Konstanz, 24.07.2023

Die Nacht über hat es heftig gewittert. Jetzt regnet es und wird auch den Tag über größtenteils regnen. Ich beklage mich sicher nicht, denn bei dem Wetterglück, das ich die letzten Wochen hatte, gibt es gar keinen Grund. Und die Natur braucht den Regen dringend.

Als ich gestern an der Grenze stand, war ich erstaunt, wie wenig mir das bedeutet hat. Es hat sich nicht viel anders angefühlt, wie ein gewöhnliches Tagesziel. Der Kopf wusste, dass das Ende von etwas „größerem“ erreicht war - der Körper und das Gefühl nicht.

Obwohl ich das gute Frühstück in der Bodensee-Arena von meinem Besuch 2021 kenne, gehe ich aufgrund des Wetters erst spät frühstücken. Bei Regen werde ich mir nämlich bestimmt nicht viel in der Stadt anschauen. Nach einem freundlichen Empfang im Restaurant esse ich das obligate und hier tatsächlich leckere Rührei, obwohl ich nicht wandern gehe. Danach nehme ich mir noch etwas Käse.
Als ich mir ein Stück alten, schon bröckeligen Bergkäse in den Mund schiebe, ist es um mich geschehen. Mit diesem unvergleichlichen Geschmack nach „Schweiz“ beginnt vor meinem Auge plötzlich ein Film mit der Schweiz-Durchquerung von 2021 zu laufen. Ich bekomme einen Kloss im Hals und eine Welle an Emotionen überspült mich. Ich merke, wie auch die Augen unkontrolliert zu laufen beginnen und Tränen auf meinen Teller tropfen. Alles vermischt sich mit den Eindrücken der letzten Wochen denn nun realisiert auch mein Innenleben, dass das Ende einer großen Reise erreicht ist.

Ich bin unglaublich glücklich und dankbar, dass ich diesen Weg gehen durfte.

Dankbar für die Gesundheit und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die diesen Traum realisierbar gemacht haben.
Dankbar meiner Chefin, die mich unterstützt hat, eine Lösung zur Freistellung zu erarbeiten.
Dankbar für Ankes Hilfe bei der Dänemark-Planung, auch wenn diese (noch) nicht zur Umsetzung gekommen ist, sowie all den Menschen die mir während der Planung und während der Auszeit zur Seite gestanden haben.
Für die vielen motivierenden Nachrichten von Lesern meiner Berichte möchte ich mich ganz ausdrücklich bedanken.
Ein ganz besonderer Dank geht an die kurzfristige und herzliche medizinische Hilfe von Frau Dr. Brinkmann und Team und an meine Frau, die mich „einfach mal so“ mit dem Auto „gerettet“ hat, als mein Rücken und Fuss nicht mehr wandern wollten.

Würde ich mit dem jetzigen Wissen diese Auszeit wieder machen?
Ja - und zwar genau so (ohne Zelt). Die Planung war perfekt - die Etappenlängen genau richtig.
Ich habe für mich festgestellt, dass mir Sicherheit viel wichtiger ist als Flexibilität und würde wieder alles vorher buchen, um mich unterwegs völlig auf mich und die (Natur-) Erlebnisse konzentrieren zu können.
Ich habe auch gemerkt, wie nötig ich Erholung und Komfort brauche, weshalb ich für eine lange Unternehmung nur mit festen Unterkünften agieren würde. Für kurze Erlebnisse kann ich mir das auch per Zelt/Hütte vorstellen, aber nur für ein paar Tage und nicht für Wochen.
Ich weiss nun auch ziemlich genau, wo ich mich bei meiner nächsten Auszeit nicht sehe - nämlich dort, wo das nicht gegeben ist.
Ein Leben wie das von Christine Thürmer ist für mich absolut unvorstellbar und für mich auch nicht (mehr) erstrebenswert.
Eine spannende und überraschende Erkenntnis war, dass sich auch unterwegs ein „Alltag“ einstellt. Das kann auch schon mal dazu führen, dass das Erreichen der nächsten Etappe nur zur „Tagesaufgabe“ wird und der Genuss in den Hintergrund rückt, besonders, wenn Wegbeschaffenheit, Wetter, „Impulse von außerhalb des Weges“ etc. es schwer machen, im hier und jetzt zu sein. (Das sind die Momente, in denen Andere anfangen, sich mit Musik, Hörbüchern, etc. abzulenken - ich habe mich gezwungen das zu unterlassen).
Interessant ist auch, wie sich die Zeitwahrnehmung bei mir verschoben hat, denn ich habe diese fast 3 Monate als extrem lang empfunden, wohingegen ich von außen das Feedback bekommen habe, dass die Zeit „schon vorbei“ sei. Ich begründe es mir so, dass die Menge an Eindrücken und Erlebnissen viel mehr Speicherplatz benötigt, als normaler Alltag mit wenig Abwechslung.

Und wie geht es weiter?
Da ich das „Ziel“ jetzt erreicht habe, macht dieser Blog Pause.
Ich fahre morgen nach Hause und werde am 01.08.2023 wieder im Büro aufschlagen.
Wie lange ich das aushalte, wann ich wieder eine Auszeit mache, welche tollen Ideen ich entwickle und ob und wie ich mein Leben umgestalte und wann ich das „fehlende Stückchen E1 in Norddeutschland“ schließe, wird sich zeigen.
(Falls Dich das interessiert, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt den Newsletter zu abonnieren, um nichts zu verpassen.)

Ich sage Danke für‘s Mitlesen und wünsche „allzeit gut Fuß“!