Etappen | Länge | Auf | Ab |
---|---|---|---|
60 | 1342.7 km | 20854 Hm | 20812 Hm |
Etappen | Länge | Auf | Ab |
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60 | 1342.7 km | 20854 Hm | 20812 Hm |
Schmitten, 24.04.2023
Ich wälze mich wach im Bett hin und her. Die Gedanken fahren Karussell. Es ist 3 Uhr. Wann geht die Wanderung endlich los? Laufe ich mir wieder Blasen? Wird alles gut gehen? Habe ich die richtigen Socken eingepackt? Soll ich sonst noch etwas an der Packliste ändern? Wird es nochmal richtig kalt? Was muss ich sonst noch erledigen? Von wem muss ich mich noch unbedingt verabschieden?
Nach eineinhalb Jahren Vorbereitung auf die bevorstehende Auszeit und die lange Wanderung auf dem E1 sollte man davon ausgehen, dass ich gut vorbereitet bin. Und natürlich liegt das komplette Equipment schon seit einer Woche fix und fertig im Nebenzimmer und wartet nur noch darauf, in den Rucksack gepackt zu werden. Alle Unterkünfte, die ich vorbuchen wollte, sind schon seit Monaten gebucht. Sogar die Probewanderung an Ostern hat gezeigt, dass das Equipment und die Packliste in Ordnung sind. Gleichzeitig habe ich gelernt, was ich tun muss, um mir Blasen zu laufen und wie unangenehm und schmerzhaft das ist. Allerdings weiß ich jetzt auch, wie ich diese behandeln kann und worauf ich achten werde, damit sich das möglichst nicht wiederholt. Auf dem E1 kann ich Blasen echt nicht brauchen.
Stunden und Tage habe ich damit verbracht, Wanderberichte und Wanderführer zu lesen um mir mit deren Hilfe die einzelnen Etappen auf dem E1 einzuteilen. Insbesondere für Dänemark, aber auch für die weniger erschlossenen Gegenden Deutschlands habe ich die logistischen Eckpunkte festgehalten, also alles zum Thema Wassernachschub, Verpflegung und Übernachtung.
Ich bin also bereit. Sowas von bereit! Und doch kreisen die Gedanken.....
Inzwischen ist es 4 Uhr. Lohnt es sich überhaupt noch, liegenzubleiben, wenn ich doch nicht schlafen kann? Neben mir höre ich die tiefen Atemzüge meiner Frau, doch diese helfen mir weder beim Einschlafen, noch dabei, das Gedankenkarussell zu stoppen.
Hinter mir liegt das letzte gemeinsame Wochenende, ausgefüllt durch eine Geburtstagsfeier und eine tolle Tanzveranstaltung und vielen Gesprächen mit Kollegen und Freunden, die von meinen Plänen wissen. Vor mir liegt die letzte Arbeitswoche. Bald ist es so weit. Bald geht es los. Noch 5 Tage!
Der Wecker klingelt - ich muss doch nochmal eingenickt sein.
Müde, sehr müde, stehe ich auf. Und doch.... - ich kann machen, was ich will, aber ich bekomme dieses Grinsen nicht aus dem Gesicht. Bald ist es so weit und dann geht es los.
Noch 5 Tage!!!
Bad Laasphe, 29.04.2023
Heute ist es also so weit. Ich habe ganz passabel geschlafen und bin überrascht, wie gelassen ich bin. Das sah vor zwei Wochen noch ganz anders aus.
Meine Frau bringt mich nach Oberursel an den Bahnhof, um dort festzustellen, dass die Bahn nach Frankfurt wegen Personalmangel leider nicht fährt. Bei der Suche nach einer alternativen Verbindung stellt sich zudem heraus, dass der von mir vorgesehene Zug von Marburg nach Bad Laasphe plötzlich nicht mehr im Fahrplan steht. Hätte ich die ursprüngliche Verbindung nicht schwarz auf weiß vor mir, würde ich an mir zweifeln. Da sage einer, die Bahn sei nicht flexibel.
Eine Stunde später als geplant, liefert mich die Kurhessenbahn etwas durchgefroren (die Heizung im Zug war aus) in Bad Laasphe ab, wo mich ein bleigrauer Himmel und leichter Nieselregen erwartet. Selbst mit Pulli und Jacke ist es ziemlich kühl und ich frage mich, ob es ein Fehler war, meine Daunenjacke zu Hause zu lassen. Etwas Bewegung wird es hoffentlich richten.
Vorbei an den Traditions-Häusern „Wittgensteiner Hof“ und „Deutsches Haus“ wende ich mich Richtung Dänemark und steige zum Schloss Wittgenstein hinauf, welches ockerfarben leuchtend auf dem Hügel zwischen Lahn- und Laasphetal ruht und seit den 1950er-Jahren als Internat dient.
Vor knapp drei Jahren habe ich den E1 in Bad Laasphe verlassen (Tag 20) und freue mich, heute nahtlos anknüpfen zu können.
Ich folge also dem Höhenzug und freue mich über die vielen Markierungen. Leider hat die Kreativabteilung des Wandervereins beschlossen, nahezu alle Wege mit einem X zu markieren und dieses X mit einer kleinen Zahl zu ergänzen. Das ist für das problemlose Auffinden des richtigen Weges nicht wirklich hilfreich, besonders, weil der E1 normalerweise mit einem X ohne Zahl markiert wird.
Obwohl ich erst wenige Kilometer unterwegs bin, schockiert mich der Anblick der vielen gerodeten Bergrücken. Ähnlich muss es zwar auch früher schon ausgesehen haben, denn der Name Rothaargebirge bedeutet ja ‚gerodeter Wald‘-Gebirge, jedoch befürchte ich, dass die Rodungen der Neuzeit weniger aus wirtschaftlichen Gründen, als eher durch Dürre und Klimawandel bedingt sind.
Nach 11 km erreiche ich den winzigen Ort Stünzel, der außer ein paar wirklich schönen Schnitzereien auch mit einer überdachten Picknick-Bank aufwartet. Im Ort wohnen etwa 50 Menschen und mindestens ebenso viele Kühe. Die Idee mit der Bank ist super, allerdings ist alles so moosig und ungepflegt, dass ich mich trotz Sitzkissen einsauen würde. Daher esse ich mein Brötchen im Stehen und halte die Pause kurz, denn mir ist kalt.
Ich wandere im Nieselregen weiter durch Wald, über feuchte Wiesen und Nebenstraßen. Sobald ich dem Wind ausgesetzt bin, wird es empfindlich kalt - und zwar nicht nur an den Händen, die den Schirm halten müssen.
An einer windgeschützten Stelle verharre ich einen Moment, schließe die Augen, verbanne sämtliche Gedanken aus meinem Hirn und lausche. Und wie ich lausche, schleichen sich mehr und mehr leise Naturgeräusche in mein Bewusstsein. Jetzt höre ich nicht nur die vorlauten Vögel, sondern auch das ganz leise Gezwitscher, die Wassertropfen auf den Blättern und einen Frosch, der irgendwo ganz in der Nähe quakt. Langsam, ganz langsam breitet sich in mir eine unglaubliche Ruhe aus. Ich bin gerade dabei, auf dem Weg anzukommen.
Nun wandere ich ruhiger und leichter weiter, und passiere bald auf einem wunderschönen, von Ginster überwucherten Weg das Schieferbergwerk Raumland und erreiche wenige später den gleichnamigen Ort. Ein letzter Anstieg bringt mich auf den „Stoppel“, wo ich mich an den Sitzbänken mit Abzieher und Tuch zum Trockenreiben erfreue - ebenso wie an dem Spruch des bekanntesten dänischen Schriftstellers H.C. Andersen. Ein dänischer Schriftsteller! Ist das Zufall? Oder selektive Wahrnehmung?
