Einsiedeln, 23.06.2021
Es war sehr ruhig letzte Nacht. Außer den Glockenschlägen des nahen Klosters war nichts zu hören. Da ich sehr früh schlafen gegangen bin, konnte ich etwas Schlaf nachholen und fühle mich ganz ok, aber dennoch nicht super-fit.
Der Himmel ist eine Mischung aus stahlgrau in der einen Himmelsrichtung und blau mit Flockenwolken in der anderen. Aber es ist trocken und mit 15 Grad angenehm kühl.
Das Frühstück ist ok und ich bemerke, dass ich langsam keinen harten, rucksacktauglichen Käse mehr sehen mag. Aber ein Stück frisches Brot mit Butter ist ja auch lecker. Dabei beobachte ich einen Mann mit überdimensionalem Hund. Da bekommt der Begriff „Herrchen“ eine neue Bedeutung.
Gestern konnte ich nach etwas Diskussion auch die Hotelangestellte überzeugen, dass das Frühstück im Preis inbegriffen ist. Man mag von booking halten, was man will - aber da ist mindestens alles klar geregelt.
Zum Abschied von Einsiedeln muss ich nochmal kurz in die Klosterkirche schauen, um meine Eindrücke aufzufrischen. Dann wandere ich los.
Vorbei am Kloster Au geht es entlang der Alp das Alptal hinauf.
Heute habe ich sehr wenig Proviant dabei und vertraue darauf, dass ich an einer der Alpen Brot und Käse erstehen kann und zur Not am Haggenegg nicht verhungern werde.
Der Große Mythen, oder eigentlich richtiger “die große Mythe”, denn nach lateinischem Ursprung (meta) bedeutet dies “etwas Aufragendes”, ist Wahrzeichen des Kantons Schwyz und hat es mir echt angetan. Zwei Mal schon hatte ich bereits das Glück, oben stehen zu dürfen. Heute geht es nicht - aber vielleicht ist es mir irgendwann in der Zukunft nochmal vergönnt.
Nach knapp zwei Stunden erreiche ich Alpthal (was sich wirklich so schreibt) und besuche die Kirche, in der ich auch etwas verweile.
Weiter geht es entlang des Flusses Alp. Das Talende habe ich schon deutlich vor Augen. Vor mir, den Großen Mythen, links daneben das Holzegg. Der kleine Mythen, der viel schwieriger zu besteigen und auch gar nicht durch einen Normalweg erschlossen ist, schiebt sich von rechts in mein Blickfeld. Und rechts daneben muss das Haggenegg liegen - der Pass über den ich das Alptal verlassen möchte. In zwei Stunden soll ich ihn, und damit den höchsten Punkt (1414 m) des Jakobswegs in der Schweiz erreichen.
Ich bin so vom Blick auf den Mythen und den Lärm eines Hubschraubers abgelenkt, dass ich fast die scharfe Abzweigung des Weges nach rechts verpasst hätte. Nun darf ich auf steilem, steinigem Saumpfad gut 400 Höhenmeter zum Haggenegg aufsteigen.
Stoisch arbeite ich mich Schritt für Schritt hinauf und gewinne rasch an Höhe. So langsam nervt der Hubschrauber. Wenn ich das richtig sehe, werden hier Bäume ausgeflogen. Jeweils zwei bis fünf astlose Stämme baumeln am langen Seil unter dem Heli. Das muss doch unglaublich teuer sein?!
Der Anstieg bringt mich zwar ins Schwitzen, aber bei dem Wetter liebe ich das.
Ich habe nur noch etwa hundert Höhenmeter zum Pass und jetzt schieben sich Wolken vor beide Mythen. Auch sonst sieht es am Himmel ziemlich wolkig aus. Mal schauen, was das heute noch gibt.
Ich erreiche das Haggenegg mit Pilgerkapelle und sehe: Nichts! Selbst die Leute auf der Terrasse des vielleicht 50 Meter entfernten Gasthauses kann ich hören, aber nicht sehen. Obwohl eine Panoramatafel nur 1 Minute neben dem Weg liegen soll, spare ich mir den Weg. 360-Grad Rundumsicht - und in jeder Richtung nur Nebel/Wolke.
Dass ich nur 1:10 h statt 1:50 h gebrauchte habe, überrascht mich doch.
Da ich keine Lust habe, hier oben Rast zu machen, und mir mit meinen nassgeschwitzen Sachen auch kühl wird, nehme ich nur den Rest meines Brötchens und meinen Apfel in die Hand und starte den Abstieg.
