Detmold, 09.05.2023
Es ist schon interessant, was so ein Ruhetag mit mir macht. Gestern früh wollte der Kopf aufstehen und weiterwandern, heute möchte er liegen bleiben. Den Beinen und Füßen hat der Ruhetag auf jeden Fall gutgetan.
Da es die letzten Tage immer Brötchen zum Frühstück gab, habe ich mir für heute Müsli besorgt und freue mich darüber, dieses im Zimmer essen zu können.
Etwa um halb neun verlasse ich das Apartment und bald darauf die größte Stadt des Landkreises Lippe. Detmold hat immerhin 75.000 Einwohner.
Noch vor ein paar Tagen war für heute heftiger Regen vorhergesagt, jetzt scheint die Sonne vom leicht bedeckten Himmel und es ist trocken. Ich bin bestimmt der Letzte, der sich darüber beklagt!
Der tadellos markierte Weg führt durch Industriegelände, Wohngebiete mit „Vorgärten des Grauens“, in die sich bestimmt nie ein Insekt verirrt, tangiert glücklicherweise auch schöne Blumengärten und führt mich somit stadtauswärts. Gerade jetzt, wo die Wegführung viele Abzweigung mit sich bringt, bin ich besonders froh um meine tolle Fenix 7 (unbezahlte Werbung), die mir mit ihrer Kartenanzeige dabei hilft, nicht vom rechten Weg abzukommen. (Danke auch an meine Kolleginnen, die mir mittels ihrer Erfahrungsberichte geholfen haben, mein Handgelenk aus dem Apple Universum zu befreien.)
Über Feld- und Waldwege erreiche ich Loßbruch und kann schon das in 10 km liegende Lemgo und den dahinterliegenden Hügel, den ich heute Nachmittag erwandern darf, erkennen.
Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich schon über eine Woche unterwegs bin, oder an der gemäßigteren Lage, jedenfalls stehen hier die Rapsfelder bereits in goldener Blüte. Natürlich auch die Obstbäume und für mich auffallend, besonders Birke und Kastanie.
Weniger angenehm ist es, dass der E1 die Rückseite des Berndruper Kalksteinbruchs passiert und es hier unglaublich nach Teer stinkt. Keine Ahnung, wieso.
Von einem schönen Aussichtspunkt aus beobachte ich für einige Zeit das Treiben der riesigen Maschinen in Steinbruch. Mein neuer Traumjob? Eher nicht. Auch wenn der Bagger (DEMAG H135S) beachtliche 140t schwer ist, über mehr als 750 PS verfügt und mit nur 2 1/2 Schaufeln einen dieser riesigen Lkw füllt. Meine Traumwelt sieht anders aus.
Weiter wandere ich durch zwei Gehöfte hindurch, die gleichzeitig gepflegt und doch verlassen wirken und finde mich bald danach auf einem Wirtschaftsweg neben einer viel befahrenen Schnellstraße. Jetzt noch ein letzter „Berg“ und schon liegt mir Lemgo, konkret der Stadtteil Brake, zu Füßen.
Mitten durch das Schloss Brake und vorbei an der aus Ingenieursgesichtspunkten interessanten Ölmühle, führt mich der Weg entlang der Bega Richtung Stadtzentrum. Der E1 möchte das unmittelbare Zentrum über die Wallanlagen umgehen, doch ich bin anderer Meinung und so trennen sich unsere Wege für ein kurzes Stück.
Hier in Lemgo könnte das Ziel meiner heutigen Etappe sein, jedoch wollte ich wegen des vorhergesagten Regens unbedingt ein festes Dach über dem Kopf haben und habe daher noch etwa 15 km vor mir. Noch ist es trocken, heute Abend und besonders in der zweiten Nachthälfte soll es jedoch heftig regnen. Mal schauen.
Den Eingang der beeindruckenden Nikolai-Kirche zu finden, gestaltet sich schwierig, da sie von einer Baustelle umgeben ist. Die Mühe lohnt sich aber definitiv. Selbst mich beeindruckt ihre Innenausstattung (heißt das so?). Besonders die unglaublich künstlerisch aufwendig gestalteten Epitaphien aus hellem Sandstein haben es mir angetan.