Direkt vor mir liegt Bad Berleburg und das ist auch gut so, denn obwohl es heute nicht besonders weit war, spüre ich meine Füße. Diese dürfen sich, ebenso wie der Rücken in den nächsten Tagen an das zusätzliche Gewicht des Rucksacks gewöhnen.
Im Berleburger Hof checke ich mich über einen Automaten kontakt- und seelenlos ein. Ich stelle meinen Rucksack in das kleine, kühle Zimmer, drehe die Heizung auf und besorge mir Abendessen im nahe gelegenen Lidl.
Als ich wieder ins direkt an der Hauptstraße gelegenen Hotel zurückkehre, hat die Heizung ihre Arbeit getan. Das neue Badezimmer, mit perfekt funktionierender Dusche und Aufhängemöglichkeit für meine frisch gewaschene Unterwäsche, versöhnt mich vollends und nun fühle ich mich richtig wohl. Und so lasse ich den ersten Abend dieser neuen Tour ausklingen.
Ich denke, heute war ein guter Tag, zumal mich meine Füße blasenlos ins Ziel gebracht haben und es das Wetter locker schaffen wird, das heutige zu übertreffen.
Länge | Auf | Ab |
---|---|---|
23.3 km | 558 Hm | 447 Hm |
Bad Berleburg, 30.04.2023
Meine top-moderne Pulsuhr misst nicht nur meine Herzfrequenz, sondern teilt mir auch mit, wie gut ich geschlafen habe. Ihrem Qualitätsurteil „schlecht“ schließe ich mich uneingeschränkt an. Obwohl das Bett bequem war, habe ich abwechselnd geschwitzt und gefroren – keine Ahnung, wieso. Obwohl am Sonntagmorgen noch recht wenige Autos unterwegs sind, war für mich die Nacht um 5 Uhr zu Ende. Im Vergleich zur Sackgasse auf dem Dorf, in der ich wohne, ist es wohl überall laut.
Das Frühstück ist gut und reichlich. Es kommt garniert mit einer netten Unterhaltung mit einem Ehepaar aus Stuttgart, die ihren neuen E-Skoda erstmals für eine Langstrecke ausgefahren haben und begeistert sind. Auch heute wird das Hotel, welches seinen Haupterwerb aus „Essen auf Rädern“ für ältere Menschen zu ziehen scheint, mit minimalem Personaleinsatz betrieben.
Als ich um kurz nach neun endlich los wandere, hat sich der Morgennebel verzogen, und die Sonne zeigt sich am blauen Himmel. Trotzdem wirken die vollständig mit Schiefer geschindelten Häuser düster.
Ich passiere das prunkvolle Schloss Berleburg und schleppe meinen, aufgrund des Proviants für heute und morgen ziemlich schwereren Rucksack aufwärts. Schon bald kann ich im kurzärmligen Hemd wandern.
Der Weg führt durch durch und durch mit Moos bewachsenen Wald, in den stellenweise die Sonne vom blauen Himmel hinein blinzelt. Kein Geräusch, außer dem Vogelgezwitscher und gelegentlich einer entfernt bimmelnden Kirchenglocke. Einfach traumhaft!
Bald schon verläuft der E1 auf dem Waldskulpturenweg. 2005 meinte eine in Frankreich lebende Künstlerin, ein grün gestrichenes Haus um drei Bäume herum errichten zu müssen und nannte es „Grünstation“. Daraufhin zogen Stürme über das Land und fällten die Bäume. Nun steht hier ein grünes Haus mit Löchern im Dach. Toll! Ich hätte da mal ein paar Fragen … – und schüttele den Kopf.
Zur Mittagszeit erreiche ich nach 400 Höhenmetern den höchsten Punkt des heutigen Tages, den Saukopf (715 m). Hier steht schon wieder Kunst im Wald – ich kann mich zwar direkt davor stellen und doch fehlt mir der Zugang dazu. Erneutes Kopfschütteln. Und dieses wird sich im Laufe des Tages noch mehrfach wiederholen.
Inzwischen begegnen mir auch immer öfter Wanderer, was nicht weiter verwunderlich ist, denn der nächste Parkplatz ist nahe – und auch die Sonne, die hinter Wolken Pause gemacht hat, schickt mir ein paar wärmende Strahlen.
Auf einer bequemen Sinnesbank mit Blick ins weite Land genieße ich meine Mittagspause. Herrlich!
Wie ich so auf meinem Beobachtungsposten sitze und die vorbeiziehenden Menschen beobachte, drängen sich mir ein paar Fragen auf:
Es wird Zeit, meinen Rucksack zu packen und weiterzugehen.
Wenig später erreiche ich den Kyrill Pfad und nutze die Gelegenheit, zu sehen, wie die Natur mit dem 2007 durch den Orkan zerstörten Wald umgeht. Danach mache noch einmal Pause, um ein paar Zeilen in meinem Buch zu lesen und die Erdbeeren, die ich hergetragen habe, zu genießen. Es ist doch noch so früh. Mhhh … – ist das lecker.
Es dauert keinen Kilometer, und schon bin ich wieder allein im Wald.
Auf breiten Forstwegen schlendere ich gemütlich dem Tagesziel Oberkirchen entgegen und kann dabei schon den Turm auf dem Kahlen Asten sehen, an dem ich hoffentlich morgen Mittag vorbeiwandern werde.
Die Kunstinstallationen nehmen kein Ende, doch wenn sie in meinen Augen auch zu sonst nichts taugen, bringen Sie mich doch mit einem Ehepaar in ein längeres Gespräch. Das tut gut. Und wie es der Zufall will, ist eine Bekannte von Ihnen gestern mit dem Rad ans Nordkap losgeradelt, um im August dort anzukommen. Es gibt also auch hier Menschen, die abseits der Norm ihre Träume leben.
Recht entspannt und froh darüber, mir für heute nur eine kurze Etappe geplant zu haben und nicht der vom Rother-Führer vorgeschlagenen Einteilung gefolgt zu sein, erreiche ich Oberkirchen. Dort werde von einer großen Anzahl gehobener Hotels und einem extrem gepflegten Dorfbild überrascht.
Im Hotel Schieferhof empfängt man mich sehr warmherzig und wir unterhalten uns ein wenig über meine Tour. Ich bin heute der einzige Hotelgast und man erläutert mir, wo ich im Ort zu Abend essen kann. Ich hatte ohnehin vor, nicht im Hotel zu essen, da mir der Sinn nicht nach einem 3-Gänge-Menü steht und das auch finanziell nicht attraktiv ist. Als ich ankündige, morgen früh nicht frühstücken zu wollen, scheint dies nicht ungelegen zu kommen. Ich bekomme den Tipp, heute noch in der benachbarten Pizzeria Pizzabrötchen zu besorgen. Hätte ich das mal früher gewusst, denn ich trage schon seit zwei Tagen 100 g Müsli genau für das morgige Frühstück durch die Gegend. Das wird jetzt auch gegessen!
Schnell noch das Hemd gewaschen, damit es viel Zeit zum Trocknen hat und schon drehe ich eine kleine Besichtigungsrunde durch den Ort. Danach hole ich mir recht früh mein Abendessen (Salat wird ja nicht kalt) und genieße die Sonne auf einer Bank am rauschenden Dorfbach.
Fazit: Das war ein richtig schöner Tag heute. Gerne mehr davon!
Länge
Auf
Ab
19 km
435 Hm
409 Hm
Oberkirchen, 01.05.2023
Um 6:30 Uhr werde ich durch Trommeln und Pfeifen des Fanfarenzugs geweckt. Das erinnert mich an meine Jugend, denn oft genug habe ich die Einwohner unseres Dorfes am 1. Mai früh morgens mit Marschmusik beglückt.
