Schwelentrup, 10.05.2023
Ich habe himmlisch gut geschlafen und wache etwas zu früh auf. Draußen regnet es leise und ergiebig vor sich hin. Zum Glück liege ich jetzt nicht im Zelt.
Das Frühstück würde auch locker für drei Personen reichen und Frau Pieper fordert mich auf, mir doch bitte etwas mitzunehmen, da es bis zur nächsten Unterkunft weit sei.
Als ich schon fast fertig bin, kommt auch noch das einzige andere Urlauber-Paar, dass ich gestern bereits gesehen hatte und eine merkwürdige Kommunikation beginnt.
Ich erfahre später, dass sie aus einer Einrichtung in Bielefeld kommen und schon seit Jahren hier Urlaub machen. Sie werden dafür von ihrem Betreuer hergebracht und nach zwei Wochen wieder abgeholt. In der Zwischenzeit kommen sie irgendwie alleine klar und können auch selbstständig mit dem Bus in den nächsten Ort fahren - und Frau Pieper hat sich ja auch noch ein Auge auf sie.
Als ich gehe, führe ich noch ein sehr langes, angenehmes Gespräch mit Frau Pieper, in dem es um mehr als um meine Wanderung geht. Um die Vertraulichkeit des vier-Augen-Gesprächs nicht zu verletzen, sei nur so viel gesagt: „Lebe Deinen Traum jetzt, bevor es zu spät ist.“
Ich glaube, das Gespräch tut uns beiden gut. Zudem zieht es mich bei dem Regenwetter echt nicht raus.
Um halb zehn geht es in Regenklamotten und mit Schirm zunächst zurück auf den E1 und dann den Steinberg hinauf. Mir gefällt diese hügelige, grüne Landschaft mit einem gelben Rapsfeld hier und da hervorragend.
Ich erreiche den mit 396 m höchsten Berg des Lipper Berglands, den Steinberg. Bei guter Sicht kann man von hier aus angeblich das Hermannsdenkmal bei Detmold in der einen Richtung und die Porta Westfalica in der anderen Richtung sehen. Heute natürlich nicht. Ich bin schon sehr zufrieden damit, dass ich jetzt meine Regenklamotten ausziehen kann und hoffe, dass es den Rest des Tages trocken bleibt. Von der bis in die 1990er betriebenen Radar- und Raketenstellung der NATO ist außer ein paar betonierten Wegen und Flächen nichts mehr zu sehen. Das Steinberg-Plateau würde sich auch ganz perfekt für eine Übernachtung im Zelt eignen.
Auf einem schmalen, wurzeligen, und natürlich rutschigen Pfad wandere ich weiter und genieße die Natur und das Leben. Es ist so traumhaft schön!
Und so geht es nun weiter im Wechsel durch Wald und zwischen Wiesen
hindurch.
Es beginnt gerade wieder zu regnen, als ich zur Mittagszeit den Campingpark Eimke erreiche. Ich gehe zur Rezeption und frage, ob ich hier ein Kaffee bekommen könne, denn ich weiß, dass dies heute meine einzige Gelegenheit ist. Außerdem fängt es gerade an zu regnen. Der kleine Verkaufsladen hat eigentlich gerade geschlossen, aber uneigentlich ist man dann doch bereit, einem Wanderer einen leckeren Latte macchiato zuzubereiten. Ein Gespräch über den Pächter-Wechsel und die Probleme damit gibt es inklusive. Draußen regnet es stärker und ich ziehe wieder meine kompletten Regenklamotten an und trinke meinen Kaffee. Und danach ziehe ich meine Regenklamotten wieder aus, denn es hat aufgehört zu regnen. Weiter geht es auf die „Hohe Asch“, von der die Frau aus der Camping-Rezeption meint, sie sei dort noch nie gewesen, weil es ihr zu arg hochgehe. Jetzt bin ich aber gespannt …
Kurz vor Hummerbruch lädt mich eine schöne Bank vor einem wunderschön blühenden Rapsfeld zur Pause ein. Diese Einladung nehme ich gerne an und verspeise mit Appetit die mitgebrachten Käsebrote und genieße den Ausblick.
Auf der „Hohe Asch“ (was Siri übrigens für ein Schimpfwort hält und immer mit Sternchen verschönert) steige ich den Aussichtsturm und genieße den fantastischen Ausblick in fast alle Richtungen - nach Hameln wird der Blick leider durch den Wald verdeckt. Bei klarer Sicht könnte man von hier aus sogar den nur etwa 107 km entfernten Brocken im Harz sehen. Bei mir reicht die Sicht etwa 20 km, was ja auch schon ganz ordentlich ist.
Und wie ich so weiter wandere, wird mir bewusst, wie ruhig es hier oben ist. Kein Flughafen in der Nähe, keine Autobahn, keine surrenden Windräder. Noch nicht einmal geistesgestörte Moped- oder Motorradfahrer. Nur Ruhe und die Geräusche der Natur. Solche Oasen der Ruhe sind rar!
Ich erreiche den kleinen Ort Reine. Die meisten Häuser wirken auf mich schmuddelig und heruntergekommen. Richtig trist. Dazu passen die dunkler werden in Wolken am Himmel und obwohl ich es echt nicht bräuchte, beginnt urplötzlich ein starker Regenguss. So plötzlich, dass ich es gerade noch schaffe, meine Jacke anzuziehen und den Schirm aufzuspannen. Und dann geht es richtig los. Zum Glück ist es nicht kalt - und doch sind es noch 7 km bis zum Ziel. Das muss jetzt eben ohne Regenhose gehen.
Der starke Regen lässt schon bald wieder nach und verwandelt sich in einen Dauerregen, der mich noch fast bis zur Unterkunft begleitet. Ich singe falsch und dafür umso lauter vor mich hin und so hat schlechte Laune keine Chance.
Als ich kurz vor Aerzen mal wieder über einen umgestürzten Baum klettern muss, raschelt es im Unterholz, und ich sehe ganz deutlich, wie sich ein Waschbär langsam davontrollt. Eigentlich sind Waschbären ja hauptsächlich nachts und in der Dämmerung aktiv. Ob ich diesen Gesellen durch meinen Gesang geweckt habe? Oder angelockt?
Wir gehen jedenfalls getrennte Wege und ich freue mich, als ich wenig später am Hotel Waldquelle in Aerzen ankomme.
Im Restaurant gibt es frischen Spargel und doch entscheide ich mich dafür, mit einem Bier aus dem Getränkeschrank und dem Rest Brot, den ich noch dabeihabe, auf dem Zimmer zu bleiben. Sowohl Bauch als auch Geldbeutel werden es mir danken. Vielleicht schlafe ich dadurch auch wieder gut.
Ich nehme mir vor, stattdessen morgen Mittag in Hameln lecker zu essen. Es sind ja nur 14 km, sodass das zeitlich hinkommen sollte.
Fazit: Bei Regen empfehle ich „Singing in the Rain“ von Gene Kelly. Das Wetter kannst Du nicht beeinflussen. Deine Stimmung schon!
Länge
Auf
Ab
27.7 km
617 Hm
650 Hm