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Brunnen, 17.06.2021

Es dauerte gestern noch eine Weile, bis bei mir Ruhe einkehrte. Ein Hotel in solch toller, zentraler Lage mit Restaurants und Bars bringt auch einen gewissen Geräuschpegel mit sich. Zudem muss ein Fußballspiel stattgefunden haben, denn als ich noch auf dem Balkon saß, hörte ich „Hopp Schwyz“-Rufe. Dank der Tatsache, dass um 23 Uhr ein Auto-Corso losging, bei dem „Forza Italia“ skandiert wurde, tippe ich auf „Fußball“ (oder Soccer, wie man hier sagen würde) und weiß ich genug über das Spiel (bzw. „den(!) Match“). Besser niemanden drauf ansprechen. Und dazu ist es noch unglaublich warm. Zum Glück gibt es im Zimmer einen Ventilator, so dass sich die Luft mindestens bewegt.
Da heute „Ruhe“tag ist, stelle ich den Wecker leiser. Ich brauche ihn sowieso nur, um zu wissen, wann ich aufstehen darf, um Frühstück zu bekommen. Wach bin ich sowieso schon immer. Und meist auch voller Tatendrang.
Für heute habe ich mir die Stockflue (1136 m) vorgenommen - einen markanten Felsen des Urmibergs (einem Ausläufer der Rigi), der auch Duume (Daumen) genannt wird. Beim Recherchieren des Ziels lese ich, dass dieser über einen Alpinweg (blaue Beschilderung) in 1,5 Stunden über den Bützi erreicht werden kann. Schwierigkeit ist T5 und Kletterstellen im II. Grad. Das mag spannend sein und Wege dieser Einstufung habe ich auch schon gemacht, aber in diesem Leben ist Schluss damit! ABER es gibt auch einen Hauptweg, über den man in 10 Minuten (angeblich gut gesichertem) Alpinweg vom Timpel - dort ist sogar eine Bahnstation - aufsteigen kann. Ein paar Bilder und eine Beschreibung im Internet sehen vielversprechend aus.
Das Frühstück im Hotel ist inhaltlich in Ordnung. Ich kann es im Freien einnehmen. Die COVID-bedingte Organisation drinnen ist ein Witz. Man spielt quasi Rundlauf um einen Tisch und in der hintersten Ecke ist die Kaffeemaschine. Solange nur eine Person da ist, funktioniert das prima - ansonsten bilden sich Warteschlangen. Gerne auch ganz ohne Abstand. Für morgen muss ich mir da was einfallen lassen.
Ich leere meinem Rucksack (fast) komplett und nehme mir zwei Liter Wasser mit, denn es wird keine Brunnen geben. Und sicherheitshalber einen Pulli - das habe ich als Kind mal gelernt. Im Coop besorge mich mir noch etwas Obst und schon geht es los.
Ich wandere durch Wohngebiete aus Brunnen heraus und kann die Stockflue schon deutlich sehen. Heute sehe ich auch das Gipfelkreuz. Ein Bergwanderweg führt nun hinauf zum Timpel. Über steile Stufen im Wald geht es - und auch schattenlos über Pfade auf Steilwiesen. Es macht richtig Spaß, Schritt für Schritt dem Ziel näher zu kommen. Natürlich ist es auch heiß und anstrengend, so dass die Brühe von der Stirn läuft. Überall sonst auch. Die Kabinenbahn ist auch in Betrieb - mein Weg quert auch ihren Verlauf. In weniger als zwei Stunden ist Timpel erreicht. Den Weg -vielleicht 10 Minuten- zur fast gleich hohen Bergstation in Obertimpel spare ich mir, da ich genügend Wasser habe und wende mich nach einer längeren Trinkpause und etwas Durchatmen nun dem blauen Alpinweg zur Stockflue zu. Ich will ja nicht schon atemlos einsteigen. Nach 5 Minuten kreuze ich nochmal einen Weg. Bisher noch nichts spannendes. Dann ein kurzer Abstieg und schon stehe ich vor dem Felsblock. Da will ich also rauf? Bisher habe ich noch keine Menschenseele gesehen. Also los!
Nach ein paar Stufen, bei denen ich die Hände verwenden muss, erreiche ich eine kurze Leiter. Der Ausstieg ist problemlos - die Leiter an sich sowieso. Nun sehe ich die Schlüsselstelle. Ein Felsband, welches sich hinaufzieht und auch abgesichert ist. Blöd ist nur, dass eine Stelle nicht besonders hoch ist und ich einen Rucksack aufhabe. Ich muss mich schon ganz schön dicht an den Felsen schmiegen, damit ich raufkomme. Und dann ist es auch schon vollbracht!
