Obermarsberg, 04.05.2023

Um 4:45 Uhr wache ich auf und sehe am Horizont den roten Streifen, mit dem der neue Tag anbricht. So schön …
… dass ich mich jetzt noch mal umdrehen kann und mich noch eine Runde in das ausreichend lange, bequeme Bett kuschle.
Zum Frühstück gibt es neben Brötchen, Ei und Käse auch noch eine Tomate und ein großes Stück Gurke für mich. Das hatte ich mir insgeheim gewünscht. Dazu gibt es eine Kanne Kaffee, der Tote wieder erwecken könnte.
Wie ich so ganz alleine im kühlen Gastraum sitze und frühstücke, denke ich sehnsüchtig an das Casa Milix, der bisher einzigen Unterkunft, in der beim Frühstück entspannte Hintergrundmusik und nicht hr4 lief. Das war schön!
Weil ich weiß, dass außer mir nur noch ein paar Wanderer hier übernachtet haben, habe ich ausnahmsweise mein Zimmer nicht abgeschlossen - und so unterläuft mir beim Rückweg ins Zimmer ein kleiner Fauxpas. Ich stehe plötzlich im falschen Zimmer, in dem das Paar noch im Bett liegt und mich ebenso überrascht ansieht, wie ich sie. Ups!

Nach einem sehr netten Gespräch mit dem Ehepaar, das die Türverwechslung offensichtlich nicht übelnimmt und die den E1 in südlicher Richtung begehen, mache ich eine Erkundungstour durch den historischen Ort und beginne mit der Nikolaikirche, bei der es sich angeblich um eine „Perle der Frühgotik“ handelt. Mir gefallen ihre bunten Glasfenster extrem gut.
Weiter geht es zum Rathaus mit Pranger (Schandpfahl) - angeblich den Symbolen des „freien und stolzen Bürgertums“. Ja, so war das damals in der guten, alten Zeit.
Weiter geht es durch den Benediktus-Bogen zur bedeutenden Stiftskirche und dann zum Buttenturm. Nachdem ich mich durch den engen und niedrigen Eingang des Turms gequetscht habe, genieße ich die Aussicht über Niedermarsberg, das unten im Diemeltal liegt und wohin ich nun vorbei an den Drakenhöhlen hinab wandere.
Mein nächstes Ziel ist der DHL Paketshop, denn ich habe beschlossen mein Zelt ein paar Tage vorauszuschicken. Vielleicht hilft das ja meinen Füßen.
In manchen Dingen mag ich ja anderer Ansicht sein als Christine Thürmer, aber eine gut geplante Wege-Logistik ist wirklich das A und O für ein entspanntes Wandern.

Der DHL Shop befindet sich in einem Blumenladen. Die super freundliche Verkäuferin findet einen alten Blumenkarton für mich, spendiert mir auch das Paketband und schon kann das Paket auf die Reise gehen. Drei Kilo klingt nicht nach viel, aber wenn ich mir diese für die nächsten 225 km ersparen kann, empfinde ich die Investition in das Paketporto als sehr sinnvoll. Zudem klang der Betreiber der Ferienwohnung in Bad Nenndorf nett und zuverlässig, sodass ich mir keine Sorgen machen sollte. Sicherheitshalber habe ich das Paket auf 2500 € versichert, sodass ich im Fall, dass DHL mein Paket verliert, zumindest kein finanzielles Problem habe. Und vielleicht wird so noch etwas besser darauf aufgepasst.

Nachdem ich die schöne Fußgängerzone und die anderen Highlights von Niedermarsberg besichtigt habe, besorge ich mir bei LIDL Proviant für morgen und esse eine Kleinigkeit zu Mittag. Ich genieße es, vor dem Dönerladen in der Sonne zu sitzen, einen hübsch rosa blühenden Baum anzuschauen und einfach die Sonne und das herrliche Frühlingswetter zu genießen.
Und dann wird es Zeit, endlich mit dem Wandern zu beginnen.

Der Niedermarsberg beginnende und auf 72 km bis zu den Externsteinen führende Eggeweg führt mich bergauf nach Essentho. In vielen Gärten blüht es bunt - und zwar auffällig viele Tulpen.