Mir steht es ganz bestimmt nicht zu, wegen des Wetters zu jammern! Außerdem könnte es deutlich schlimmer sein.
Zum Glück merke ich schon nach wenigen hundert Metern, dass ich am Haggenegg intuitiv den falschen Weg eingeschlagen habe - nämlich die auf dieser Pass-Seite vorhandene Fahrstraße. GPS und Karten mit Standortbestimmung sind schon eine tolle Erfindung. Ich drehe also um und nehme den richtigen Weg. Über steile und sehr steile Schotter- und Wurzelpfade geht es hinab.
Als ich nach einiger Zeit eine Teerstraße erreiche, öffnet sich plötzlich der Blick auf den Vierwaldstättersee. Auch den Lauerzersee nehme ich nun erstmals bewusst wahr. Ist das schön!
Am großen, ockergelben Bau des Kollegiums, welches 1856 als Kollegium „Maria Hilf“ gegründet wurde, wandere ich in das Ortszentrum von Schwyz. Ich bin überrascht, wie früh ich schon da bin. Und ich habe Hunger!
Neben dem mit einem großen Gemälde der Schlacht von Morgarten verzierten Rathaus steht die spätbarocke Pfarrkirche - die ich kurz besichtige. Ich empfinde sie als enorm prunkvoll und lerne später, dass sie die festlichste Pfarrkirche der Schweiz sein soll.
Ein Schild verspricht Pizza und Pasta - genau danach steht mir der Sinn! Als ich beim entsprechenden Restaurant ankomme, muss ich feststellen, dass dieses in meiner Mittagspause selbst Mittagspause macht. Finde ich doof. Es ist nicht mal 14 Uhr! Der Express-Chinese hat auch geschlossen und in einem ansprechend aussehenden Café ist das reizvolle indische Tagesessen ausverkauft. Hmpf!
Ich flaniere also noch etwas suchend durch das kleine Stadtzentrum und plötzlich sehe ich eine ganze Schar Jugendlicher, die im Kirchgarten sitzen und essen. Da kann die „Lösung“ also nicht weit entfernt sein. Tatsächlich sitze ich wenige Minuten später mit einer gar nicht schlechten Salattasche mit Rösti (Wie Döner - nur mit Rösti-Talern statt Fleisch - gar keine schlechte Erfindung) und Ayran auch in ebenselbem Park. Das tut jetzt gut!
Da die Rezeption meines Hotels erst um 16 Uhr öffnet und (mir) mein Inhalt des Rucksacks zu wertvoll ist, um ihn einfach im Keller zu deponieren, ziehe ich voll bepackt auf einen beschilderten Stadtrundgang los. Da ich momentan auf Zucker achte, fallen all die netten Beschäftigung, mit denen man sich sonst gut die Zeit vertreiben kann, flach. Also z.B. Kuchen oder Eis essen gehen.
Der Rundgang ist ganz nett, aber irgendwie reicht es mir jetzt auch und so lande ich relativ bald wieder auf einer Parkbank - ein (alkoholfreies) Bier habe ich unterwegs auch gefunden. Nebenbei genieße ich die kleinen Annehmlichkeiten eines zivilisierten Landes - nämlich eine benutzbare Toilette am Busbahnhof. Hieran habe ich mich in den letzten drei Wochen sehr gerne gewöhnt!
Ich checke im „Hirschen Backpacker“ ein und gönne mir heute mal den Luxus, meine Wäsche durch eine Maschine waschen zu lassen. Waschen und trocknen für 5 Franken erscheint mir fair. In Einsiedeln hätte der Wäscheservice nur für mein Hemd 8 Franken gekostet. Wenn man das überlegt, habe ich in den letzten drei Wochen hunderte Franken gespart. Die haue ich heute Abend auf den Kopf und esse hier im Haus ein paar Nudeln. Irgendwie passt das eher schlichte Essensangebot eher zu meinen Bedürfnissen.
Die Spaghetti Cinque Pi sind lecker und die Portion so groß, dass ich sie fast nicht schaffe. Auch das Begrüßungs-Bier und der Suure Moscht schmeckt gut. Dazu bekomme ich unvermeidlich auf Großbild-Leinwand mit, wie die Spanier bei der EM ihren Gegner schlachten.
Fazit: Guter Tagesstart und gutes Ende. Alles gut!
Länge | Auf | Ab |
---|---|---|
19.6 km | 537 Hm | 918 Hm |