Die Nacht war überraschend ruhig, und obwohl das Bett nicht so bequem war wie das der letzten Nacht, habe ich deutlich erholsamer geschlafen.
Als ich mir warmes Wasser aus dem Wasserhahn über meine Haferflocken mit Milchpulver gießen möchte, bemerke ich, dass dieses sehr heiß ist. Und so gibt es zu dem Porridge völlig ungeplant auch noch einen leckeren Instant-Kaffee.
Die mitgebrachte Haferflocken-Portion war reichlich bemessen – ich hatte wohl Angst, dass ich verhungern könnte – sodass ich nun den Rest des Porridge auf den Kahlen Asten tragen darf.
Bevor ich losgehe, trage ich das Hotel als Übernachtungsempfehlung auf der E1-Wanderseite (e1.hiking.org) ein, denn ich habe mich hier sehr willkommen gefühlt.
Beim Verlassen des Hotels bemerkt mich die sympathische Inhaberin, wir unterhalten uns kurz und sie bietet mir einen Kaffee an. Ich lehne dankend ab, denn ich will jetzt wirklich starten. Es ist nämlich schon halb neun.
Bei 8° und bedecktem Himmel verlasse ich frohen Mutes das idyllisch im Lennetal liegende Dorf und freue mich auf die vor mir liegende „Bergetappe“.
In Westfeld befinden sich viele Ferienwohnungen und eine Schreinerei für Waldsofas (Sinnesbänke). Dann beginnt der Anstieg. Uff – wird mir warm, als ich auf einem breiten, unattraktiven Forstweg zum Hohen Knochen steige. Oben angekommen mache ich eine Pause, esse den Rest meines Porridge und zippe die Hosenbeine ab. Als ich mich umschaue, wird mir klar, dass der Turm, den ich gestern gesehen habe, definitiv nicht auf dem Kahlen Asten steht. Steht da überhaupt einer? Egal – ich werde es ja sehen.
Das Berghotel Hoher Knochen, vor dem ich sitze, ist wunderschön gelegen, jedoch für mich als Wanderer (und auch sonst) preislich absolut inakzeptabel. Ich bin nicht bereit, 234 € pro Nacht im Einzelzimmer zu bezahlen.
Kurz vor Mittag erreiche ich den Gipfel vom Kahlen Asten. Zwischen all den in dicke Daunenjacken gepackten Touristen muss ich mit kurzem Hemd und kurzer Hose ein seltsames Bild abgeben. Ich quatsche ein Pärchen mit mächtigen Rucksäcken an. Sie sind auf dem Rothaarsteig unterwegs und wissen noch nicht, wo sie die heutige Nacht verbringen werden. „Irgendwo im Wald“ ist auf eine Option.
Ohne Pause zu machen, wandere ich abwärts zur „Nordhangjause“ und höre schon aus einiger Entfernung Bässe wummern. Mir schwant Übles. Immerhin bin ich so nicht überrascht, auf eine Art Skihütte mit Après-Ski-Atmosphäre, garniert mit Bollerwagen-ziehenden, alkoholisierter Menschen zu treffen. Eigentlich hatte ich vorgehabt, hier ein Kaffee zu trinken, aber jetzt will ich nur noch weg von hier. Und zwar ganz schnell!
Wie um mich zu entschädigen folgt nun ein schöner Wurzelpfad und eine Holzsteg-Passage entlang eines leise vor sich hin plätschernden Baches. Das ist Erholung für meine Ohren. Als dann noch eine Bank kommt, ist mein Glück perfekt!
Im weiteren Wegverlauf entdecke ich weitere, riesige und unbewachsene Hügel. Von einer Wandergruppe erfahre ich, dass es sich dabei um Abraumhalden eines Basaltwerks handelt. Nicht schön – und doch beeindruckend!
Im Hotel Löffler in Silbach gönne ich mir nach etwa 20 km den ersten richtigen Kaffee des Tages. Das tut gut!
Zur Kapelle des heiligen Sankt Blasius schwebe ich fast hinauf. Das in der Nähe hängende Waldgedicht „Die Kirche des Waldes“ (von Georg Graf zu Münster) berührt mich. Erst nach einer ganzen Weile möchte ich mich lösen und weitergehen.
Am Ortseingang von Niedersfeld befindet sich eine große Kartbahn. Ein einzelner Nachwuchs-Rennfahrer dreht seine Runden. Auch ich gebe mächtig Gas, denn soeben fallen die ersten Regentropfen vom dunklen Himmel. Zur Unterkunft ist es nicht mehr weit. Vielleicht schaffe ich es noch im Trockenen?
Das „Casa Milix“ befindet sich am Hang der anderen Talseite. Ich eile also durchs Dorf und steige geschwind über ein paar Treppenwege hinauf. Ich bin da. Geschafft!
Der Check-in gestaltet sich sehr positiv. Nachdem Michael mit mir alle Nahrungsmittelunverträglichkeiten (keine) und Ernährungspräferenzen (Vegetarier – aber Käse ist okay und am liebsten Kuhmilch im Kaffee) sowie die bevorzugte Frühstückszeit abgeklärt haben, erwartet mich ein modern eingerichtetes Zimmer mit neuem Bad. Die warme Dusche ist eine solche Wohltat! Man könnte meinen, dass es in Deutschland Standard sei, dass in einem Hotel/Pension in der Dusche ausreichend warmes, gut temperierbares Wasser in einem ordentlichen Strahl aus dem Duschkopf (und nur daraus) kommt. Meine Erfahrung sagt: Nein – dem ist nicht so!
Ich bin zwar erst seit drei Tagen unterwegs, aber dies ist das bislang beste Zimmer.
Nachdem ich mich ausgeruht habe, gehe ich ins Dorf in einen Dönerladen. Der Fett-Nebel hängt so tief, dass ich beschließe, mein Essen mitzunehmen. Wenn ich vor Ort esse, stinke ich die nächsten Wochen nicht nach Schweiß, sondern nach verbranntem Fett. Und natürlich beginnt es jetzt, kräftig zu regnen. Ich ziehe also meine Socken aus, damit diese in den Badelatschen nicht nass werden, und so zurück in die Unterkunft. Zum Glück habe ich zumindest meinen Schirm dabei. Richtig lecker schmeckt das Essen leider trotz meines Einsatzes nicht.
Länge
Auf
Ab
26.5 km
778 Hm
668 Hm
Niedersfeld, 02.05.2023
Ich habe trotz des bequemen Betts nur mittelprächtig geschlafen und der Blick aus dem Fenster zeigt das Tal in feuchtem, dunstigem Grau. Angeblich wird es heute bei Dauer-Niesel nicht wärmer als 8 °C. Am liebsten würde ich einfach im warmen Bett liegen bleiben.
Glücklicherweise stehe ich doch auf, denn das Frühstück ist unglaublich vielseitig und gut. Frisches Gemüse, ein paar Trauben und vegane Wurst, Käse und Ei verspeise ich mit frischen Brötchen, während ich gleichzeitig beobachte, dass draußen ein leichter Landregen einsetzt. Prima – dann kann ich die Regensachen schon gleich im Zimmer anziehen. Im Frühstück ist auch ein angenehmes Gespräch mit einem der beiden Inhaber inbegriffen und so ist es kurz nach 9 Uhr, als ich dieses uneingeschränkt empfehlenswerte B&B verlasse.
Die schiefergrauen Häuser von Niedersfeld passen hervorragend zum tristen, grauen Himmel. Dann erfreue ich mich halt an den blühenden Forsythien und ein paar bunten Blümchen, die am Ufer das rauschenden Bernbachs wachsen. Da heute mein erster Urlaubstag ist, denke ich daran, was ich sonst gerade machen würde. Trockener und wärmer wäre es im Büro auf jeden Fall – und unterhaltsamer ganz bestimmt auch!
