DCE2BBAD-F16D-4D48-B2BD-1D58D9D58372Amsteg, 26.06.2021

Ich musste gestern Abend gar nicht lange Schäfli zählen, bevor ich eingeschlafen bin. Die Autobahn war im Zimmer kaum zu hören - höchstens als leichtes Rauschen. Das Fenster hatte ich erstmal geschlossen gelassen, da mir sonst die Gerüche des Küchenabzugs hereingezogen wären. Da ich es dann in der Nacht geöffnet habe, weckten mich Naturgeräusche aus meinem traumreichen Schlaf.

Immer die Uhr im Auge, verspeise ich das aus Croissant und ganz hellen, frischen Bäcker-Brötchen bestehende Frühstück.

Während Tageswanderer zur Seilbahnstation strömen, die von Intschi zum Amisee hinauf führt, warte ich auf den Bus, der mich wieder zurück nach Amsteg bringt. Und während die Sonne vom blauen Himmel scheint, studiere ich die im Schatten liegende andere Talseite, auf der ich bald bergan wandern werde.

Fünf Bus-Minuten später starte ich die Tour in Amsteg, wandere an den imposanten Druckwasserleitungen des Kraftwerks vorbei und dann bergan. Das Kraftwerk ist übrigens eines der beiden Herzstücke, welches die Gotthardlinie mit Strom versorgt.

Es ist noch recht kühl - jedoch vermute ich, dass mir bald ziemlich warm werden wird. Ich lerne auch gleich mehrere Lawinenfluchtnischen kennen und hoffe, dass ich diese nie benötigen werde.

Nach einer guten Stunde bin ich wieder gleichauf mit dem Schäfli in Intschi - nur halt auf der anderen Talseite.

Wenig später stürzt steil das Wasser, vom Bristen kommend, hinab. Keine Möglichkeit, diese Stelle zu passieren, wäre hier nicht extra ein Tunnel gebaut worden, der den Teiftal-Graben hintergräbt. Ich suche gerade die Handy-Taschenlampe heraus, damit es in dem dunklen Tunnel nicht gar so duster ist, als ich den Lichtschalter für Fußgänger entdecke. Die Schweizer eben.

In Meitschlingen wird das Tal enger und alle Verkehrsträger müssen enger zusammenrücken, was für mich bedeutet, dass es lauter wird.

Beim Wandern habe ich ausreichend Zeit, die vielen dynamischen Steinfangnetze zu bewundern, die nach Steinschlag nicht nur leichter auszutauschen sind, sondern auch wesentlich größere Steine fangen können, als die altern statistischen Sicherungen aus Stahlträgern oder Eisenbahnschwellen. Das sind echte Meisterleistungen. Manche Netze melden sogar, wenn sie „ausgelöst“ wurden, so dass z.B. der Bahn- oder Autoverkehr sofort gestoppt werden kann.

Wo immer es möglich ist, führt der Weg weg von der Straße und entweder in den Wald hinauf oder zur Reuss hinab. Das ist sehr schön und abwechslungsreich. Anstrengend auch, aber das ist mir gerade egal.

Kurz vor Wassen erreiche ich die Wasserfassung Pfaffensprung. Von hier aus wird ein guter Teil des Wassers der Reuss in einem waagerechten Stollen zum Wasserschloss bei Amsteg geführt, wo es dann durch die Druckleitungen nach unten fällt. Dies erklärt dann auch, warum zwischen hier und Amsteg so viel weniger Wasser in der Reuss zu sehen ist. (Und es gibt noch viel mehr solcher Verbindungen, wie ich auf einer Info-Tafel erfahre).

In Wassen hole ich mir beim Volg mein Mittagessen und mache es mir auf einer Bank bequem. Von hier habe ich einen tollen Blick auf die Autobahn, auf der sich bergauf gerade nicht viel bewegt: Stau! Das Internet sagt: „großer Zeitverlust aufgrund sehr hohen Verkehrsaufkommens“.

Hier in Wassen ginge es jetzt auch nach rechts über den Susten-Pass wieder zurück zum Brienzer- und Thunersee. Ich wandere jedoch weiter in Richtung Gotthard. Ich bin so dankbar, dass ich bei diesem traumhaft schönen Wetter hier wandern darf.

Da in Wassen Schilder behaupten, „mein“ Weg sei noch in Wintersperre, die aber normal nur bis Mitte/Ende Mai dauert, bin ich froh, als mir ein pausierendes, von oben kommendes Wanderpaar bestätigt, dass der Weg offen ist. Da auf den Schildern eine ausstellende Behörde und ein Name genannt sind, habe ich diesen Herrn gerade angemailt und darauf aufmerksam gemacht, damit diese Schilder wegkommen. Das ist nämlich gefährlich.

