Niedersfeld, 02.05.2023

Ich habe trotz des bequemen Betts nur mittelprächtig geschlafen und der Blick aus dem Fenster zeigt das Tal in feuchtem, dunstigem Grau. Angeblich wird es heute bei Dauer-Niesel nicht wärmer als 8 °C. Am liebsten würde ich einfach im warmen Bett liegen bleiben. 

Glücklicherweise stehe ich doch auf, denn das Frühstück ist unglaublich vielseitig und gut. Frisches Gemüse, ein paar Trauben und vegane Wurst, Käse und Ei verspeise ich mit frischen Brötchen, während ich gleichzeitig beobachte, dass draußen ein leichter Landregen einsetzt. Prima – dann kann ich die Regensachen schon gleich im Zimmer anziehen. Im Frühstück ist auch ein angenehmes Gespräch mit einem der beiden Inhaber inbegriffen und so ist es kurz nach 9 Uhr, als ich dieses uneingeschränkt empfehlenswerte B&B verlasse.

Die schiefergrauen Häuser von Niedersfeld passen hervorragend zum tristen, grauen Himmel. Dann erfreue ich mich halt an den blühenden Forsythien und ein paar bunten Blümchen, die am Ufer das rauschenden Bernbachs wachsen. Da heute mein erster Urlaubstag ist, denke ich daran, was ich sonst gerade machen würde. Trockener und wärmer wäre es im Büro auf jeden Fall – und unterhaltsamer ganz bestimmt auch!
Ich wandere auf einem steinigen, wurzeligen Hohlweg bergan. Die Baumwipfel verstecken sich in einem dunstigen Schleier. Das regennasse Moos leuchtet mir hellgrün entgegen. Einige Vögel zwitschern leise. Kein Mensch weit und breit. Nur ich. Ich atme die Stille ganz tief ein. Sie schenkt mir Ruhe und Kraft.

Die „Hochheide“ und der wenig später folgende Clemensberg (825 m) markieren den höchsten Punkt des heutigen Tages. Bei Sonnenschein muss es hier unglaublich schön sein. Ich bin jedoch froh, dass es nicht noch windiger ist und meine Regensachen das meiste abhalten. Es ist auch so schon sehr ungemütlich und kalt! Ich treffe drei Niederländer*innen mit Hund und frage mich, wieso hier so viele Niederländer Urlaub machen. Bereits gestern waren mir niederländische Hinweisschilder aufgefallen.

„Am Streit“ befindet sich eine geräumige Schutzhütte und gedenkt der blutigen Schlacht im 17. Jahrhundert. Es ging damals um Rohstoffe – und zwar um Holz, welches dringend benötigt wurde. Andere Zeiten, andere Rohstoffe, andere Auseinandersetzungen.
Friedlich verlasse ich hier NRW und wandere weiter in den hessischen Wintersportort Willingen. Vorbei am leer laufenden Sessellift, der darauf wartet, Menschen und ihr Mountainbikes hoch in den Nebel zu befördern, erreiche ich bei Regen die Landbäckerei Sommer, die sich im Eingangsbereich des örtlichen REWE befindet. Eine Pause in der Wärme ist auch dringend nötig, denn einerseits fallen mir meine eiskalten, krebsroten Finger fast ab und dadurch ist meine Motivation ähnlich weit vom Nullpunkt entfernt wie die Temperatur. Es ist einfach nur kalt, nass und eklig.

Nach zwei Portionen „Sommer in der Tasse“ und etwas zu Essen und wieder aufgewärmt gehe ich weiter.
Der Nachmittag gestaltet sich ereignisarm, denn ich wandere unter Berührung zweier beliebiger Ortschaften in mehr oder weniger starkem Riesenregen und ein paar Regenpausen einfach so vor mich hin und lasse meinen Gedanken freien Lauf. Die Aussicht auf eine feste Unterkunft mit Bett und warmer Dusche, die auf mich wartet, spornt mich an. Ich mag gar nicht daran denken, wie es wäre, jetzt im Wald übernachten zu müssen. Brrrr.
Im letzten Anstieg kurz vor Schweinsbühl erfreue ich mich an zwei Gänsen mit ihren vier jungen, gelbgrauen Küken, sowie an einer uralten, bilderbuchhaften Eiche.

Im Gasthaus Döbelt in Schweinsbühl werde ich erwartet und zu meinem Zimmer gebracht. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, vermutlich irgendwann in den 70ern. Krass gemusterte Tapeten werden vielleicht mal wieder modern – das Badezimmer so eher nicht.
Allerdings bin ich heute so K.O., dass ich mich vor dem Duschen erst einmal ausruhen muss. Da kann die Tapete aussehen, wie sie will. Ich bin wirklich überrascht, dass mich das Wandern so schlaucht und mir die Füße jeden Tag so wehtun, denn zu Hause mache ich ja manchmal deutlich weitere Touren, allerdings ohne schweren Rucksack. Ich hoffe, das gibt sich mit der Zeit noch. 

Heute esse ich im Gasthaus, nicht zuletzt, weil dies alternativlos ist. Da die Karte mit fünf Gerichten doch eher überschaubar ist, brauche ich nicht lange, um festzustellen, dass es keine vegetarische Option gibt. Als ich danach frage, bekomme ich einen Gemüsebratling mit Kroketten und Salat. Der große Vorteil von Convenience-Produkten ist, dass man wenig falsch machen kann und es doch schmeckt. Herr Döbelt erzählt, dass sie vielfach Vegetarier als Gäste haben und manchmal „sogar Veganer“. Warum das Gericht dann nicht auf der Karte steht, erschließt sich mir nicht. 
Heute Nacht werde ich vermutlich erholsam schlafen können, denn ich habe definitiv nicht zu viel gegessen.

Fazit: Kälte und Regen drücken auf die Stimmung – doch die Sonne hat sich nur ausgeruht, damit sie morgen umso mehr scheinen kann.

Länge Auf Ab
27.1 km 594 Hm 635 Hm