Ich wandere auf einem steinigen, wurzeligen Hohlweg bergan. Die Baumwipfel verstecken sich in einem dunstigen Schleier. Das regennasse Moos leuchtet mir hellgrün entgegen. Einige Vögel zwitschern leise. Kein Mensch weit und breit. Nur ich. Ich atme die Stille ganz tief ein. Sie schenkt mir Ruhe und Kraft.
Die „Hochheide“ und der wenig später folgende Clemensberg (825 m) markieren den höchsten Punkt des heutigen Tages. Bei Sonnenschein muss es hier unglaublich schön sein. Ich bin jedoch froh, dass es nicht noch windiger ist und meine Regensachen das meiste abhalten. Es ist auch so schon sehr ungemütlich und kalt! Ich treffe drei Niederländer*innen mit Hund und frage mich, wieso hier so viele Niederländer Urlaub machen. Bereits gestern waren mir niederländische Hinweisschilder aufgefallen.
„Am Streit“ befindet sich eine geräumige Schutzhütte und gedenkt der blutigen Schlacht im 17. Jahrhundert. Es ging damals um Rohstoffe – und zwar um Holz, welches dringend benötigt wurde. Andere Zeiten, andere Rohstoffe, andere Auseinandersetzungen.
Friedlich verlasse ich hier NRW und wandere weiter in den hessischen Wintersportort Willingen. Vorbei am leer laufenden Sessellift, der darauf wartet, Menschen und ihr Mountainbikes hoch in den Nebel zu befördern, erreiche ich bei Regen die Landbäckerei Sommer, die sich im Eingangsbereich des örtlichen REWE befindet. Eine Pause in der Wärme ist auch dringend nötig, denn einerseits fallen mir meine eiskalten, krebsroten Finger fast ab und dadurch ist meine Motivation ähnlich weit vom Nullpunkt entfernt wie die Temperatur. Es ist einfach nur kalt, nass und eklig.
Nach zwei Portionen „Sommer in der Tasse“ und etwas zu Essen und wieder aufgewärmt gehe ich weiter.
Der Nachmittag gestaltet sich ereignisarm, denn ich wandere unter Berührung zweier beliebiger Ortschaften in mehr oder weniger starkem Riesenregen und ein paar Regenpausen einfach so vor mich hin und lasse meinen Gedanken freien Lauf. Die Aussicht auf eine feste Unterkunft mit Bett und warmer Dusche, die auf mich wartet, spornt mich an. Ich mag gar nicht daran denken, wie es wäre, jetzt im Wald übernachten zu müssen. Brrrr.
Im letzten Anstieg kurz vor Schweinsbühl erfreue ich mich an zwei Gänsen mit ihren vier jungen, gelbgrauen Küken, sowie an einer uralten, bilderbuchhaften Eiche.
Im Gasthaus Döbelt in Schweinsbühl werde ich erwartet und zu meinem Zimmer gebracht. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, vermutlich irgendwann in den 70ern. Krass gemusterte Tapeten werden vielleicht mal wieder modern – das Badezimmer so eher nicht.
Allerdings bin ich heute so K.O., dass ich mich vor dem Duschen erst einmal ausruhen muss. Da kann die Tapete aussehen, wie sie will. Ich bin wirklich überrascht, dass mich das Wandern so schlaucht und mir die Füße jeden Tag so wehtun, denn zu Hause mache ich ja manchmal deutlich weitere Touren, allerdings ohne schweren Rucksack. Ich hoffe, das gibt sich mit der Zeit noch.
Heute esse ich im Gasthaus, nicht zuletzt, weil dies alternativlos ist. Da die Karte mit fünf Gerichten doch eher überschaubar ist, brauche ich nicht lange, um festzustellen, dass es keine vegetarische Option gibt. Als ich danach frage, bekomme ich einen Gemüsebratling mit Kroketten und Salat. Der große Vorteil von Convenience-Produkten ist, dass man wenig falsch machen kann und es doch schmeckt. Herr Döbelt erzählt, dass sie vielfach Vegetarier als Gäste haben und manchmal „sogar Veganer“. Warum das Gericht dann nicht auf der Karte steht, erschließt sich mir nicht.
Heute Nacht werde ich vermutlich erholsam schlafen können, denn ich habe definitiv nicht zu viel gegessen.
Fazit: Kälte und Regen drücken auf die Stimmung – doch die Sonne hat sich nur ausgeruht, damit sie morgen umso mehr scheinen kann.
Länge
Auf
Ab
27.1 km
594 Hm
635 Hm
Schweinsbühl, 03.05.2023
Da das Bett etwas kürzer war, als ich, bin ich unausgeschlafen. Beim Blick aus dem Fenster, durch das ich die Morgensonne und einen blauen Himmel sehe, verspüre ich Tatendrang. Und Lust auf Frühstück.
Dieses ist ausgezeichnet und dabei unterhalte ich mich mit einer älteren, allein auf dem Diemelsteig wandernden Hessin. Mehr Gäste gibt es nicht. Ein großer Vorteil des allein unterwegs sein ist, sehr einfach mit anderen ins Gespräch zu kommen.
Um viertel nach neun Uhr verabschiede ich mich von Herrn Döbelt. Auch wenn das Bett etwas kurz, das Zimmer altmodisch und renovierungsbedürftig war, war der Preis fair und vor allem habe ich mich hier sehr willkommen gefühlt. Und das ist viel wert.
Bei schönstem Wanderwetter, wenn auch ziemlich kühl, passiere ich eine Schafweide. Ich grüße den Schäfer, der in einiger Entfernung den Zaun ausbessert, und schon kommen mir zwei Hütehunde auf meiner Zaun-Seite (!) entgegengeschossen. Und die sehen nicht aus, als wollten sie spielen. Glücklicherweise wollen Sie gar nichts von mir und patrouillieren nur entlang des Zauns und passen auf, dass ich keine Schafe auffresse. Mache ich nicht – versprochen!
Schritt für Schritt verlasse ich das hessische Upland und wandere bei schönstem Wetter nach Adorf, wo ich die Diemel ein vorletztes Mal überqueren werde.
An einer wunderschönen Kneippanlage lasse ich mich zu einem Arm-Bad verleiten. Das soll den Kreislauf in Schwung bringen. Auf jeden Fall aber macht es kalte, nasse Arme. Überraschenderweise sind sie nach 5 Minuten tatsächlich wärmer als zuvor.
Im Dorf Benkhausen habe ich endlich mal wieder Mobilfunkempfang und kann mich in der Unterkunft heute Abend avisieren. Man hatte darum gebeten, weil heute Ruhetag ist.
Ich erfreue mich an den grünen Wiesen, übersät mit gelbem Löwenzahn und den vereinzelten, weiß blühenden Apfelbäumen. Das ist Frühling. Das tut gut.
Vor Adorf mache ich auf einer tollen Bank in der Sonne Pause. Ein Reh springt über die Wiese und sieht mich verdutzt an. Eine Frau mit jungem Hund spricht mich ob meines großen Rucksacks an. Eine solche Wanderung hätte sie ja schon immer mal machen wollen ….
Ich muss an Astrid Lindgrens Spruch denken, den ich erst neulich wieder gelesen habe: „Aus dem ‚bald‘ machen wir ein ‚jetzt‘, bevor es ein ‚nie‘ wird“. Ich bin so froh, hier und jetzt unterwegs zu sein.
In Adorf, dem Hauptort der Gemeinde Diemelsee, esse ich zu Mittag und kaufe gewichtsoptimiert für das Abendessen ein, denn ich darf den Einkauf noch 15 km schleppen.
