Ulrichstein, 09.04.2023 (Ostersonntag)

Die letzte Nacht war noch mal deutlich kälter und laut Agrar-Wetter-App gab es auch Bodenfrost. Irgendwann war die Nacht zu Ende, und es wurde wieder hell. Von Sonnenaufgang keine Spur - und dabei hatte ich so einen tollen Blick nach Osten.

Die Vögel dürfen heute länger schlafen, so dass die Kirchenglocke den Weckdienst übernimmt. Eine Schutzhütte direkz neben dem Zelt ist natürlich der absolute Luxus, wenn es darum geht alles abzubauen und einzupacken und sich Wasser für ein warmes Getränk zuzubereiten.

Zu Beginn der Wanderung verwende ich meine Wanderstöcke für das, wofür sie ihren Namen bekommen haben, denn mir tut dank der Blasen jeder Schritt weh und ich versuche, mich mit den Stöcken etwas auszubalancieren. Bei mir kamen die Stöcke bisher ja nur als Zeltstangen zum Einsatz. „Dual-use“ ist geil!

In Ulrichstein ist mein Ziel der Vulkan-Bäcker, dessen Öffnungszeiten am Ostersonntag ich mir letzte Woche telefonisch bestätigen ließ. Hätte ich nachgefragt, ob sie auch eine Sitzgelegenheit und eine Toilette haben, wäre ich jetzt nicht enttäuscht worden. Der Bäcker befindet sich leider lediglich im abgesperrten Eingangsbereich eines Nahkaufs. Zum Glück hat dort jemand eine Palette Torf stehen gelassen, die ich jetzt als Sitzgelegenheit umfunktioniere. Immerhin ist es im Vergleich zu draußen warm, und die Verkäuferinnen sind nett und lassen mich gewähren. Zum Glück ist Ostern, so dass es hart gekochte Eier gibt, sonst hätte mir ein trockenes Brötchen reichen müssen, denn am Sonntag werden keine belegten Brötchen angeboten.

Nach zwei überstandenen Nächten im Zelt mit Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt, bin ich jetzt der Meinung, mein Outdoor Equipment ausreichend getestet zu haben und suche mir für heute Nacht ein Bett in der Jugendherberge Lauterbach. Ich sehne mich nach einem warmen Aufenthaltsraum, einem beheizten Zimmer, einem Bett und einem Klo. Etwas warmes Wasser schadet sicher auch nicht. Außerdem muss ich ja überprüfen, ob meine Packliste auch für meine Wanderung auf dem E1 taugt. Dort werde ich zum Großteil in festen Unterkünften und nur ausnahmsweise im Freien übernachten.

Ich freue mich, als ich nach 13 km den Ort Dirlamen erreiche und kurzfristig sogar die Sonne durch die Wolken blinzelt. Dies bleibt der einzige Lichtblick, denn das einzige Restaurant ist geschlossen, so dass ich Bedürfnisse jeglicher Art noch 10 km bis Lauterbach verschieben muss. Ich mache dennoch eine Pause. Von einem alten Ehepaar abgesehen, scheint der Ort praktisch ausgestorben. Das einzige Leben kommt von drei Kindern, die angesichts der Temperaturen völlig ungeeignet gekleidet draußen sind. Ein Junge reagiert sich an ein paar Holzstücken ab, ein Mädchen fährt auf einem viel zu kleinen Fahrrad, welches hinten, nur die nackte Felge besitzt (!) und das dritte spielt mit kurzem Kleidchen auf dem Spielplatz. Zwei der Kinder grüßen mich freundlich, was mich überrascht, und ich merke erst später, dass sie auf Kontakt aus waren. Alles zusammengezählt, vermute ich, dass es sich bei Ihnen um Geflüchtete handelt, die nun hier irgendwo im Nirgendwo gestrandet sind. Dieser Gedanke macht mich traurig. Sehr traurig.

 

Das Wetter hat sich inzwischen zu ganz passablem Wanderwetter gemausert und der Weg ist landschaftlich schön. Der Track führt allerdings in Höhe von Sickendorf in die Wildnis. Plötzlich habe ich nur die Wahl zwischen mehr als knöcheltiefem Sumpf oder Dornenbüschen. Es kostet mich etliche, wenig spaßige Minuten, bis ich mich durchs Unterholz geschlagen habe und wieder auf dem markierten Weg bin. (Dem Track von wanderbares-Deutschland.de darf man hier also nicht trauen!).

Jetzt darf ich noch rasch den kleinen Hügel „Altenberg“ besteigen und endlich sehe ich Lauterbach vor mir liegen. Bin ich froh!

Im Ort angekommen, ist es sogar sonnig genug, um vor einem Café ein Bierchen zu trinken. Danach nehme die letzten Kilometer zur Jugendherberge, die glücklicherweise in der „richtigen“ Richtung ausserhalb der Stadt liegt, in Angriff.

In der Jugendherberge bekomme ich ein Einzelzimmer mit Bad, obwohl ich eigentlich nur ein Bett im Schlafsaal (haben + zahlen) wollte. Zum Glück kann ich mir das leisten und für die anschließende Behandlung meiner Blasen ist es auch angenehmer, keine Zuschauer zu haben. Auch für die Zuschauer.

Im nach Westen ausgerichteten Speiseraum genieße ich das Abendessen, welches frisch und schmackhaft ist. Und dann freue ich mich auf das bequeme Bett…

Länge Auf Ab
26.7 km 280 Hm 497 Hm

 


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