Hamburg, 28.05.2023

Wie heißt eigentlich das Gegenteil von ausgeschlafen? Das bin ich nämlich. Der gemischte 8-er Schlafsaal war nämlich doch bis aufs vorletzte Bett gefüllt. Allerdings ungemischt. Olfaktorisch ähnlich eines Pumageheges. Positiv war, dass alle sehr rücksichtsvoll waren, auch der zuletzt um 2:30 eintreffende Schlafgast. Dennoch waren Musik und Geräusch von draußen, Bettgewälze und Körpergeräusche drinnen sowie die Lichtwechsel der diversen noch lange verwendeten Smartphones genug, um mich um den Schlaf zu bringen. Außerdem hatte ich Mühe, bei all den unbekannten Menschen zu entspannen. Morgens um 6 Uhr war es dann schön leise. Und dann stehe ich auf, mache mich fertig und ziehe mich leise an und schon geht es los.

Da die Schmutzfinken jetzt im Bett liegen, können die Vögel ungestört von den Bäumen pfeifen, die Flaschensammler das ganze Leergut aufsammeln und die Stadtreinigung eine Unmenge an Dreck wegräumen. Was bedeutet noch mal Zivilisation?
Ist das die gleiche Generation, die politisch und ethisch korrekt bis zum äußersten sein möchte, es aber nicht schafft, ihren eigenen Dreck wegzuräumen? Es kotzt mich sowas von an, wenn ich das sehe. Sorry, aber das musste raus.

Ich nutze die Gunst der frühen Stunde, um mal wieder einen Blick in den alten Elbtunnel zu werfen, bevor es dort vor Touris wimmelt. Immer wieder beeindruckend!

Den Fischmarkt zu finden, ist nicht besonders schwer. Einfach dahin gehen, woher die Menschen mit den großen Körben und Taschen kommen. Und zudem führt ja auch der E1 dorthin.
Da ich mein Gepäck reduziert habe, ist jetzt im Rucksack Platz für eine große Palme vom holländischen Blumenkönig, damit ich immer Schatten habe. In jeder Hand kann ich einen Korb mit Obst von Bananen-Fred tragen, damit mir die Vitamine nicht ausgehen.
Natürlich nicht! Also esse ich ein sehr leckeres Brötchen, sauge ich die besondere Atmosphäre ganz tief ein und nehme sie zusammen mit ein paar Fotos mit auf den Weg. Als ich um 8:00 Uhr wieder bei der Jugendherberge ankomme, haben sich Schleierwolken vor die Sonne gezogen und die herrliche Morgenstimmung ist passé. Das frühe Aufstehen hat sich sehr gelohnt.

Es ist unglaublich, wie schnell ich in der Jugendherberge Kontakt finde. Nicht nur, dass ich schon mit der Hälfte meines Zimmers gequatscht habe. Nein, auch mit ein paar Leuten aus einer größeren, gemischten Gruppe in meinem Alter habe ich mich gestern unterhalten und wurde heute beim Frühstück an ihren Tisch eingeladen. Bisher drohe ich hier nicht komplett zu vereinsamen.

Ich packe meinen Rucksack und fahre mit Öffis nach Billstedt. Inzwischen weiß ich ja, wie das geht.
Es ist herrliches Wanderwetter. Nach kurzer Zeit ertappe ich mich, wie ich singend durch die Grünanlage wandere, die mich vergessen lässt, dass ich eigentlich in der Stadt bin.

Die hübsche Steinbeker Kirche würde ich gerne von innen ansehen, jedoch findet gerade ein Pfingst-Gottesdienst statt. Dann gibt es halt nur einen großen Schluck aus dem Friedhofsbrunnen. Ich muss heute unbedingt mehr trinken. Im urbanen Bereich ist weniger sie Versorgung, als die Entsorgung ein Thema. Den ganzen heutigen Tag werde ich keiner Toilette begegnen.

Weiter wandere ich auf einem Radweg entlang der Deponie Havighorster Forst. Sieht eigentlich schön aus, ist aber eine Altlast meiner Elterngeneration, die mit Millionenbeträgen gesichert werden musste, damit die in den 1970ern abgelagerten Gifte nicht ins Grundwasser sickern.

Das Erlebnis des Tages ist nicht die Schafherde, auf die ich kurz danach stoße, denn Schafe habe ich schon oft gesehen, sondern das sehr lange Gespräch mit dem dazugehörigen irischen Schäfer, der dieser Berufung bereits in dritter Generation nachgeht. Nun verstehe ich viel besser, wie und wovon ein Schäfer lebt. Und vieles mehr.

Im Naturschutzgebiet Boberger Düne gefällt es mir hervorragend. Die Ruhe wird nur selten durch das überraschend laute Hinaufziehen einiger Segelflugzeuge gestört. Die Heidelandschaft gibt mir einen kleinen Eindruck dessen, was ich in der Lüneburger Heide verpasst habe.
Hier spüre ich, wie ich wieder auf dem Weg ankomme - und im Moment bin. Das tut gut.

An einem wunderschön gelegenen Platz mache ich es mir unter drei Birken bequem. Glücklicherweise habe ich den Rucksack und damit auch die papierdünne, reißfeste und wasserdichte Unterlage für mein Zelt dabei. Darauf verbringe ich die nächste Stunde im Halbschatten, esse mein mitgebrachtes Brötchen und Gemüse und döse ein wenig vor mich hin.

Nachdem ich von der Hammer Landstraße und der Hammer Kirche eher enttäuscht war, habe ich keine allzu großen Erwartungen an den Hammer Wanderweg. Es stellt sich heraus, dass es sich dabei eher um einen breiteren Waldpfad handelt, der mich schattig, unbefestigt, also wirklich hammer schön in das Wohngebiet führt, in dem die heutige Tour an der Bushaltestelle Höperfeld endet.

Fast 11 km waren es und mir geht es viel besser, als gestern. Also buche ich mich für heute Nacht auf eine Nachtwächter-Tour über den Kiez ein.
Da mein Zimmer überwiegend von Metallica-Fans bewohnt wird, die wegen des zweitägigen Konzerts im Volksparkstadion in Hamburg sind, muss ich gar nicht versuchen, früh schlafen zu gehen.

Über die S-Bahn-Haltestelle Bergedorf und den Hauptbahnhof fahre ich zur Jugendherberge. Da mir die S-Bahn in Bergedorf direkt vor der Nase wegfährt, recherchiere ich aus gegebenem Anlass, ob diese Leggings, die das Gesäß so extrem betonen und mir neuerdings öfter auffallen, einfach zu klein sind, oder ein neuer Modetrend. „TikTok“ oder „Scrunch Butt“ Leggings ist wohl das Zauberwort für diejenigen, die vom Gesicht ablenken wollen. Ich hoffe, dass diese Mode so schnell wieder verschwindet, wie sie gekommen ist.

Ich dusche, wasche Wäsche und genieße die Zeit auf der Terrasse der Jugendherberge. Die Zeit bis zum Essen verfliegt dank des Gesprächs mit einer jungen, angehenden Lehrerin. Neuer Tag - neuer Kontakt. Hätte ich nicht gedacht. Und ist schön.
Sie geht ins Musical - ich schreibe diesen Bericht und lese, bis später die Nachtwächter-Führung über den Kiez beginnt.

Fazit: Schön war der Tag. Komme ich tatsächlich wieder in Schwung?

Länge Auf Ab
10.8 km 58 Hm 47 Hm

 


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