Eine Tafel informiert mich darüber, dass ich als nächstes devonische Gesteine besteige, die diskordant von Zechstein überlagert werden. Aha! Für einen Geologen mag das interessant klingen, für mich bedeutet das jedoch nur, dass ich auf einem geteerten Feldweg den Hügel rauf muss. Links Acker, rechts Wiese und obendrauf ein paar Windräder. Das ist so aufregend, dass ich sogar vom markierten Wege abkomme. Allzu tragisch ist das allerdings nicht, denn am Ende treffen diese Feldwege alle wieder aufeinander.
Ich überschreite die Grenze nach NRW und folge 1 km auf der ziemlich frequentierten Landstraße nach Giershagen. Zum Glück gibt es hier keine Leitplanken, sodass ich mich in Sicherheit bringen kann, sollte es doch mal eng werden.
Giershagen, ein Ortsteil von Marsberg mit knapp 1500 Einwohnern überrascht mich mit der riesigen Kirche „St. Fabian und Sebastian“. Irgendwie passt dieser kleine Ort und die große, dreischiffige Kirche nicht so recht zueinander. Sie wurde übrigens erst 1902 gebaut, nachdem die Vorgängerkirche abgerissen wurde. Ich finde, das sieht man ihr gar nicht an.
Auf einem Radweg wandere ich das Tal entlang vorbei am idyllisch gelegenen Friedhof mit der Kluskirche und danach einer Fabrik für Hygienepapiere (WEPA), die konstant vor sich hin rauscht und gar nicht mal so gut riecht. Vielleicht ist es auch die Kläranlage - hier bleibt einem kein olfaktorisches Highlight erspart. Umso schöner ist die Ruhe und die frische Luft danach.
Heute bin ich mindestens 90 % auf Asphalt gelaufen, die Füße brennen schon jetzt und ich vermute, dass sich das in den nächsten 8 km nicht mehr ändern wird. Das denke ich gerade und - schon biegt der E1 auf einen naturbelassenen Pfad und führt mich den Berg hinauf. Riesige Bärlauchfelder säumen den Weg, allerdings ist es schon etwas spät im Jahr, denn sie treiben bereits Knospen und haben teilweise zu blühen begonnen. Und nein – es sind keine Maiglöckchen!
Als ich die Anhöhe erreicht habe und sich der Blick öffnet, sehe ich unten im Tal Niedermarsberg - oben thront Obermarsberg auf dem nach drei Seiten steil abfallenden Bergplateau. Bei dieser Lage ist es kein Wunder, dass dieser Hügel bereits vor vielen Tausend Jahren bewohnt wurde. Steinzeitliche Funde belegen dies.
Das Ziel vor Augen, selbst wenn es noch einige Kilometer entfernt ist, läuft es sich gleich viel besser.
Obermarsberg betrete ich auf der flachen Südseite durch die Hexengasse.
Vielleicht werde ich dieses historische Städtchen, das bis 1975 noch Stadtrechte hatte, morgen erkunden. Heute mache ich jedenfalls keinen Schritt mehr als nötig.
Der Check-in im „Bei Steggers“ läuft problemlos und ich kann sogar noch ein Bier fürs Zimmer bekommen. Dieses liegt direkt unter dem Dach, hat einen Balkon und einen tollen Ausblick. Und viele niedrige Dachschrägen. Ich darf also besonders auf meinen Kopf aufpassen, denn sonst kann ich auch schon tagsüber Sterne sehen.
Da ich mein Essen dabei habe, bleibe ich den Rest des Tages in Zimmer und revidiere meine Planung für nächste Woche. Ich hatte für Dienstag und Mittwoch eine Nacht im Wald und eine Nacht auf dem Campingplatz vorgesehen. Da der Wetterbericht für beide Tage über 10 mm Niederschlag vorsieht und ich auch so schon genug am Kämpfen bin, „verschiebe“ ich die Etappenpunkte etwas und buche mir ein Dach über dem Kopf. Ich bin froh, dass das geklappt hat.
Fazit: Sonnenschein macht mehr Spaß, auch wenn die Füße genauso wehtun.
Länge
Auf
Ab
28.4 km
481 Hm
596 Hm
Obermarsberg, 04.05.2023
Um 4:45 Uhr wache ich auf und sehe am Horizont den roten Streifen, mit dem der neue Tag anbricht. So schön …
… dass ich mich jetzt noch mal umdrehen kann und mich noch eine Runde in das ausreichend lange, bequeme Bett kuschle.
Zum Frühstück gibt es neben Brötchen, Ei und Käse auch noch eine Tomate und ein großes Stück Gurke für mich. Das hatte ich mir insgeheim gewünscht. Dazu gibt es eine Kanne Kaffee, der Tote wieder erwecken könnte.
Wie ich so ganz alleine im kühlen Gastraum sitze und frühstücke, denke ich sehnsüchtig an das Casa Milix, der bisher einzigen Unterkunft, in der beim Frühstück entspannte Hintergrundmusik und nicht hr4 lief. Das war schön!
Weil ich weiß, dass außer mir nur noch ein paar Wanderer hier übernachtet haben, habe ich ausnahmsweise mein Zimmer nicht abgeschlossen - und so unterläuft mir beim Rückweg ins Zimmer ein kleiner Fauxpas. Ich stehe plötzlich im falschen Zimmer, in dem das Paar noch im Bett liegt und mich ebenso überrascht ansieht, wie ich sie. Ups!
Nach einem sehr netten Gespräch mit dem Ehepaar, das die Türverwechslung offensichtlich nicht übelnimmt und die den E1 in südlicher Richtung begehen, mache ich eine Erkundungstour durch den historischen Ort und beginne mit der Nikolaikirche, bei der es sich angeblich um eine „Perle der Frühgotik“ handelt. Mir gefallen ihre bunten Glasfenster extrem gut.
Weiter geht es zum Rathaus mit Pranger (Schandpfahl) - angeblich den Symbolen des „freien und stolzen Bürgertums“. Ja, so war das damals in der guten, alten Zeit.
Weiter geht es durch den Benediktus-Bogen zur bedeutenden Stiftskirche und dann zum Buttenturm. Nachdem ich mich durch den engen und niedrigen Eingang des Turms gequetscht habe, genieße ich die Aussicht über Niedermarsberg, das unten im Diemeltal liegt und wohin ich nun vorbei an den Drakenhöhlen hinab wandere.
Mein nächstes Ziel ist der DHL Paketshop, denn ich habe beschlossen mein Zelt ein paar Tage vorauszuschicken. Vielleicht hilft das ja meinen Füßen.
In manchen Dingen mag ich ja anderer Ansicht sein als Christine Thürmer, aber eine gut geplante Wege-Logistik ist wirklich das A und O für ein entspanntes Wandern.
Der DHL Shop befindet sich in einem Blumenladen. Die super freundliche Verkäuferin findet einen alten Blumenkarton für mich, spendiert mir auch das Paketband und schon kann das Paket auf die Reise gehen. Drei Kilo klingt nicht nach viel, aber wenn ich mir diese für die nächsten 225 km ersparen kann, empfinde ich die Investition in das Paketporto als sehr sinnvoll. Zudem klang der Betreiber der Ferienwohnung in Bad Nenndorf nett und zuverlässig, sodass ich mir keine Sorgen machen sollte. Sicherheitshalber habe ich das Paket auf 2500 € versichert, sodass ich im Fall, dass DHL mein Paket verliert, zumindest kein finanzielles Problem habe. Und vielleicht wird so noch etwas besser darauf aufgepasst.
Nachdem ich die schöne Fußgängerzone und die anderen Highlights von Niedermarsberg besichtigt habe, besorge ich mir bei LIDL Proviant für morgen und esse eine Kleinigkeit zu Mittag. Ich genieße es, vor dem Dönerladen in der Sonne zu sitzen, einen hübsch rosa blühenden Baum anzuschauen und einfach die Sonne und das herrliche Frühlingswetter zu genießen.