Ich erreiche Göschenen und bin vom dem Wegstück begeistert. Meist ging es auf schönen Pfaden und stets abwechslungsreich voran. Am Bahnhof tanke ich wie eine alte Dampflok Wasser nach und starte dann auf das letzte Teilstück bis Andermatt. Ruhig ist es geworden, seit die Autobahn (mittels Blockabfertigung) im Berg verschwunden ist.

Ehrfürchtig wandere ich entlang der steil neben mir aufragenden Felswand, während unter mir die Reuss tost. Die Autostraße windet sich in Serpentinen den Berg hinauf - der Wanderweg nutzt hier den etwas direkteren und steileren Anstieg durch die Natur. Die Reuss rauscht so laut, dass man die Autos kaum hört. Ist das schön hier! Naja - immer geht das leider nicht so. Und dort verläuft der Weg unter, über oder neben der Straße.

Ich erreiche die Teufelsbrücke und das Russendenkmal und lerne, dass es auch einen Teufelsbrücke-Umgehungs-Stollen gibt.  Dieser wurde Anfang des zwanzigsten Jahrhundert gebaut, damit man sie im Verteidigungsfall sprengen kann und dennoch diese brisante Stelle passieren kann. Diesen Stollen kann man sogar besichtigen. Mir ist aber nicht nach Dunkelheit und düsteren Zeiten und so bleibe ich lieber an der Sonne.

Jetzt noch schnell durch den Fußgängertunnel am Urner Loch - und schon ist Andermatt in Sicht. Hier ist heftig was los und schwyzerdütsch eher selten vertreten.

Was mich doch noch überrascht, ist die Tatsache, dass Andermatt wirklich ein Dorf ist. Keine 1500 Einwohner, aber fast 1000 Hotelbetten. Das sagt schon fast alles.

Ich darf jetzt noch ein paar Meter in den Ortsteil Weiler ansteigen, der an der Straße zum Oberalppass liegt. Und dann kann ich mich erstmal ein bisschen auf dem Bänklein vor dem Haus ausruhen, da die Vermieterin, die ich zum Glück auf dem Handy erreiche, gerade noch mit dem Fahrrad unterwegs ist. (Ich bin auch etwas früher als angekündigt da).

Nach vielleicht zehn Minuten ist die alte, aber rüstige Dame da. Sie spricht eine seltsame Dialekt-Mischung. Klingt wie eine Berlinerin in der Schweiz, aber ich möchte nicht fragen.

Sie zeigt mir das Zimmer und Bad und meint, ich könne auch auf dem Balkon sitzen. Und dann geht sie in das Zimmer neben meinem. Da das Bad irgendwie „bewohnt“ aussieht, frage ich mal, ob es denn nur für mich sei. Als Antwort kommt: „Ja klar, das ist nur für Sie. <lange Pause> Und für mich, aber von mir merken Sie überhaupt nichts. Machen Sie einfach wie zu Hause“.

Na Klasse! Da hatte ich extra nach einem B&B mit eigenem Bad geschaut und jetzt wohne ich bei der alten Frau im Arbeitszimmer und sie daneben.

Fühlt sich seltsam - und vor allem unerwartet an. Zumal wir nicht ein Herz und eine Seele auf den ersten Blick sind. Für die eine Nacht wird‘s wahrlich reichen - und es übt für Couchsurfing oder ähnliches…

Sie empfiehlt ein Restaurant im Ort und warnt, nicht zu spät zu gehen. Als ich um viertel vor sechs dort bin, ist draußen alles besetzt - und reinsetzen möchte ich mich echt nicht. Und alleine und mit COVID ist das noch blöder. Bei einem Dönerladen sind draußen noch schöne Sitzplätze frei und Lust auf Pizza habe ich auch. Der Herr hinter der Theke ist eher Ost-Asiate und wir haben Verständigungsprobleme. Und was muss ich Depp denn auch nachfragen, ob die Pizza Funghi vegetarisch ist? Da ich Lust auf Salat habe, aber keinen auf der Karte finde, frage ich, ob er auch Salat habe. Dies bejaht er. Resümierend meint er „You want pizza funghi with salad“. Da ich bei seinem Sprachniveau nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen möchte, bejahe ich. Eine Viertelstunde später habe ich dann den Salat. Der Herr bringt eine Pizza Funghi, auf die er etwas geschnittenen Chinakohl-Salat, wie er auch in den Döner kommt, gestreut hat. Hmpf! Vielleicht ist das ja die Vorbereitung auf das, was mir im Tessin blühen wird. Denn mein Italienisch ist unterirdisch. (Der Salat war übrigens kostenlos und hat mich um eine Erfahrung reicher gemacht)

Auf dem Heimweg sehe ich nun bei dem Restaurant, wo man nicht so spät hingehen soll, dass die Hälfte der Tische leer sind.

Fazit:

-Super Etappe bei Traumwetter, die ich zu großen Teilen wirklich empfehlen kann. -Zum Abschluss des Tages Übungen in Flexibilität.

Länge Auf Ab
22.6 km 1113 Hm 183 Hm
 


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