Ein unglaublicher Rundblick! Wow! Ich bin sprachlos!
Ich mache Gipfelfotos - und vergesse, wie mir jetzt beim Schreiben des Berichts einfällt - mich im Gipfelbuch zu verewigen. Mist!
Der Abstieg ist ja meist heikler als der Aufstieg - und vorsichtig will ich ja auch sein. Ich bastele mich gerade durch die Schlüsselstelle und kämpfe mit dem Rucksack, denn beim Abstieg schiebt sich dieser nach oben, sobald er irgendwo dagegen stößt und wirkt somit wie ein Klemmkeil, als ich Stimmen höre. Na prima! Ich rufe dem Paar zu, sie mögen sich noch einen Moment gedulden, versuche ruhig zu bleiben und mühe mich weiter ab. Gleich drauf habe ich es geschafft und die kritischen zwei Tritte hinter mich gebracht, ohne dass der Rucksack steckenbleibt (die daran befestigten Stöcke sind nicht extrem hilfreich) und ohne dass ich mir ein Bein irgendwie blockiere.
Großer Vorteil ist, dass ich nun ein paar Bilder und ein kurzes Video machen kann, wie der Weg verläuft und wie man dort hochgeht. Die beiden machen das schon recht gut. (Hinweis: Da ich kein Recht am Bild habe, entferne ich dieses auf Anfrage gerne)
Nachdem nun der Höhepunkt des Tages geschafft ist, mache ich Pause und stärke mich, als ich wieder zurück auf dem normalen Weg bin. Ich starte den Abstieg ins Tal ein paar Minuten nachdem auch das andere Paar vorbeigegangen ist. Unschön geht es erst über einen grob geschotterten und mit Steinen durchsetzten Fahrweg hinab, der sich bald in eine Teerstraße wandelt. Na Prima! Ich hole die anderen immer mehr auf und bemerke wie sie die Straße plötzlich verlassen. Oh - da ist tatsächlich eine Markierung. Ob ich die gesehen hätte? Vielleicht. Nun sind wir auf einem Wurzelpfad und der Untergrund wird weicher. Als wir wieder auf ein Sträßchen kommen, habe ich komplett aufgeholt. Ich spreche sie an, da ich neugierig bin, ob sie den gesamten Alpinweg-Aufstieg von unten gegangen seien. Sie verneinen und die Frau meint, dieser sei ganz schön hart, sie wäre das vor ein paar Jahren mal im Abstieg hinunter. So durchtrainiert wie sie aussieht, glaube ich ihr das gerne. Nein - heute seien sie mit der Bahn zum Timpel hochgefahren....(sie erzählt etwas von einer Tour am Vortag, aber das sagt mir nichts). Und sie erkennen mich auch wieder, denn sie hatte mich aus der Bahn wohl beobachtet. Das erklärt mir auch, warum sie einerseits so entspannt ankamen und andererseits komplett ohne Rucksack und nur mit einem kleinen Wasserfläschchen ausgestattet sind.
Ich bedanke und verabschiede mich und „lasse es laufen“. Es folgt noch ein schönes Stück auf einem felsdurchsetzten Waldweg - quasi meine Lieblingswege - und im Abschluss natürlich Teerstraße.
Der Abstieg ging mächtig in die Oberschenkel (und z.T. die Knie).
Insgesamt merke ich leider, dass meine Trittsicherheit schon deutlich gegenüber früher nachgelassen hat. Und auf Alpinwegen bin ich ein echter „Schisser“ geworden. Leider übt sich das nur durch Übung - und dafür muss man in die Berge. Im Taunus lebend wird es mit (max.) einer Alpenwoche im Jahr schwierig, diesen Prozess zu stoppen. Ich könnte mir vorstellen, dass ich, wenn ich diese oder ähnliche Touren 3-4 Wochen täglich absolvieren würde, auch wieder ganz anders durch‘s Gelände springen könnte.
In Brunnen besorge ich mir einen leckeren Salat und ziehe mich in meine Dunkelkammer mit Ventilator zurück.
Und dann folgt der Mittagsschlaf! Wunderbar! Das war ein super Ruhetag!
Und als am Abend die Sonne weg ist, lasse ich den Tag auf dem Balkon ausklingen.

Länge Auf Ab
9.9 km 688 Hm 690 Hm