Und dann wird es Zeit, endlich mit dem Wandern zu beginnen.
Der Niedermarsberg beginnende und auf 72 km bis zu den Externsteinen führende Eggeweg führt mich bergauf nach Essentho. In vielen Gärten blüht es bunt - und zwar auffällig viele Tulpen.
An einer mit dem Auto erreichbaren Wanderhütte sitzt eine 90-jährige Frau mit ihrer polnischen „Betreuerin“, trinkt Kaffee, spendiert Schokokekse und bittet jeden, der auf dem Eggeweg vorbeikommt, sich in das Gästebuch einzutragen. Drei Wanderinnen kommen gerade aus der Gegenrichtung an und werden heute in Niedermarsberg den Eggeweg beenden. Ich unterhalte mich zuerst ein wenig mit Ihnen und danach mit der älteren Frau. Sie erzählt aus ihrem Leben und möchte natürlich wissen, was ich hier so tue. Nachdem ich ihr das dritte Mal erklärt habe, woher ich komme und wohin ich gehe, muss ich doch mal weitergehen. Eine nette Begegnung war’s allemal. Ob ich in 40 Jahren wohl auch noch draußen sitzen und mich mit Wanderern unterhalten kann?
Der nächste Ort, Oesdorf, wäre für mich ein beliebiges, kleines, ödes Dorf mit hübscher Kirche, wäre ich nicht auf eine super nette, junge Familie mit zwei Kindern gestoßen, die vom Wandern begeistert ist und auch ihre Kinder zum Wandern begeistern kann. Die Eltern haben noch große Fernwander-Pläne und schon nach dem relativ kurzen Gespräch habe ich das Gefühl, dass sie diese auch umsetzen werden. Das ist so schön - und ich wünsche ihnen alles Gute dabei.
Der restliche Weg bis zum „Haus Dewenter“ in Blankenrode läuft sich fast von selbst. Endlich ist der Weg mal nicht geteert und so störe ich mich nicht einmal am Lärm der A44, die ich kurz vor Blankenrode überqueren muss.
In der Unterkunft werde ich mit niederländischem Charme empfangen. Das helle Zimmer begeistert durch ein Bett mit offenem Fußende und einer Dusche mit warmem Wasser in einem angenehmen Strahl. Dennoch frage ich mich, ob Unterkunftsbetreiber jemals selbst auswärts übernachten und sich eventuell Gedanken machen, was ihre Gäste benötigen oder wünsche. Vielleicht sollte ich mal einen „Unterkunftscheck aus Wandererperspektive“ anbieten und Ratschläge erteilen. Ist das vielleicht noch eine Marktlücke?
Folgende Gedanken mache ich mir:
-Ist es wirklich so abwegig, dass man abends noch im Bett sitzen möchte? Sollte man deshalb wirklich ein Bild so aufhängen, dass man sich auf dem Bett sitzend nicht mehr an die Wand lehnen kann?
-Ist es tatsächlich so ungewöhnlich, dass Wanderer etwas zum Trocknen aufhängen wollen? Zwei leere Haken an der Wand würden nicht die Welt kosten und auch nicht schlecht aussehen. Wer sie benötigt, bringt seine Schnur ohnehin selbst mit.
-Ist es wirklich sinnvoll, auf das Handwaschbecken einen stylishen Seifenspender aus Porzellan zu stellen, aber für die Dusche 10 ml Päckchen Shampoo zum Aufreißen und ein Seifenstückchen zur Verfügung zu stellen, wo es in der Dusche noch nicht einmal eine Seifenablage gibt? Wie passt das zusammen? Dann doch lieber gleich die Billigseife im Plastikspender, dann kann schon nichts kaputtgehen.
-Und wenn nur eine Steckdose am Kopfende des Betts existiert, wäre dann ein Mehrfachstecker zu viel verlangt, damit man sich nicht zwischen Handy aufladen und Nachttischlampe entscheiden muss?
Das kostet doch fast nichts. Es ist einfach so hirnlos!
Von den optischen Mängeln aufgrund handwerklicher Unfähigkeit will ich gar nicht sprechen.
Heute ist übrigens Jubiläumstag. Mit der heutigen Etappe habe ich die 1000 km – Marke auf dem E1 überschritten! Juppieh!
Nachdem ich vom Inhaber im Restaurant mit „Lekker geduscht?“ begrüßt werde, beschließe ich, dieses Jubiläum mit holländischen „Pommes Spezial“ und einem Käsesalat zu feiern. Der Käsesalat ist lecker und viel zu klein - die Pommes sind richtig, richtig gut.
Außer einer niederländischen Familie und einem später eintreffendem Skattisch ist das Restaurant leer - wirklich rechnen kann sich der heutige Abend nicht. Zum Glück ist nicht mein Problem.
Fazit: Prima Wetter, nette Begegnungen und ausnahmsweise mal nicht völlig ausgepowert. Weiter so!
Länge | Auf | Ab |
---|---|---|
19.3 km | 363 Hm | 352 Hm |
Blankenrode, 05.05.2023
Die Nacht verläuft ruhig und der erste Blick aus dem Fenster stimmt mich optimistisch, denn noch scheint die Sonne und der Himmel ist nur teilweise bewölkt.
Das Frühstück steht in Buffetform in einem kleinen Raum - gegessen wird im (leeren) Gastraum. Außer mir ist niemand da.
Helle Aufbackbrötchen, Wurst und Käse, sowie diverse Aufstriche, Kaffeepulver etc. - was sich über die Zeit angesammelt zu haben scheint …. - der in zwei Thermoskannen bereitgestellte Kaffee ist allerdings nach meinem Geschmack.
Die Frau des Besitzers zeigt mir, wo das Büfett steht und wo ich essen kann. Das war’s an Interaktion. Hier fühle ich mich eher geduldet als willkommen.
Ich frage mich, was diese Menschen dazu bringt, oder zwingt, dieses Haus zu führen.
Falls es Freude ist, gelingt es Ihnen ziemlich gut, diese zu verbergen.
Beim Check out dränge ich dem Besitzer noch ein Gespräch auf und erfahre, dass sie dieses Haus vor zweieinhalb Jahren gekauft haben, aber selbst keine Gastronomie anbieten wollen. Daher wird diese von dem Niederländer betrieben, den ich gestern kennengelernt habe.
Als ich um 8:30 Uhr starte, hat sich der Himmel schon etwas mehr zugezogen. Da ich Wasser und Proviant für den ganzen Tag
mitnehmen muss, ist der Rucksack überraschend schwer.
Auf einem Waldpfad, der schöner gar nicht sein könnte, erreiche ich bald die Wasserscheide Rhein/Weser und wenig später den Eingang zur Stadtwüstung Blankenrode. Außer der Infotafel, einem nett gemachten Hörerlebnispfad und ein paar Erdhügel ist von der ehemaligen Stadt und der Burg nichts mehr zu sehen.
Ich habe die Stadtwüstung noch nicht ganz verlassen, als ich die ersten dumpfen Donnerschläge des herannahenden Gewitters vernehme. Das klingt nicht gut. Vielleicht habe ich ja Glück, und es zieht vorbei?
Keine 5 Minuten später setzt der Regen ein. Ich spanne meinen Schirm auf, fange laut an zu singen, und bin, so merkwürdig es erscheinen mag - glücklich! Und auch der Regen hört bald wieder auf.
Im weiteren Verlauf wechseln sich Passagen auf schnurgerader, strunzlangweiliger Forstautobahn mit herrlichen Pfaden ab. Unten im NSG Schwarzbachtal wächst grüner, gesunder Laubwald, während man die vertrockneten Baumleichen, die nach dem Anstieg auf die 413 m hohe „Nadel“ dominieren - falls sie noch nicht gefällt sind - kaum als Wald bezeichnen kann. Stehendes Totholz ist wohl der Fachbegriff dafür. Nicht gut!
