Hesselbach, 06.05.2022
Die Nacht war weniger regnerisch als erwartet und doch habe ich nur unruhig geschlafen. Leider hat alles auf dem ich liege glatte Oberflächen und so rächen sich auch ein paar Grad Neigung. Das Zelt rutscht auf dem Groundsheet. Die Isomatte auf dem Zeltboden. Zum Glück war es so warm, dass ich den Schlafsack nur als Decke verwenden konnte, denn sonst wäre ich mit dem auch noch auf der Isomatte rumgerutscht.
Als es dämmert schlafe ich nochmal ein und so ist es fast halb neun, als ich loswandere.
Dach einer Stunde erreiche die Kapelle St. Wandelin und Nikolaus in Breitenbach. Draussen ein Altar und im Halbkreis darum zwei Reihen Bierbänke. Sieht nach Gottesdienst aus. Kaum habe ich mein Porridge verspeist, kommt ein Auto mit Anhänger vorgefahren und ich erfahre, dass heute gar kein Gottesdienst stattfindet, sondern dass die Bänke Überreste einer Hochzeit am Samstag sind. Also bleibe ich entspannt für eine zweite Tasse Kaffee, während ich mich ein wenig mit dem jungen Mann unterhalte, der die Bänke wegräumt.
Ich verlasse das Tal und wandere schwitzend den steilen, schmalen und auch hier hervorragende markierten Weg hinauf nach Preunschen. Irgendwie habe ich heute das Gefühl, überhaupt nicht vorwärts zu kommen.
Der „grüne Baum“ hat dauerhaft geschlossen, was meine Karte (noch) nicht weiß. Schade!
Am Himmel zeigen sich dunkle Wolken, die da eigentlich gar nicht sein dürften. Da ich heute in einem einzigen Funkloch wandere, kann ich gar nicht das Regenradar checken. Naja - es kommt, wie es kommt!
Der überraschend auftauchenden Burg Wildenberg statte ich nur einen kurzen Besuch ab. Zu viele Leute - nachdem mir sonst gar keine Wanderer begegnet sind. Außerdem habe ich Hunger und auch noch 12 km vor mir. Ich dachte, es sei heute gechillter.
Ich wandere hinab ins Tal, überquere dort Bach und Strasse, um auf der anderen Seite wieder steil über den Eselsweg aufzusteigen. Immerhin sollte das der letzte Anstieg sein. Der Weg schafft mich heute echt.
Das Restaurant „am Brandweiher“ in Beuchen ist von Ambiente, Geruch und Begrüßung so abschreckend, dass ich nur kurz auf der Toilette meine Wasserflasche auffülle und weitergehe. Nächstes Ziel: Amorbach. Vielleicht bekomme ich noch den frühen Zug. Heute ist 2-Stunden-Takt angesagt, so dass es sich lohnt, auf die Uhr zu schauen.
Ein paar hundert Meter später werde ich auf die Probe gestellt. Und zwar durch die „Freizeit-Hütte“ mit SB-Kühlschrank und Sitzgelegenheiten drinnen und davor. Jetzt hier was kochen und essen? Wasser habe ich ja wieder. Dann bin ich aber nicht vor neun heute Abend zu Hause….
Ich zische also nur ein schnelles Radler, welches die Kräfte in mir weckt und esse einen Riegel und wandere weiter.
Der Weg nach Amorbach ist ein einziger Traum und wandert sich einfach so weg. Richtig schön! Dies wird auch dadurch, dass es kurz mal nieselt nicht ernsthaft getrübt. Den Bahnhof in Amorbach erreiche ich 20 Minuten vor Abfahrt des Zuges, so dass eine Stadtbesichtigung ausfällt. Stattdessen habe ich Mitgefühl mit den Mitreisenden und ziehe mein sauberes T-Shirt und Hemd an. Fühlt sich gut an, aus den feuchten, müffelnden Sachen rauszukommen.
Die Bahnfahrt hat auch Potential, in Erinnerung zu bleiben. In der Bahn nach Aschaffenburg ist ein alkoholisierter Fahrgast, der vom Sitz fällt und dann am Boden schlafe will, was dem Zugführer (Kamera!) nicht gefällt. Er wird ermahnt, sich hinzusetzten, da sonst ein Arzt gerufen wird. Der Zug nach Frankfurt ist dafür sehr voll. Der Zugführer engagiert sich und versucht, durch Ansagen die Menschen im Zug gleichmäßiger zu verteilen. Respekt dafür, dass er an einem Halt einen Fahrgast auffordert, sofort den Zug zu verlassen, da er ihn keinesfalls mitnähme. Dieser war nämlich über das Gleisbett gelaufen (vermutlich um den Zug zu bekommen). Wir konnten ihn dann sehen, als er wie ein Rohrspatz wütend zurückblieb. Es war kein Jugendlicher!
In Frankfurt Süd ist dann leider Ende der Fahrt, da zwischen Frankfurt und Flughafen Personen im Gleisbett sind…
Ich weiche spontan auf die U-Bahn aus und bin um 19 Uhr wieder in Oberursel, wo alles vor drei Tagen begann.
Das war ein wirklich schönes, ausgefülltes und abenteuerliches Pfingstwochenende.

Länge Auf Ab
25 km 616 Hm 1010 Hm