Bad Laasphe, 29.04.2023

Heute ist es also so weit. Ich habe ganz passabel geschlafen und bin überrascht, wie gelassen ich bin. Das sah vor zwei Wochen noch ganz anders aus.

Meine Frau bringt mich nach Oberursel an den Bahnhof, um dort festzustellen, dass die Bahn nach Frankfurt wegen Personalmangel leider nicht fährt. Bei der Suche nach einer alternativen Verbindung stellt sich zudem heraus, dass der von mir vorgesehene Zug von Marburg nach Bad Laasphe plötzlich nicht mehr im Fahrplan steht. Hätte ich die ursprüngliche Verbindung nicht schwarz auf weiß vor mir, würde ich an mir zweifeln. Da sage einer, die Bahn sei nicht flexibel.

Eine Stunde später als geplant, liefert mich die Kurhessenbahn etwas durchgefroren (die Heizung im Zug war aus) in Bad Laasphe ab, wo mich ein bleigrauer Himmel und leichter Nieselregen erwartet. Selbst mit Pulli und Jacke ist es ziemlich kühl und ich frage mich, ob es ein Fehler war, meine Daunenjacke zu Hause zu lassen. Etwas Bewegung wird es hoffentlich richten.
Vorbei an den Traditions-Häusern „Wittgensteiner Hof“ und „Deutsches Haus“ wende ich mich Richtung Dänemark und steige zum Schloss Wittgenstein hinauf, welches ockerfarben leuchtend auf dem Hügel zwischen Lahn- und Laasphetal ruht und seit den 1950er-Jahren als Internat dient.

Vor knapp drei Jahren habe ich den E1 in Bad Laasphe verlassen (Tag 20) und freue mich, heute nahtlos anknüpfen zu können.
Ich folge also dem Höhenzug und freue mich über die vielen Markierungen. Leider hat die Kreativabteilung des Wandervereins beschlossen, nahezu alle Wege mit einem X zu markieren und dieses X mit einer kleinen Zahl zu ergänzen. Das ist für das problemlose Auffinden des richtigen Weges nicht wirklich hilfreich, besonders, weil der E1 normalerweise mit einem X ohne Zahl markiert wird.

Obwohl ich erst wenige Kilometer unterwegs bin, schockiert mich der Anblick der vielen gerodeten Bergrücken. Ähnlich muss es zwar auch früher schon ausgesehen haben, denn der Name Rothaargebirge bedeutet ja ‚gerodeter Wald‘-Gebirge, jedoch befürchte ich, dass die Rodungen der Neuzeit weniger aus wirtschaftlichen Gründen, als eher durch Dürre und Klimawandel bedingt sind.

Nach 11 km erreiche ich den winzigen Ort Stünzel, der außer ein paar wirklich schönen Schnitzereien auch mit einer überdachten Picknick-Bank aufwartet. Im Ort wohnen etwa 50 Menschen und mindestens ebenso viele Kühe. Die Idee mit der Bank ist super, allerdings ist alles so moosig und ungepflegt, dass ich mich trotz Sitzkissen einsauen würde. Daher esse ich mein Brötchen im Stehen und halte die Pause kurz, denn mir ist kalt.
Ich wandere im Nieselregen weiter durch Wald, über feuchte Wiesen und Nebenstraßen. Sobald ich dem Wind ausgesetzt bin, wird es empfindlich kalt - und zwar nicht nur an den Händen, die den Schirm halten müssen.

An einer windgeschützten Stelle verharre ich einen Moment, schließe die Augen, verbanne sämtliche Gedanken aus meinem Hirn und lausche. Und wie ich lausche, schleichen sich mehr und mehr leise Naturgeräusche in mein Bewusstsein. Jetzt höre ich nicht nur die vorlauten Vögel, sondern auch das ganz leise Gezwitscher, die Wassertropfen auf den Blättern und einen Frosch, der irgendwo ganz in der Nähe quakt. Langsam, ganz langsam breitet sich in mir eine unglaubliche Ruhe aus. Ich bin gerade dabei, auf dem Weg anzukommen.

Nun wandere ich ruhiger und leichter weiter, und passiere bald auf einem wunderschönen, von Ginster überwucherten Weg das Schieferbergwerk Raumland und erreiche wenige später den gleichnamigen Ort. Ein letzter Anstieg bringt mich auf den „Stoppel“, wo ich mich an den Sitzbänken mit Abzieher und Tuch zum Trockenreiben erfreue - ebenso wie an dem Spruch des bekanntesten dänischen Schriftstellers H.C. Andersen. Ein dänischer Schriftsteller! Ist das Zufall? Oder selektive Wahrnehmung?

Direkt vor mir liegt Bad Berleburg und das ist auch gut so, denn obwohl es heute nicht besonders weit war, spüre ich meine Füße. Diese dürfen sich, ebenso wie der Rücken in den nächsten Tagen an das zusätzliche Gewicht des Rucksacks gewöhnen.
Im Berleburger Hof checke ich mich über einen Automaten kontakt- und seelenlos ein. Ich stelle meinen Rucksack in das kleine, kühle Zimmer, drehe die Heizung auf und besorge mir Abendessen im nahe gelegenen Lidl.

Als ich wieder ins direkt an der Hauptstraße gelegenen Hotel zurückkehre, hat die Heizung ihre Arbeit getan. Das neue Badezimmer, mit perfekt funktionierender Dusche und Aufhängemöglichkeit für meine frisch gewaschene Unterwäsche, versöhnt mich vollends und nun fühle ich mich richtig wohl. Und so lasse ich den ersten Abend dieser neuen Tour ausklingen.

Ich denke, heute war ein guter Tag, zumal mich meine Füße blasenlos ins Ziel gebracht haben und es das Wetter locker schaffen wird, das heutige zu übertreffen.

 

Länge Auf Ab
23.3 km 558 Hm 447 Hm

 

 


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