Bei der Mittagspause stelle ich fest, dass die frühlingshaften Temperaturen zwar schön für mich sind, aber nicht für den Scheibenkäse, den ich dabei habe, denn dieser suppt schon im eigenen Fett herum. Zum Glück war die Verpackung dicht. Die Temperatur sollte ich in Zukunft bei der Proviantauswahl also auch noch berücksichtigen.
Der Fernmeldeturm, der den heutigen Ausstieg aus dem E1 markiert und der aufgrund des nicht mehr existenten Waldes weithin sichtbar ist, kommt näher. Da ich prima in der Zeit liege, gönne ich mir den Umweg über den „Klippenweg“ der mich an die Kante eines 15 m hohen Sandsteinabbruchs führt. Dort herrscht Dürre, Dürre und nochmals Dürre. Wie das erst im Sommer wird?
Von hinten ziehen dunkle Wolken heran und ein kühler Wind frischt auf. Obwohl der 138 m hohe Fernmeldeturm nur einen knappen Kilometer entfernt ist, habe ich hier oben, wie schon auf großen Teilen der heutigen Strecke keinerlei Internet. Das ist seltsam, erklärt sich aber dadurch, dass dieser von der Telekom (und nicht Vodafone) betrieben wird.
Über eine schnell befahrene Landstraße erreiche den Bahnhof von Willebadessen. Inzwischen ist es feuchtschwül und drückend, aber immer noch trocken. Noch 2 km bis zum Hotel. Etwa 300 m vor dem Einkaufszentrum mit REWE bläst plötzlich ein Wind den Blütenstaub aus den Hecken und die Blütenblätter die Straße entlang. Die ersten Regentropfen fallen. Ich schnappe mir schnell meinen Schirm und nehme die Beine in die Hand. Beim REWE-Bäcker ist eine überdachte Sitzecke, in die ich mich hineinflüchte - und schon geht ein unglaublicher Wolkenbruch nieder. Das war Timing!
Nach einer halben Stunde ist der Spuk vorbei und ich bin froh, dass mich dieser Regenguss nicht im Wald erwischt hat. Bis ich die Regensachen angehabt hätte, wäre ich schon nass gewesen.
Ich verbringe fast 2 Stunden in dem Café und erledige nebenbei auch noch meine Einkäufe für morgen und schicke etwas per Post nach Hause. Praktischerweise befindet sich alles im gleichen Gebäude und ich habe Zeit, denn das Hotel öffnet ohnehin erst ab 17:00 Uhr.
Auf dem Weg zum Hotel fängt es dann noch mal richtig an zu regnen und ich werde doch noch nass. Mist!
Das Zimmer ist groß und hell und die warme Dusche ist genau das, was ich jetzt brauche. Da ich absolute keine Lust mehr habe, rauszugehen und das Hotel arm an vegetarischen Gerichten ist, esse ich eine Spargelsuppe und dann im Zimmer noch den Rest Brot, den ich dabeihabe.
Fazit fällt heute ins Wasser.
Länge | Auf | Ab |
---|---|---|
23.8 km | 346 Hm | 509 Hm |
Willebadessen, 06.05.2023
Ich habe ausgezeichnet geschlafen, wenngleich mich ein Thema auch in meinen Träumen verfolgt hat. Gestern wurde hier nämlich ein extrem beliebter Mensch namens Dörthe beigesetzt. Sie war eine gesunde, engagierte, intelligente und sehr beliebte Nichtraucherin und wurde von einem Hinterwandinfarkt dahingerafft. Von jetzt auf gleich. Mit 56 Jahren!
Die Besitzerin des „Deutschen Hof“ war gestern schon bei der Begrüßung etwas mitgenommen - und abends an der Theke war dies ein langes Thema. Also: CARPE DIEM!
Als ich wie vereinbart um 7:30 Uhr zum Frühstück erscheine, steht alles bereit. Neben meinen Brötchen liegen auch Plastikbeutel, sodass ich die verbleibenden zwei Scheiben Brot mit Käse belege und mitnehme und mir somit den Einkauf erspare. Ich finde das super! Und da die unverpackten Reste vom Frühstück ohnehin nicht anderweitig verwendet werden können/dürfen, ist das auch eine nachhaltige Lösung.
Um halb neun geht es los. Die Morgenluft ist vom Regen reingewaschen und fühlt sich wunderbar an. Ich schlendere durch die direkt neben dem Hotel liegende Klosteranlage des ehemaligen Benediktinerinnen-Klosters.
Der Weg durch Willebadessen bis zum Waldrand hinauf zieht sich - und doch bin ich froh, nicht hier im Hotel Jägerhof übernachtet zu haben. Das „Deutsche Haus“ war eine gute Wahl.
Zum Glück kann ich mir heute die blöde Fahrstraße zum Fernmeldeturm ersparen und erreiche den E1 auf dem Eggekamm 1 km nördlich des Turms über einen Wanderweg. Obwohl es kühl ist, sorgt die Waschküchenatmosphäre dafür, dass ich schon verschwitzt bin, als ich oben ankomme.
Auf einem gut zu begehenden Weg wandere ich Kilometer um Kilometer vorbei an dem, was einmal ein Nadelwald war und von dem mir jetzt nur noch tote Baumstümpfe traurig entgegenblicken.
In den (leider kurzen) Passagen, in denen sich ein paar Laubbäume Kyrill (und anderen Stürmen) und der Trockenheit widersetzen konnten, oder junge Birken schon herangewachsen sind, herrscht gleich ein ganz anderes Klima und die Vögel zwitschern laut vor sich hin. Wald ist halt etwas ganz Besonderes.
Ich erreiche Hebram-Wald und da ich nur das Nötigste tragen wollte, habe ich für hier Wassernachschub eingeplant. Ungünstigerweise ist das Restaurant „Golfhaus“, welches ich dafür nutzen wollte, geschlossen. Bei der Kapelle „Maria Königin“ gibt es zwar einen Defibrillator, aber kein Wasserhahn und das Restaurant Tannenhof ist eine gerade einstürzende Bruchbude. In Gärten oder auf Terrassen ist niemand zu sehen. Doof. Glücklicherweise höre ich das Geräusch einer Steinkreissäge und gehe dorthin. Es handelt sich um einen Handwerksbetrieb und dort darf ich mich selbst aus dem Wasserhahn bedienen. Ich trinke kräftig, und fülle meine Flasche auf. Der Wasserbedarf für den Rest der Strecke ist also gesichert. Prima!
Nach einem kurzen Stück auf der Straße wandere ich auf breiten Forstwegen durch den Buchenwald. In einer der auf dem Eggeweg zahlreich vorhandenen und stets gut gepflegten Schutzhütten mache ich Mittagspause. In unmittelbarer Nähe befindet sich ein Erdfall. Dabei handelt es sich um eine trichterartige Einsenkung, nachdem ein Hohlraum in der darunter liegenden Muschelkalk-Gesteinsschicht entstanden war.
Als meine Uhr gerade das Erreichen der 20 km Marke signalisiert, komme ich an die Abzweigung zur Burg Iburg. Zweimal 800 m Umweg sollten noch drin sein, denke ich, und mache mich an den Abstieg. Vermutlich aus der Tradition, anrückende Feinde zu verwirren, hat man die Beschilderung dürftig und irreführend gestaltet. Nur dank GPS finde ich die Burg dennoch. Der Ausblick vom Kaiser-Karls-Turm nach Bad Driburg und weit ins Land ist sagenhaft und weil die Sonne gerade so schön hinter den Wolken hervorkommt, gönne ich mir einen Kaffee auf der Terrasse des Burgrestaurants. Der Abstecher war definitiv lohnenswert.
