Basthorst, 31.05.2023

Ein bequemes Bett in einem ruhigen Zimmer nur für mich alleine. Ich habe herrlich geschlafen.
Am hochwertig bestückten Frühstücksbuffet stehend, fällt mir auf, dass das Restaurant früher der Pferdestall war. Sehr geschmackvoll kombiniert sich das Mobiliar mit den alten, metallenen Stall-Elementen. Wer hier eingerichtet hat, versteht sein Handwerk.
Da ich nie die „Bunte“ lese - selbst beim Arzt nicht - weiß ich auch nicht, dass Gut Basthorst dem zweiten Ehemann von Vicky Leandros, Enno Freiherr von Ruffin, gehört. (Eine Freundin hat’s mir gesteckt, als sie hörte, dass ich hier sein werde.)

Mit Glockenschlag neun Uhr verlasse ich das wunderschöne Gut. Die Sonne scheint schon heftig vom wolkenlosen Himmel. Mir steht eine schattenlose, heiße Etappe bevor. Heute sollte ich unbedingt darauf achten, ausreichend zu trinken!

Nach ein paar Kilometern passiere ich den kleinen Ort Fuhlenhagen. Bis auf die Kapelle Sankt Georg handelt es sich nur um eine Anreihung von Häusern und Höfen entlang der Hauptstraße.

Im nächsten Ort, Talkau, erfrage ich mir Wassernachschub. Ich kann das inzwischen richtig gut. Dieser Ort scheint mir viel weniger historisch zu sein und ich erfreue mich an den vielen farbenprächtigen Gärten.

Weiter geht es entlang der Felder und bald erreiche ich einen Platz, von dem ich nicht einmal zu träumen gewagt habe.
Eine Sitzbank - und zwei mächtige, alte Eichen spenden ihren Schatten. Prima! Eigentlich ist es noch zu früh, um Mittagspause zu machen, aber diese Gelegenheit kann ich mir einfach nicht entgehen lassen. Ich sitze, lausche den Vögeln im Gebüsch, esse, träume vor mich hin, genieße.
Auch nach eineinhalb Stunden hat der Platz kein bisschen von seinem Reiz verloren. Ich habe das Gefühl, ewig hier sitzen bleiben zu können.
Und doch gehe ich weiter.

Heute begegnet mir tatsächlich das erste Mal ein E1-Wanderer. Er geht nach Süden, und zwar das Teilstück Lübeck bis Hamburg. Er hat einige Etappen mit einem Standortquartier in einem schlechten Hotel in Ratzeburg gemacht und ist dankbar für den Hinweis auf AirBnB. Den Süden Deutschlands hat er schon erwandert und Skandinavien reizt ihn nicht. Zu kalt und einsam. Wir quatschen eine ganze Weile und dann gehen wir unserer Wege.

Über eine schöne Allee aus alten Linden erreiche ich das geschichtsträchtige Gut Wotersen in der Gemeinde Roseburg. In der Nähe befindet sich eine Gaststätte, in deren Biergarten eine Seniorengruppe beim monatlich stattfindenden Spielenachmittag sitzt. Wer noch kann, spielt Skat oder Kniffel. Ich setze mich auch in den Biergarten und werde gefragt, ob ich denn auch angemeldet sei, denn eigentlich ist die Gaststätte noch geschlossen. Glücklicherweise hat man hat Erbarmen mit einem Wanderer und so komme zu einem Kaffee, einem Schwätzchen und einer Pause im Schatten.

Ich verlasse das Gut wieder durch eine prächtige Allee und darf vor Güster noch einmal richtig durch den Wald wandern. Ein Kuckuck ruft. Ein Reh springt direkt vor mir über den Weg. Hallo? Mitten am Nachmittag? Was ist hier los?

Der 1300 Seelen starke Ort Güster liegt direkt am Elbe-Lübeck-Kanal. Während dessen Baus Ende des 19. Jahrhunderts wurden große Kiesvorkommen entdeckt. Dieses wichtige Baumaterial wurde daraufhin in ganz Norddeutschland und besonders in der nur 50 km entfernten Hansestadt Hamburg verbaut. Erst 1981 wurde der letzte Kiesgewinnungsbetrieb geschlossen und nun werden die durch Renaturierung entstandenen Seen nur noch touristisch genutzt. Anders gesagt bringen jetzt die Touristen den Schotter, weil sie auf den ehemaligen Kiesgruben Bootchen fahren dürfen. Wäre ich noch mit dem Zelt unterwegs, würde ich jetzt selbiges in der „Freizeitwelt Güster“ direkt am See aufstellen.

Ich mache mich auf den Weg zum örtlichen Frischemarkt, und wandere dabei durchs halbe Dorf. Der Laden ist - sagen wir mal so - übersichtlich. Mein Leergut soll ich einfach hinten im Laden in einen Wagen werfen und sagen, wie viele Flaschen es waren. Interessant!
Fertig zubereiteten Salat gibt es leider keinen und so kaufe ich mir eine Gurke, ein paar Tomaten und eine Fertigpizza, sowie ein paar Haferflocken für morgen zum Frühstück. Das einzige Restaurant im Ort ist ein Grieche. Erstens habe ich keine Lust, später noch mal dorthin zu laufen und zweitens stehe ich als Vegetarier mit griechischen Restaurants auf Kriegsfuß. Heute ist Selbstverpflegung angesagt.

Studien haben gezeigt, dass Lehrer aufgrund des Namens der Kinder Rückschlüsse auf deren Intelligenz ziehen. Ein Kevin und eine Schantalle haben es demzufolge schwerer als andere Kinder.
Etwas Ähnliches scheine ich mit Ortsnamen zu machen.
Fuhlenhagen, Talkau oder Groß Pampau - alles Orte in der Nähe - lassen mich nicht viel erwarten. Güster klang für mich vielversprechender. Zumindest die Teile des Ortes, die ich bisher gesehen habe, erfüllen meine Erwartung beileibe nicht.

Der Check-in im AirBnB wird durch die Mutter des Vermieters durchgeführt, da er im Urlaub ist. Weil ich dadurch nicht an die Waschmaschine komme, bietet sie kurzerhand an, meine Wäsche bei sich zu waschen und dann bei mir im Garten aufzuhängen. Bis vor Kurzem hätte ich noch Hemmungen gehabt, dies anzunehmen. Jetzt nicht mehr.

Mit einem kalten Radler pflanze ich mich im Garten vor dem Haus in den Schatten, pflege meine Füße und genieße, auch heute wieder angekommen zu sein. Die Etappe war schöner als erwartet.

Länge Auf Ab
21.4 km 80 Hm 93 Hm