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Spiez, 11.06.2021

„Es gibt echt Schlimmeres“, denke ich, als ich aufwache und mein erster Blick direkt auf den Niesen fällt. Prächtig zeichnet sich seine perfekte Pyramide vor dem blauen Himmel ab.

Die Nacht im Boutique Hotel „la belle vue“ war unerwartet ruhig. Nachdem das Gewitter und der Regen vorbei waren, konnte ich die ganze Nacht bei offenem Fenster nur den Brunnen im Hof hören. Spiez bezeichnet sich selbst als Kraftort - besondere Kraft benötigt man im Portemonnaie. Dies ist meine teuerste und definitiv nicht beste Unterkunft. Aber die einzige mit Blick auf den Niesen (und direkt auf den Behandlungsstuhl der weniger als fünfzehn Meter Luftlinie entfernten Zahnarztpraxis). Spaß beiseite: Der See, die Stille, die Berge, das Traumwetter und meine gefühlte Freiheit, machen mich unglaublich ruhig und zufrieden. Es ist wunderbar!

Da das Schiff erst um 10:28 fährt, frühstücke ich in aller Ruhe, hole mir bei der Migros etwas Obst für den Tag und verbringe den Rest der Zeit am See beim Hafen.

Mit dem gut gefüllten Schiff setze ich via Faulensee nach Merlingen über. Dabei wird mir klar, dass ich gestern unmöglich Interlaken gesehen haben kann.

Unterhalb der beeindruckenden NW-Steilabbrüche des Niederhorns wandere ich mit Blick über den See entlang. Das Panorama macht mich sprachlos.

Gemächlich und später auch steiler ansteigend geht es durch den schattigen Wald. Ich überquere die Standseilbahn nach Beatenberg/Niederhorn und die Downhill-Bikepiste „Heartbeat“. Vom Widmann-Platz genieße ich den Blick auf das Morgenberghorn oberhalb von Leissingen. Etwa 400 m über mir liegt Beatenberg. Ein unerwartetes Brünneli stillt meinen Durst.

Tief in den Berg hat sich der Steinbruch gegraben. Vor der Kulisse tut das den Augen richtig weh. Jetzt geht´s erstmal bergab.

An der Bootsanlegestelle Sundlauenen gibt es wieder Wasser, eine überdachte Wartemöglichkeit (Schatten) und eine super Aussicht. Hier mache ich Mittagspause. Immer in Seenähe geht es nun auf und ab, bis ich das Bödeli erreiche. So heißt die Schwemmebene zwischen Thuner- und Brienzersee. Denn nach der letzten Eiszeit gab es nur einen See, bis die Flüsse Lütschine und Lombach so viel Geschiebe eingeschwemmt hatten, dass daraus zwei Seen wurden. Daher ist diese Fläche auch sehr eben.

Hier wandere ich (unschön) entlang der Campingplätze, Bootsanlegestellen und privaten Badestellen, bis dies in Naturstrand und schließlich schön in das Naturschutzgebiet Weissenau-Neuhaus übergeht.

Die Sonne, die fantastische Aussicht und der späte Start haben mich irgendwie total fertig gemacht. Ich setze mich auf eine Bank im Schatten und mir fallen gleich die Augen zu, so dass ich ein kurzes Nickerchen mache. Eigentlich gar nicht meine Art. Tut aber gut.

An der Burgruine Weissenau verabschiede ich mich vom Thuner See und folge der wasserreichen, türkisen und stark strömenden Aare bis Unterseen. Da dies doch „nur“ die Verbindung zwischen Brienzer- und Thunersee ist, hätte ich so viel Strömung nicht erwartet.

Nachdem es Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Zahlungsmodalitäten mit dem Backpacker-Hostel gab, übernachte ich heute im Hotel Krebs im Zentrum von Interlaken. Dunkle Wolken und Gleitschirmflieger vor dem Hausberg „Harder Kulm“ - sieht auch spannend aus.

Von hier aus könnte ich direkt hinter dem Chlyne Ruuge Richtung Lauterbrunnental schauen (Idealer Blick auf Eiger, Mönch, Jungfrau). Leider hat sich eine Wolke in dem Tal verklemmt und verwehrt mir den Blick. Vielleicht klappt´s ja morgen.

Absolut überflüssigerweise beginnt es jetzt zu tröpfeln. Es scheint, wir brauchen dieses „Spiel“ jeden Tag? Es ist ja auch unglaublich schwül. Es bleibt bei ein paar Tropfen und ich checke ein in das Hotel fast direkt beim Bahnhof. Da dies meine bisher günstigste Unterkunft ist, bin ich sehr positiv vom Zimmer überrascht (und das bei 60% des Preises der letzten Nacht). Mal schauen, ob es da noch einen Haken gibt.

Booking hat mir jedenfalls schon wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht und die Kreditkarte belastet, obwohl ich vor Ort zahlen wollte. Kann aber auch sein, dass ich das selbst verbockt habe.

Irgendwie bin ich trotz der kurzen Distanz ziemlich platt. Ich hadere, ob ich die Gästekarte für eine Freifahrt auf die Harder Kulm noch nutzen soll. Jetzt aber erstmal duschen! Und nach dem Duschen hat sich die Frage von alleine beantwortet, denn es regnet kräftig. Mal gespannt, wie ich mir noch mein Abendessen/Frühstück organisiere.

Frage des Tages: Kann auch zu viel Aussicht einen „Information Overflow“ verursachen?

Länge Auf Ab
13.5 km 280 Hm 283 Hm