Ich verlasse Lemgo und wandere durch den Staff Landschaftspark hinauf zum Windelstein (347 m) - nicht zu verwechseln mit dem ähnlich klingenden, 1500 m höheren Wendelstein in den bayerischen Alpen.
Und auch wenn es nicht nach viel klingt, können 250 m Höhenunterschied überaus schweißtreibend sein. Von der Vegetation her dominiert hier oben, leider auch wieder auch stehendes Fichten-Totholz.
Nach einer Pause in der Hütte auf dem höchsten Punkt wandere ich nun durch allerschönsten Buchenwald hinunter Richtung Hillentrup. Hier zwitschern die Vögel und die Natur scheint in Ordnung zu sein. Dies ist das schönste Wegstück des heutigen Tages und ich genieße es sehr.
Ich erreiche Hillentrup und die Bauernhof-Pension Waldmühle, in der ich gerne übernachtet hätte, die so kurzfristig aber ausgebucht war, und bin, schwups, schon wieder aus dem Ort hinausgewandert. Sehr groß ist er ja nicht.
In der Waldmühle scheint eine große Gruppe mit vielen Kindern zu sein, von denen einige mit Ponys auf dem Weg vor mir geführt werden. Da sie sehr diszipliniert auf einer Seite des Weges gehen, kann ich sie gut überholen.
Jetzt ist es nicht mehr weit und doch geht es auf schmalen Weg noch einmal kräftig rauf und runter. Dann stehe ich vor einem gepflügten Feld und finde nur dank GPS das letzte Stück zum Sonnenhof in Schwelentrup. Dort werde ich von einem dackelähnlichen Hund gar nicht so freundlich bellend begrüßt. Der Hund ist zwar nicht sehr groß, aber ich möchte auch nicht in die Wade gebissen, werden. Immerhin bin ich dadurch angekündigt.
Ich werde begrüßt und bekomme meine Zimmernummer genannt. Wir klären die Frühstückszeit und ich gehe in das Zimmer. Die Möbel waren früher mal „in“ - luxuriös war es hier jedoch noch nie. Und das hatte ich auch nicht erwartet. Gerade im Bad hätte ich es mir etwas sauberer gewünscht, werde es aber überstehen. Immerhin habe ich hier ein Bad! Und teuer ist es beileibe nicht.
Als ich erneut nach unten gehe, um nach dem WLAN-Passwort zu fragen, treffe ich auf einen Gast. Er macht hier zwei Wochen Urlaub. Ich versuche eine Konversation, aber mehr als zwei Sätze fallen schwer.
Glücklicherweise hört uns Frau Pieper und kommt auch raus und meint dann in einem Nebensatz, sie habe Kartoffeln und ’ne Frikadelle und ich könne mitessen. Ich lehne dankend ab und meine, ich habe noch etwas Brot dabei, was ja auch stimmt, denn ich hatte mich tatsächlich darauf vorbereitet, hier nichts Essen zu bekommen. Im Nachhinein ärgere ich mich, denn ein gemeinsames Abendessen (auch ohne Frikadelle) wäre eine Übung im „Komfortzone verlassen“ gewesen. Leider war ich auf die Frage nicht vorbereitet gewesen. Und dann liegt (mir) das „Nein“ näher als das „Ja“. Insgesamt war es auch schon blöd von mir, überhaupt etwas zu Essen mitzunehmen, aber mir war nicht bewusst, wie sehr dies hier ein Bauernhof ist (Google half in dem Fall wenig). Denn hier auf dem Hof lässt man niemanden verhungern! Das kann in einer Pension/Hotel mit Ruhetag passieren, aber hier nicht!
Fun Fact: Das Passwort für das WLAN lautet: WildsauElsa
Passt hervorragend, denn das WLAN ist auch sau langsam (5 MBit/s). Über die WLAN-Passwörter dieser Tour und die Gedanken dazu könnte man vermutlich einen eignen Blog schreiben.
Fazit: Einiges über mich gelernt und Potenzial liegengelassen. Und doch ein guter Tag!
Länge
Auf
Ab
30.2 km
663 Hm
575 Hm