Nachdem ich mich heute Vormittag eher gestresst und auf dem breiten Weg die Kilometer heruntergerissen habe, schlendere ich jetzt ganz entspannt auf immer schöner werdenden Wegen und Pfaden die letzten Kilometer in Richtung Altenbeken.
Schon von Weitem erkenne ich den „Altenbekener Viadukt“, der mit seinen 24 Bögen das Beketal überspannt und damit Europas längste Kalksteinbrücke ist. Der Viadukt wurde bereits in den 1850ern gebaut. Im Zweiten Weltkrieg galt der Viadukt bei den Alliierten als eine der beiden wichtigsten deutschen Brücken und musste nach seiner Zerstörung daher 1950 (in historischer Form) wieder aufgebaut werden.
Am Rehberg-Pass, der heute vielen Motorradfahrern als Treffpunkt dient, vermutlich, weil man hier so toll die Maschinen aufheulen lassen kann, verlasse ich den E1 und wandere nach Altenbeken. Ich passiere die ersten Hauser und plötzlich ist an einer leider zu gut abgesperrten Baustelle Schluss für mich. Ich versuche zwar, die Absperrung zu umgehen, aber es geht nicht. So muss ich tatsächlich umdrehen, den Berg wieder hochlaufen und einen riesigen Umweg hinnehmen. Ein Umleitungsschild für Wanderer wäre vermutlich zu viel Aufwand gewesen. Nach 30 km kann so etwas schon nerven.
Im „Café/Pension Mertens“ checke ich ein und bekomme ein urgemütliches Zimmer. Direkt neben dem Café befindet sich eine Kneipe mit Biergarten, die auch Burger anbietet. Jeder Burger auch vegetarisch. Und dahin gehe ich jetzt sofort und ungeduscht, denn die Wolken am Himmel sind dunkel und ich weiß, dass ich nach dem Duschen den Hintern nicht mehr hochbekomme. Und das war eine sehr, ausgezeichnete Entscheidung. So einen leckeren Burger hatte ich schon ewig nicht mehr - wenn überhaupt.
Fazit: Ziemlich lang und eintönig war’s - morgen wird’s nur ein kleines bisschen weiter.
Länge
Auf
Ab
31.5 km
493 Hm
470 Hm
Altenbeken, 07.05.2023
Um 7 Uhr werde ich von den Kirchenglocken, die zum Gottesdienst rufen, geweckt. Das Bett war weich und doch bequem. Da die Pension direkt über der eigenen Bäckerei/Café liegt, habe ich hohe Erwartungen an das Frühstück. Zu Recht. Ich frühstücke reichlich und nehme auch heute wieder zwei Scheiben Brot mit Käse mit.
Im Frühstücksraum steht nicht nur ein Wanderbuch von Manuel Andrack und einer wandernden Radiomoderatorin – nein, auch Frau Mertens wandert gerne und hat schon Trekkingerfahrung in weit entfernten Ländern vorzuweisen - und doch gefallen ihr Tagestouren in der Umgebung besonders gut.
Um 9 Uhr verlasse ich Altenbeken entlang der durch den Ort fließenden Beke und als ich sehe, wie weit außerhalb des Ortes das vom Rother Führer favorisierte „Haus am Rehberg“ liegt, in dem man mir letzten Herbst eine Buchung aufgrund unklarer Preisentwicklung verwehrte, bin ich froh darum.
Ich erreiche den E1 oben auf dem Eggekamm beim „Schwarzes Kreuz“. Der Himmel ist bedeckt, die Landschaft liegt im Dunst, und es weht ein kühler Wind. Nach einiger Zeit wird der Weg schmaler, links und rechts wachsen Bäume und die Vögel zwitschern. Es kann also doch schön sein, hier oben.
Ich passiere die preußische und lippische Velmerstot, die beiden höchsten Berge des Eggegebirges. Der Ausblick vom Aussichtsturm bei der Preußischen Velmerstot ist wetterbedingt bescheiden - dafür ist es umso windiger und wirklich kalt. Bevor ich erfriere, gehe ich lieber schnell weiter. Der Name Velmerstot bedeutet übrigens, entgegen meiner irrigen Annahme, nicht, dass hier jemand gestorben ist. Der Wortteil Stot bedeutet vielmehr „steiler Hang“. Und der Wortteil Velmer bezieht sich auf die einen Ortsnamen.
Danach wandere ich über wurzelige Wege hinab ins Silberbachtal und dieses entlang. Im oberen Bereich des Tals sieht es aus, als habe ein Riese mit Fichten Mikado gespielt. In mehreren Schichten liegen die Bäume kreuz und quer übereinander, sodass an vielen Stellen der Silberbach zwar zu hören, nicht aber zu sehen ist.
Nachdem ich die Silbermühle passiert habe, kämpfe ich mich nun wieder steil hinauf zu den Externsteinen. Wie der Name klar aussagt, wurden diese von externen Lebensformen aufgestellt, um Wanderer und Touristen zu erfreuen. Die auf Wikipedia verbreitete These, dass der Name entweder von „Egge“ oder vom Vogel „Elster“ herrührt, erscheint mir unlogisch. Wie auch immer – sehenswert ist diese Steinformation allemal. Eine halbe Million Touristen lockt sie jährlich hierher.
Im nahegelegenen Waldhotel Bärenstein trinke ich einen unverschämt teuren Kaffee - hätte ich den Preis vor dem Bestellen gewusst, hätte ich ihn mir verkniffen - und habe daher auch gar keine Hemmungen, mein Käsebrot dazu zu essen.
Frisch gestärkt wandere ich weiter und erreiche noch ein paar Kilometern den kleinen Ort Berlebeck. Da es von hier aus einen Bus nach Detmold gibt, hatte ich mir diesen Ort als „Notausstieg“ der heutigen Etappe notiert. Ich bin froh, dass ich diese Option nicht nutzen muss und weiter wandern kann.
Vorbei an der Adlerwarte, die ich nicht besuchen möchte, geht es noch ein letztes Mal steil den Berg hinauf. Es zieht sich, doch nach einigen Kilometern erreiche ich das Hermannsdenkmal oberhalb von Detmold. Warum der E1 erst einmal eine 3/4-Umrundung macht, bleibt mir schleierhaft. Das Denkmal soll an die Schlacht im Teutoburger Wald erinnern. Diese unglaubliche, mit Sockel über 50 m hohe Statue ist die höchste Deutschlands und war sogar die höchste Statue der westlichen Welt, bevor sie 1886 von der Freiheitsstatue (bei der es sich meines Wissens jedoch nicht um eine Vollplastik handelt) abgelöst wurde.
Als ich weiter möchte, irre ich wegen einer Weg-Umleitung etwas umher und treffe auf zwei „Detmolder Mädels“, die vielleicht im Alter meiner Tochter sind und die mir weiterhelfen möchten. Obwohl sie einen anderen Weg wählen, treffe ich lustigerweise später erneut auf sie und wir gehen ein Stück gemeinsam und unterhalten uns nett. Sie hatten heute mal wieder Lust, „ihren Herrmann“, der hier auch gerne mal „Statue of Lipperty“ genannt wird, zu besuchen.
Der Weg in die Stadt gestaltet sich angenehmer als erwartet, denn ab dem alten Bauwerk „Obere Mühle“ geht es parkähnlich entlang des Kanals und der Berlebeke bis in die historische Altstadt. Viele Menschen tummeln sich auf den Straßen und in den Biergärten - es ist ja auch tolles Wetter. Und Sonntag
Mein Apartment liegt sehr zentral und ich checke mich selbst mittels Schlüsseltresor ein. Detmold scheint ein schönes Städtchen zu sein. Ich freue mich auf den morgigen Ruhetag hier.
Länge
Auf
Ab
33.7 km
745 Hm
848 Hm