Harkhof, 09.07.2023
Da die Rollläden im Zimmer wegen der Sonne halb geschlossen waren, wache ich erst um halb 8 Uhr auf. Das tut auch mal gut.
Beim Frühstück lerne ich jemanden kennen, der aus Rhein-Main bis zur Loire-Mündung in Frankreich wandern möchte. Und das quasi ärztlich verordnet. Auch wenn der Sympathie-Funke länger braucht, um überzuspringen, erfahre ich einiges über ihn, bekomme ich eine Buchempfehlung zum Schlafen in der Hängematte und lerne einiges zum Übernachten im Freien.
Wenn man den Harkhof bei heißem Sommerwetter in der kleinen Mulde auf 700 m Höhe mit bestem Blick ins Rheintal, aber weit ab vom Schuss, liegen sieht, geht ganz schnell vergessen, wie unglaublich hart das Leben auf dem Hof früher gewesen sein muss. Den Hof gibt es seit 1749. Was hat die Menschen dazu gebracht, einen Hof hierhin zu bauen? Die schöne Aussicht bestimmt nicht. Die Berghänge und Wiesen sind steil, die Schwarzwald-Winter lang und hart.
Könnten wir in der Zeit reisen, wäre uns das Leben vor einigen hundert Jahren auf dem Harkhof vermutlich ähnlich fremd wie in Haithabu.
Mir steht wieder ein heißer Tag bevor (36° laut Vorhersage) und ich merke eine gewisse Erschöpfung, sodass ich mir heute jeden zusätzlichen Abstecher sparen werde.
Falls diese Hitze anhält, werde ich mir für die kommende, anstrengende Etappe etwas einfallen lassen müssen und vermutlich mit Sonnenaufgang starten.
Mal auf breiten, mal auf schmalen Wegen geht es auf und ab. Der Schweiß rinnt von Stirn und Armen. Ein großes Himbeergestrüpp offeriert Früchte in allen Reifegraden und wird von Vögeln ebenso begeistert wie von mir angenommen.
Es ist unglaublich heiß, denn der Schatten macht sich rar. Heute weiß der Weg, was ich brauche. Etwa 10 Minuten nachdem mir zwei Radfahrer in flottem Tempo bergab entgegengekommen sind, liegt eine Flasche isotonisches Sport-Getränk auf dem Weg. Bei der Affenhitze kann ich diese „Umweltverschmutzung“ nicht einfach ignorieren. Die Flasche ist noch einigermaßen kühl, das Siegel ungeöffnet. Ich schätze die Wahrscheinlichkeit, dass jemand Wanderer vergiften möchte, geringer ein als eine fehlerhafte Trinkflaschen-Befestigung und obwohl der Süßstoff einen blöden Nachgeschmack hinterlässt, tut mir diese Erfrischung richtig gut. Und außerdem liegt jetzt eine Flasche weniger im Wald.
Bald darauf erreiche ich die Hütte am Hohenlochen. Die Hütte ist von Freiwilligen bewirtschaftet und es gibt Kaffee und Kuchen, Kaffee und Quellwasser gegen Spende. Mehr wollen oder dürfen sie nicht anbieten, um dem unweit liegenden Kapellehof nicht noch mehr Konkurrenz zu machen. Der Kaffee und Kuchen tut gut, ebenso das längere Gespräch mit einer die Hütte bewirtschaftenden Frauen. Wir sinnieren auch über das Leben auf dem Harkhof vor langer Zeit und ich lerne eine neue Bauernregel, die hohe Bedeutung von Vieh betont. (Leider schon wieder vergessen …)
Und wieder bin ich geplättet, wie exakt ich aufgrund meines Dialekts einsortiert werde. Jetzt nur noch am Brunnen eine Flasche mit dem kühlen Quellwasser füllen und schon beginne ich den Abstieg nach Hausach.
In jeder Beziehung frisch gestärkt wandere ich auf einem schmalen, schattigen Wurzelweg bergab. Es könnte schöner nicht mehr sein.
Unter anderem, weil ich gerade auf Empfehlung einer befreundeten Kollegin das Buch „Die Mitternachtsbibliothek“ gelesen habe, denke ich viel über mein „altes Leben“ und die Zukunft nach. Wie auch immer sie aussehen mag - ich freue mich darauf!
Und plötzlich habe ich ganz viele Fragen. Warum muss es nun noch mal so steil hochgehen, obwohl ich dachte, dass ich nur noch nach Hausach absteigen soll? Bleibt mir auf dem Spitzkopf die Spucke weg wegen der Hitze oder eher wegen der berauschenden Aussicht nach Hausach und ins Kinzigtal? Habe ich schon einen Sonnenstich oder doch nur einen Schatten? Keine Antworten auf so viele Fragen …
Der Abstieg vom Spitzkopf nach Hausach ist unglaublich steil und verläuft rutschig auf schmalen Schotterpfaden. Wenn es oben schon heiß war, weiß ich nicht, wie ich das letzte Stück in Hausach beschreiben soll. Die Sonne brennt vom Himmel, die aufgeheizte Straße strahlt nach oben. So muss sich ein Steak auf dem Grill anfühlen. Bei Garstufe „medium“ ist das Hotel „Zur Eiche“ erreicht und ich denke mir: Geschafft! Well done!
Im gut gefüllten Biergarten ist noch ein Plätzchen für mich frei und ich gönne mir ein Abendessen vor Ort.
Morgen ist Ruhetag!
Länge | Auf | Ab |
---|---|---|
16 km | 276 Hm | 715 Hm |