An einer mit dem Auto erreichbaren Wanderhütte sitzt eine 90-jährige Frau mit ihrer polnischen „Betreuerin“, trinkt Kaffee, spendiert Schokokekse und bittet jeden, der auf dem Eggeweg vorbeikommt, sich in das Gästebuch einzutragen. Drei Wanderinnen kommen gerade aus der Gegenrichtung an und werden heute in Niedermarsberg den Eggeweg beenden. Ich unterhalte mich zuerst ein wenig mit Ihnen und danach mit der älteren Frau. Sie erzählt aus ihrem Leben und möchte natürlich wissen, was ich hier so tue. Nachdem ich ihr das dritte Mal erklärt habe, woher ich komme und wohin ich gehe, muss ich doch mal weitergehen. Eine nette Begegnung war’s allemal. Ob ich in 40 Jahren wohl auch noch draußen sitzen und mich mit Wanderern unterhalten kann?

Der nächste Ort, Oesdorf, wäre für mich ein beliebiges, kleines, ödes Dorf mit hübscher Kirche, wäre ich nicht auf eine super nette, junge Familie mit zwei Kindern gestoßen, die vom Wandern begeistert ist und auch ihre Kinder zum Wandern begeistern kann. Die Eltern haben noch große Fernwander-Pläne und schon nach dem relativ kurzen Gespräch habe ich das Gefühl, dass sie diese auch umsetzen werden. Das ist so schön - und ich wünsche ihnen alles Gute dabei.

Der restliche Weg bis zum „Haus Dewenter“ in Blankenrode läuft sich fast von selbst. Endlich ist der Weg mal nicht geteert und so störe ich mich nicht einmal am Lärm der A44, die ich kurz vor Blankenrode überqueren muss.

In der Unterkunft werde ich mit niederländischem Charme empfangen. Das helle Zimmer begeistert durch ein Bett mit offenem Fußende und einer Dusche mit warmem Wasser in einem angenehmen Strahl. Dennoch frage ich mich, ob Unterkunftsbetreiber jemals selbst auswärts übernachten und sich eventuell Gedanken machen, was ihre Gäste benötigen oder wünsche. Vielleicht sollte ich mal einen „Unterkunftscheck aus Wandererperspektive“ anbieten und Ratschläge erteilen. Ist das vielleicht noch eine Marktlücke?
Folgende Gedanken mache ich mir:
-Ist es wirklich so abwegig, dass man abends noch im Bett sitzen möchte? Sollte man deshalb wirklich ein Bild so aufhängen, dass man sich auf dem Bett sitzend nicht mehr an die Wand lehnen kann?
-Ist es tatsächlich so ungewöhnlich, dass Wanderer etwas zum Trocknen aufhängen wollen? Zwei leere Haken an der Wand würden nicht die Welt kosten und auch nicht schlecht aussehen. Wer sie benötigt, bringt seine Schnur ohnehin selbst mit.
-Ist es wirklich sinnvoll, auf das Handwaschbecken einen stylishen Seifenspender aus Porzellan zu stellen, aber für die Dusche 10 ml Päckchen Shampoo zum Aufreißen und ein Seifenstückchen zur Verfügung zu stellen, wo es in der Dusche noch nicht einmal eine Seifenablage gibt? Wie passt das zusammen? Dann doch lieber gleich die Billigseife im Plastikspender, dann kann schon nichts kaputtgehen.
-Und wenn nur eine Steckdose am Kopfende des Betts existiert, wäre dann ein Mehrfachstecker zu viel verlangt, damit man sich nicht zwischen Handy aufladen und Nachttischlampe entscheiden muss?

Das kostet doch fast nichts. Es ist einfach so hirnlos!
Von den optischen Mängeln aufgrund handwerklicher Unfähigkeit will ich gar nicht sprechen.

Heute ist übrigens Jubiläumstag. Mit der heutigen Etappe habe ich die 1000 km – Marke auf dem E1 überschritten! Juppieh!

Nachdem ich vom Inhaber im Restaurant mit „Lekker geduscht?“ begrüßt werde, beschließe ich, dieses Jubiläum mit holländischen „Pommes Spezial“ und einem Käsesalat zu feiern. Der Käsesalat ist lecker und viel zu klein - die Pommes sind richtig, richtig gut.
Außer einer niederländischen Familie und einem später eintreffendem Skattisch ist das Restaurant leer - wirklich rechnen kann sich der heutige Abend nicht. Zum Glück ist nicht mein Problem.

Fazit: Prima Wetter, nette Begegnungen und ausnahmsweise mal nicht völlig ausgepowert. Weiter so!

Länge Auf Ab
19.3 km 363 Hm 352 Hm

 

 


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