Preetz, 13.06.2023

Der Start in den Tag ist etwas merkwürdig. Ich habe ausgeschlafen, das Bett ist bequem und auch unter dem Dach war die Temperatur angenehm. Im Haus ist es still. Aufstehen, oder noch einen Moment liegen bleiben? Da ich gestern entgegen dem Plan doch ganz bis nach Preetz gewandert bin, habe ich keine Zeitvorgabe, weder durch Frühstückszeiten noch durch Busfahrpläne.

Ich habe mir vorgenommen, im Zimmer zu frühstücken, denn es gibt sogar eine Kaffeemaschine, die mit bei der Zimmerübergabe angepriesen wurde und Kaffeepulver. Leider keine Filtertüte. Ich suche und suche - nichts. Was tun? Die rumänische Aufbrüh-Variante scheidet aus. Mitgebrachten Instant-Kaffee verwenden?
In meinem Stockwerk befinden sich noch zwei Zimmer, die unbewohnt sind und bei denen der Schlüssel steckt und in denen sicher die gleiche Kaffeemaschine steht.
Was würden die beiden jungen Männer von gestern tun? Was meine Eltern? Was würde ich meiner Tochter empfehlen?
Da Kaffee ohne Milch nicht schmeckt, kaufe ich diese schnell im wenige Meter entfernten REWE ein, ebenso wie das, was ich für die Wanderung noch benötige. Danach lasse ich mir das Frühstück schmecken.

Es geht schon hart auf halb 10 Uhr zu, als ich mich auf den Weg mache. Mit etwas Hilfe finde ich die Schuster-Skulptur, die an die lange Tradition der Holzpantoffelmacherei erinnert, die sich besonders durch die Lage an der Handelsroute Lübeck-Kiel begründet.
Ein großer städtischer „Blühgarten“ erfreut nicht nur die Bienen, sondern auch mein Auge. Ich erinnere mich an meine Kindheit, in der Blumenbeete in meiner Erinnerung zum Stadtbild gehörten. Diese verschwanden immer mehr und kommen nun mit dem Stempel der Ökologie wieder.

Der E1 führt mich direkt durch das Kloster. Über eine prächtige Eiche und zwei wunderschöne Blutbuchen freue mich ebenso wie über das alte Gemäuer, wobei die Klosterkirche leider verschlossen ist.
Auch heute wundere ich mich über die vielen vermeintlich französischen Fahnen (Trikolore blau-weiß-rot). Im Kloster besitzt eine der Fahnen allerdings auch noch ein Wappen und ich stelle fest, dass es sich um die Schleswig-Holsteinische Fahne handelt. Aaah - die Fahnen sind gar nicht französisch. Dass bei der einen Fahne die Streifen quer und bei der anderen längs sind, fällt bei den schräg aufgehängten oder schlaf hängenden Fahnen gar nicht auf.

Im Wald treffe ich auf einen ehemaligen Marinesoldaten mit Bernhardiner, der mir die E1-Wanderung ansieht und mich anspricht. Von ihm erfahre ich einiges über die Gegend, die Geschichte von Preetz und vieles über ihn und die Marine. Das ist alles ganz interessant, die Sympathie reicht jedoch nicht so weit, ihn an diesem Blog teilhaben zu lassen.

Den ganzen Tag werde ich mit mehr oder weniger Abstand der Schwentine folgen, die bei meinem Tagesziel Kiel-Wellingdorf in die Kieler Förde bzw. Ostsee mündet.
Ein schattiger, leicht erhöhter Rastplatz bietet einen hervorragenden Blick in die Weidelandschaft des Schwentinental. Hier kann ich es gut auf der bequemen Bank aushalten, mich von den vielen Wörtern erholen und die Ruhe genießen. Man mag mich einfältig nennen, doch in dieser Oase der Natur gibt es weder Kampfhubschrauber noch U-Boote. Nur Frieden.

Bei Raisdorf unterquere ich die Bundesstraße und freue mich über einen Erdbeerstand, der mir ein Pfund Erdbeeren von gestern zum Sonderpreis verkauft. Hmmm, ist das lecker. Gleich darauf treffe ich auf zwei E1 Wanderinnen, die von Flensburg bis Neustadt unterwegs sind, bis der Urlaub der einen, vermutlich der Tochter, zu Ende ist.

Über die „Weiße Brücke“ wechsle ich auf das orografisch rechte Ufer der Schwentine. Hier befindet sich seit 1779 eine Brücke, die allerdings nach Stauung der Schwentine zum Rosensee, was wegen Baus des Wasserkraftwerks nötig war und 1909 neu gebaut werden musste. Bis 1936 führte die Landstraße über diese Brücke, heute lediglich ein Fuß- und Radweg.
Als ich im Ort Rosenfeld den Wanderweg suche, stelle ich fest, dass ich auf der falschen Fluss-Seite bin, noch mal zurück über die „Weiße Brücke“ darf, da der Weg auf der linken Seite bleibt. Das habe ich prima gemacht!

