Willebadessen, 06.05.2023
Ich habe ausgezeichnet geschlafen, wenngleich mich ein Thema auch in meinen Träumen verfolgt hat. Gestern wurde hier nämlich ein extrem beliebter Mensch namens Dörthe beigesetzt. Sie war eine gesunde, engagierte, intelligente und sehr beliebte Nichtraucherin und wurde von einem Hinterwandinfarkt dahingerafft. Von jetzt auf gleich. Mit 56 Jahren!
Die Besitzerin des „Deutschen Hof“ war gestern schon bei der Begrüßung etwas mitgenommen - und abends an der Theke war dies ein langes Thema. Also: CARPE DIEM!
Als ich wie vereinbart um 7:30 Uhr zum Frühstück erscheine, steht alles bereit. Neben meinen Brötchen liegen auch Plastikbeutel, sodass ich die verbleibenden zwei Scheiben Brot mit Käse belege und mitnehme und mir somit den Einkauf erspare. Ich finde das super! Und da die unverpackten Reste vom Frühstück ohnehin nicht anderweitig verwendet werden können/dürfen, ist das auch eine nachhaltige Lösung.
Um halb neun geht es los. Die Morgenluft ist vom Regen reingewaschen und fühlt sich wunderbar an. Ich schlendere durch die direkt neben dem Hotel liegende Klosteranlage des ehemaligen Benediktinerinnen-Klosters.
Der Weg durch Willebadessen bis zum Waldrand hinauf zieht sich - und doch bin ich froh, nicht hier im Hotel Jägerhof übernachtet zu haben. Das „Deutsche Haus“ war eine gute Wahl.
Zum Glück kann ich mir heute die blöde Fahrstraße zum Fernmeldeturm ersparen und erreiche den E1 auf dem Eggekamm 1 km nördlich des Turms über einen Wanderweg. Obwohl es kühl ist, sorgt die Waschküchenatmosphäre dafür, dass ich schon verschwitzt bin, als ich oben ankomme.
Auf einem gut zu begehenden Weg wandere ich Kilometer um Kilometer vorbei an dem, was einmal ein Nadelwald war und von dem mir jetzt nur noch tote Baumstümpfe traurig entgegenblicken.
In den (leider kurzen) Passagen, in denen sich ein paar Laubbäume Kyrill (und anderen Stürmen) und der Trockenheit widersetzen konnten, oder junge Birken schon herangewachsen sind, herrscht gleich ein ganz anderes Klima und die Vögel zwitschern laut vor sich hin. Wald ist halt etwas ganz Besonderes.
Ich erreiche Hebram-Wald und da ich nur das Nötigste tragen wollte, habe ich für hier Wassernachschub eingeplant. Ungünstigerweise ist das Restaurant „Golfhaus“, welches ich dafür nutzen wollte, geschlossen. Bei der Kapelle „Maria Königin“ gibt es zwar einen Defibrillator, aber kein Wasserhahn und das Restaurant Tannenhof ist eine gerade einstürzende Bruchbude. In Gärten oder auf Terrassen ist niemand zu sehen. Doof. Glücklicherweise höre ich das Geräusch einer Steinkreissäge und gehe dorthin. Es handelt sich um einen Handwerksbetrieb und dort darf ich mich selbst aus dem Wasserhahn bedienen. Ich trinke kräftig, und fülle meine Flasche auf. Der Wasserbedarf für den Rest der Strecke ist also gesichert. Prima!
Nach einem kurzen Stück auf der Straße wandere ich auf breiten Forstwegen durch den Buchenwald. In einer der auf dem Eggeweg zahlreich vorhandenen und stets gut gepflegten Schutzhütten mache ich Mittagspause. In unmittelbarer Nähe befindet sich ein Erdfall. Dabei handelt es sich um eine trichterartige Einsenkung, nachdem ein Hohlraum in der darunter liegenden Muschelkalk-Gesteinsschicht entstanden war.
Als meine Uhr gerade das Erreichen der 20 km Marke signalisiert, komme ich an die Abzweigung zur Burg Iburg. Zweimal 800 m Umweg sollten noch drin sein, denke ich, und mache mich an den Abstieg. Vermutlich aus der Tradition, anrückende Feinde zu verwirren, hat man die Beschilderung dürftig und irreführend gestaltet. Nur dank GPS finde ich die Burg dennoch. Der Ausblick vom Kaiser-Karls-Turm nach Bad Driburg und weit ins Land ist sagenhaft und weil die Sonne gerade so schön hinter den Wolken hervorkommt, gönne ich mir einen Kaffee auf der Terrasse des Burgrestaurants. Der Abstecher war definitiv lohnenswert.
Nachdem ich mich heute Vormittag eher gestresst und auf dem breiten Weg die Kilometer heruntergerissen habe, schlendere ich jetzt ganz entspannt auf immer schöner werdenden Wegen und Pfaden die letzten Kilometer in Richtung Altenbeken.
Schon von Weitem erkenne ich den „Altenbekener Viadukt“, der mit seinen 24 Bögen das Beketal überspannt und damit Europas längste Kalksteinbrücke ist. Der Viadukt wurde bereits in den 1850ern gebaut. Im Zweiten Weltkrieg galt der Viadukt bei den Alliierten als eine der beiden wichtigsten deutschen Brücken und musste nach seiner Zerstörung daher 1950 (in historischer Form) wieder aufgebaut werden.
Am Rehberg-Pass, der heute vielen Motorradfahrern als Treffpunkt dient, vermutlich, weil man hier so toll die Maschinen aufheulen lassen kann, verlasse ich den E1 und wandere nach Altenbeken. Ich passiere die ersten Hauser und plötzlich ist an einer leider zu gut abgesperrten Baustelle Schluss für mich. Ich versuche zwar, die Absperrung zu umgehen, aber es geht nicht. So muss ich tatsächlich umdrehen, den Berg wieder hochlaufen und einen riesigen Umweg hinnehmen. Ein Umleitungsschild für Wanderer wäre vermutlich zu viel Aufwand gewesen. Nach 30 km kann so etwas schon nerven.
Im „Café/Pension Mertens“ checke ich ein und bekomme ein urgemütliches Zimmer. Direkt neben dem Café befindet sich eine Kneipe mit Biergarten, die auch Burger anbietet. Jeder Burger auch vegetarisch. Und dahin gehe ich jetzt sofort und ungeduscht, denn die Wolken am Himmel sind dunkel und ich weiß, dass ich nach dem Duschen den Hintern nicht mehr hochbekomme. Und das war eine sehr, ausgezeichnete Entscheidung. So einen leckeren Burger hatte ich schon ewig nicht mehr - wenn überhaupt.
Fazit: Ziemlich lang und eintönig war’s - morgen wird’s nur ein kleines bisschen weiter.
Länge
Auf
Ab
31.5 km
493 Hm
470 Hm