Interlaken, 12.06.2021
Die Nacht im Hotel Krebs war ruhig und sehr erholsam. Dank Fenster zur Hofseite konnte ich dieses die ganze Nacht offen lassen und die kühle, frische Luft genießen. Statt 17 Franken für‘s Frühstück auszugeben, gab es wieder DIY-Roomservice. Wasserkocher (und sogar Kühlschrank) lassen es richtig gut werden. In diesem 4-Sterne-Hotel bin ich gelandet, weil ich das Hotel Weisses Kreuz (3 Sterne) erst vorgestern gebucht hatte - zum etwa gleichen Preis wie das Backpacker-Hostel - und dann vom Hotel kostenneutral umgebucht wurde (weil wegen COVID noch geschlossen). Normal geht das Zimmer für den dreifachen Preis weg.
Ich starte zur gewohnten Zeit und tadaaa… - heute ist freie Sicht auf die Jungfrau. Natürlich muss ich da erstmal eine ganze Weile fotografieren und staunen.
Noch ein wenig Obst gekauft - und schon schlendere ich durch die Altstadt (von Unterseen, um genau zu sein). Es ist so schön!
Über die Goldsteinpromenade entlang der Aare erreiche ich - trotz stängigem Stehenbleiben, Schauen, Staunen - vorbei an Freibad und Talstation der Harder-Kulm-Bahn (die ich doch nicht hätte kostenlos fahren können) irgendwann den Brienzersee. Dieses Traumwetter! Unglaublich!
Ab nun verläuft der Weg oberhalb der Bahnlinie, da die Felsen hier direkt bis an den See reichen, nach Ringgenberg. Über mir ist die Roteflue, deren sichtbaren Grat man wunderbar bis zum Augstmatthorn erwandern könnte. Das ist zwar lang, aber nicht sonderlich schwer. Muss ich mir mal vormerken.
In Niederried endet der schöne Waldweg und ich darf auf einem Sträßchen (meist) unbeschattet richtig Höhe machen. Die Sonne brennt und steht fast im Zenit. Belohnt werde ich durch uneingeschränkte Aussicht! Die Bergkette um das Brienzer Rothorn vor Augen - und selten mal von einem eBiker überholt - träume und schwitze ich mich hinauf. Sooo unglaublich toll!
Kurz vor dem Farlouwigraben wird der Weg zum Pfad und ich staune nicht schlecht, dass ich nun ein (verdrecktes) Altschneefeld (ggf. Lawinenreste-denn sonst kann ich mir die ganzen umgedrückten Bäumchen nicht erklären) queren darf. Das Schild „Achtung Steinschlag und Lawinengefahr“ hatte ich gekonnt ignoriert.
Obwohl hier schon viele Leute entlang gegangen sind und die Wegspur klar ist, packe ich auch für die wenigen Meter die Stöcke aus und bin um meine Alpin-Grundausbildung (Stichwort Sichelschritt) froh. So komme ich problemlos hinüber. (Gefährlich war diese Stelle nicht - aber ich wollte dennoch ungerne im Dreckschnee/Schlamm landen. Auch das kann unangenehm sein. Und man sieht aus wie Sau.). Ich bleibe noch etwas in der Nähe und beobachte eine Joggerin, die sich auf allen Vieren abmüht…. und dann auch heil rüberkommt.
Nun wandere ich durch schattigen Wald hinab nach Oberried am Brienzersee.
In der Nähe der Anlegestelle finde ich einen Rastplatz mit schön gewärmter Steinbank und passendem Steintisch unweit eines Brunnens. Ich verspeise meinen Proviant und ruhe mich ein wenig aus.
Weiter geht es - und ich wandere am See entlang. Vorbei an Privatanlegern und Gärten offensichtlich Gutbetuchter. Dann führt mich der Weg etwa 300 Höhenmeter den Berg hinauf. Uff! Der tief eingeschnittene und auch noch mit Schneeresten gefüllte Unterweidligraben wird durch eine große, quietschende Hängebrücke überspannt. Beim Begehen kommt Nepal-Feeling auf, jedoch fehlen die Yaks und obwohl die Brücke quietscht und wankt, macht sie einen schweizerisch stabilen Eindruck.
Noch zwei oder drei Bergeinschnitte überquere ich, bevor der Weg schlussendlich nach Brienz hinabführt.
Dort besuche ich die exponiert gelegene Kirche sowie das Friedhofs-WC (Wasser!), und mache im Schatten nochmal Pause. Ich bin total verschwitzt und ganz schön groggy. Ich bin froh, dass ich heute schon gleich am Morgen die Sonnenbrille aufgezogen habe (der Weg ging auch Richtung Osten), denn es geht mir heute besser als gestern.
Das „Seehotel Sternen“ in dem ich heute unterkomme, hat bei booking.com richtig schlechte Bewertungen, war aber das einzige Hotel, welches ein Zimmer mit eigenem Bad anbot (und kein Etagenbad) und nicht gleich 200 Franken kostet. Obwohl das Restaurant geöffnet ist, muss man beim Seiteneingang jemanden anrufen, der dann kommt. Herzliche Begrüßung geht anders. Er kassiert und schickt mich in den zweiten Stock. Dort das zweite Mal Nepal-Feeling. Eine bemühte Frau (könnte durchaus aus selbiger Gegend kommen) zeigt mir in gebrochenem Englisch das Zimmer. Zum Glück - denn woher soll man denn sonst wissen, dass das Zimmer 7 (Schlüsselanhänger) zum Zimmer „Interlaken“ (Türschild) passt? Sicher eine ganz ausgebuffte Strategie, damit Einbrecher mit verlorenen Schlüsseln nichts anfangen können.
Das Zimmer: 1 Bett, 2 Holzstühle, 1 Tisch mit plastik-beklebter Tischplatte, 1 Regal und ein Kleiderständer. Und ein Fenster zur Straße. Im Bad eine Dusche mit Vorhang(!) und Linoleum am Boden und der Wand(!). Charmanter Unterschied zur letzten Nacht.
Naja - ich bin ja nicht auf Hotel-Reise, sondern auf Wanderung. Ich habe alles, was ich brauche - sogar mein eigenes Bad.
Nachdem ich mich frisch gemacht und meine Klamotten gewaschen habe, gehe ich zur nahen Migros und kaufe ein. Danach setze ich mich in einen Liegestuhl an der Strandpromenade und genieße!
Fazit: Hier ist´s so schön - ich will eigentlich gar nicht weiter!
Länge | Auf | Ab |
---|---|---|
20.2 km | 490 Hm | 491 Hm |