Beim Wasserkraftwerk I tauche ich in das NSG „Altarm der Schwentine“ ein, später geht es durch Getreidefelder und schon sehe ich die Hochhäuser und Hafenkräne von Kiel vor mir. Ein stetiger Wind sorgt auch hier dafür, dass mir nicht zu warm wird. So schön das Wetter für mich als Wanderer auch sein mag, die Trockenheit ist übersehbar. Die letzten drei Wochen hat es noch keinen Tropfen geregnet.

Überraschend heftig geht es nun noch mal auf und ab und dann erreiche ich die alte Mühle in Wellingdorf, wo schon seit Jahrhunderten eine Brücke die Schwentine überspannte.
Direkt dahinter liegt nicht nur das Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung der Universität Kiel (GEOMAR), sondern auch die Fährstation Wellingdorf, wo ich meine heutige Tour beende. Geschafft!

Mit der Fähre fahre ich über die Förde zur Reventloubrücke. Alles erfolgt mit minimalem Personaleinsatz. An- und Ablegen und das Herunterlassen der Passagierbrücke sind vollständig technisiert. Kein Mensch ist zu sehen. Ergibt das Sinn?

Auf der anderen Seite (Reventlou) ist es so windig, dass der Hut nicht auf dem Kopf bleiben möchte und das iPhone besser mit beiden Händen festgehalten wird. Gut - ich komme nicht von der Küste - vermutlich ist der Wind für Einheimische nur eine leichte Brise. Ich empfinde es als schon heftig.
Ab hier werde ich übermorgen weiter wandern, denn morgen ist Ruhetag. Es wird auch wieder Zeit.

Mit dem Bus fahre ich vom Landtag zum Bahnhof und wandere über die Hörnbrücke zur JuHe im Stadtteil Garden. Der schon etwas ältere Bau liegt auf einem Hügel und nicht in der attraktivsten Gegend.
Ich checke ein und bekomme ein Turmzimmer im vierten Stock. Eine tolle Sicht auf Kiel habe ich von dort. Und nachdem ich unterschrieben habe, dass ich selbst schuld bin, wenn ich aus dem Fenster falle, wird mir sogar ein Fenster aufgeschlossen, sodass ich richtig lüften kann. Das ist auch nötig, denn es ist unglaublich heiß und stickig. Für sie anderen Fenster findet sich leider kein passender Schlüssel.
Dann lerne ich, dass ein Einbettzimmer nur bedeutet, dass dort ein (Stock-)Bett steht. Ein altes, enges, wenig attraktives WC und eine noch weniger attraktive Dusche teile ich mir mit dem anderen (Doppel-)Zimmer auf der Turmetage. Bis auf den Duschkopf scheint dies der Originalzustand von 1962 zu sein. Immerhin recht sauber und auch nicht schlimmer als auf manchem Campingplatz und zudem habe ich ein eigenes Waschbecken im Zimmer. Das hilft schon sehr viel. Und ich bezahle für 2 Nächte mit Vollpension 127 EUR. Das ist etwa der Preis für 1 Nacht in einem preiswerten Hotel. Ohne Frühstück. Und ich wollte das so. Luxus kann jeder.

Das Abendessen ist deutlich leckerer als in der letzten JuHe und ich komme mit einem 18-jährigen FSJ‘ler ins Gespräch, der in einem Monat eine Ausbildung zum Fachinformatiker starten möchte. Die Vorkenntnisse (Playstation spielen und GameServer installieren) überzeugen mich nicht unbedingt. Immerhin weiß er, was er will - und das ist in meinen Augen viel wert. Und ein netter Austausch war’s allemal.

Der Vorteil der Wohngegend ist, dass es einen Waschsalon in 500 m Entfernung gibt. Alles ist hier deutlich genauer beschrieben als in Detmold, sodass ich heute sogar mit Waschmittel wasche. Ein Mann, der offensichtlich öfter hier wäscht, gibt mir sogar noch ein paar Tipps.

Ich besuche noch kurz einen Supermarkt, um mir einen ungesunden Nachtisch zu besorgen und gehe anschließend zurück in die Jugendherberge. Danach weiß ich, dass die unangenehmen Ecken von Kiel locker mit denen von Frankfurt und Offenbach mithalten können.
Morgen schaue ich mir dann die schönen Ecken an.

Länge Auf Ab
18.8 km 103 Hm 121 Hm

 


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