandigem Waldboden und ich genieße, dass meine Füße wie ein Uhrwerk gehen.
Nach 3 Stunden (und knapp 15 km) befinde ich mich gerade auf einem schönen Waldweg und merke, dass ich das Wandern gerade gar nicht recht genieße und nur vor mich hermarschiere. Der Grund dafür ist mir zwar klar, doch so geht das nicht!
Ich packe also meine Zeltunterlage aus, lege mich darauf und schaue in die Baumwipfel. Zwar raschelt und knistert die Unterlage auf dem weichen, bequemen Waldboden, doch nach wenigen Minuten komme ich zur Ruhe, vergesse die Umgebungsgeräusche und versinke in einem Dämmerzustand. 20 Minuten später packe ich alles zusammen, entferne etliche Krabbeltiere, die mich mehr mögen, als ich sie, und gehe weiter. „Geerdet“ ist vermutlich der richtige Begriff, denn jetzt bin ich bin völlig entspannt, erfreue mich an Kleinigkeiten, die ich wahrnehme und genieße es.
Überwiegend auf schmalen Pfaden erreiche ich die Jugendherberge und wenig später den Ortseingang von Bispingen. Am Friedhof wasche ich mir den ärgsten Schweiß von Gesicht und Armen und bei Penny werde ich Müll und Leergut los.
Ich kaufe mir ein Radler und sehe mit Verwunderung bereits Dominosteine und anderes Weihnachtsgebäck. Stimmt - in gut 3 1/2 Monaten ist schon wieder Weihnachten.
In Bispingen wird massiv gegen eine neue ICE-Trasse demonstriert und ich versuche, mir einige Hintergründe dazu zu beschaffen, die fundierter sind, als das, was demonstrierende Landwirte und durch die Heide reitende von sich geben.
In exakt diesem Moment erreicht mich eine Push-Nachricht, dass mein Zug von Scheweningen nach Hannover wegen Personalmangels ausfällt. Zum Glück bin ich früh dran und kann eine Verbindung früher nehmen.
Wieso denn Zug nach Hannover?
Da ich morgen einen kurzfristig anberaumten Termin nahe Frankfurt wahrnehmen muss, werde ich jetzt gleich mit dem Bus nach Scheweningen fahren, habe dort 0 bzw. 60 Minuten Umsteigezeit, um dann über Hannover nach Frankfurt zu fahren.
Da ich natürlich in Scheweningen hängenbleibe, lasse ich mich ortskundig beraten und man versichert mir, dass ich den Kilometer ins Zentrum getrost sparen könne, denn es gäbe kein Zentrum und stattdessen solle ich lieber einen Kaffee trinken gehen. Nichts leichter als das.
Morgen ist also Ruhetag und am Donnerstag geht es von Bispingen aus weiter. So der Plan.
Länge | Auf | Ab |
---|---|---|
21.5 km | 73 Hm | 52 Hm |