aweifb.de - Andreas Weinhardts Fernwander-Blog - Tag 064 - Von Neustadt nach Schönwalde am Bungsberg (DE 1.11)

Kasseedorf 08.06.2023

Früh schon wache ich von laut zwitschernden Vögeln auf, die am Haus ihr Nest gebaut haben. Heute habe ich sogar einen Wecker gestellt, denn ich möchte den Bus um acht Uhr nehmen und darf vorher noch das gute Stück zur Haltestelle gehen. Da ich noch zwei Nächte im Lehmhaus wohne, ist mein Rucksack unglaublich leicht. Draußen ist es noch morgendlich kühl und alles liegt unter einem Dunstschleier. Ich bin davon überzeugt, dass sich beides im Laufe des Tages noch ändern wird.

In Neustadt frühstücke ich beim Bäcker, besuche die Stadtkirche mit ihrem prächtigen Altar und kaufe Getränke für die heutige Wanderung. Ich habe nur einen kleinen Teil der Stadt gesehen. Dieser schafft es jedenfalls nicht, meine vielleicht zu hohen Erwartungen zu erfüllen.

Nicht sehr intuitiv führt der Weg nun durch ein Wohngebiet, bis ich im Klinikgelände der AMEOS Klinik stehe. Mist – schon wieder einen Abzweiger verpasst. Hier darf man wirklich ständig auf den GPS-Track schauen, denn sonst ist man verloren.
Schon ein paar Schritte später befinde ich mich auf dem Damm der „Vogelfluglinie“ und überquere das „Neustädter Binnenwasser“. Ich entspanne mich sofort und genieße die wunderbare Natur.

Als ich die Autobahn A1 unterquere, auf der die Autos entlangschießen, merke ich, wie glücklich ich darüber bin, hier in meinem eigenen Tempo entlang wandern zu dürfen. Die Sonne scheint vom Himmel, mir tut nichts weh und ich habe ausreichend zu essen und zu trinken dabei. Alles ist, wie es ist - und ich bin zufrieden.

Der E1 führt mitten durch das Gut Sierhagen. Die im zwölften Jahrhundert erstmals erwähnte Anlage lässt mich sprachlos, aufgrund der Dimensionen und des prunkvollen Zustandes des für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Herrenhauses. Ich mag gar nicht daran denken, wie viel Arbeit und was für ein Vermögen dahinterstecken muss.
Und so gehe ich sprachlos weiter und tauche in das Meer von Raps ein. Raps, so weit das Auge reicht – und ich mittendrin.

Das Dorf Gömnitz verfügt über gut 100 Einwohner und mehrere Immobilien als Beispiele dafür, dass man für sehr viel Geld alles kaufen kann, außer gutem Geschmack.
Ganz hervorragend finde ich, dass die Freiwillige Feuerwehr eine Sitzkombination neben ihrem Feuerwehrhaus aufgestellt hat. Und auch noch im Schatten. Danach habe ich mich gesehnt, denn vor allem mein Fuß in der Schiene sehnt sich nach Pause an der frischen Luft.
Ach, heute bin ich wieder so froh über einen nebensächlich erscheinenden Ausrüstungsgegenstand. Meinen superscharfen Sparschäler. Dieser erlaubt es mir, Karotten ungewaschen direkt aus dem Supermarkt oder gegebenenfalls auch schon über mehrere Tage herumgetragen, frisch zu schälen und dann mit etwas zuckerfreiem Nussmus eine ganz passable und flexible Zwischenmahlzeit essen zu können.

Bis Kasseedorf wandere ich teils auf exakt den schmalen Straßen, die ich gestern schon im Bus entlanggeflogen bin, zum größeren Teil jedoch auf schönen, überraschend hügeligen Waldwegen.
Kurz vor Kasseedorf ist tatsächlich eine offizielle E1-Abkürzung nach Eutin ausgeschildert, mit deren Hilfe man Schönwalde und den Bungsberg umgehen kann und etwa 18 km Strecke einspart. (Ich dachte, das sei nur eine Erfindung des Rother Führers). Zum Glück geht es mir dafür zu gut. Wenn ich jetzt dringend einen Ruhetag bräuchte, würde ich dies in Erwägung ziehen, könnte allerdings direkt von meiner Unterkunft aus abkürzen.

An den Kasseedorfer Teichen entlang, von denen ich weniger sehe, als ich erwartet habe, geht es bergauf durch den Wald nach Schönwalde. Hier befindet sich ein EDEKA, allerdings nicht mehr der seit 100 Jahren in der Ortsmitte bei der Bushaltestelle bestehende, sondern ein Neubau etwa 700 m außerhalb des Ortszentrums. So wie halt heutzutage Einkaufszentren entstehen.

Ich kaufe mit Zeitdruck und Hunger, einer besonders unguten Kombination, ein, denn entweder spute ich mich, oder ich muss 90 Minuten auf den nächsten Bus warten.
Hier ist es zwar auch schön, doch frisch geduscht draußen vor dem Lehmhaus zu sitzen, stelle ich mir auch ganz angenehm vor. Und meine Wäsche kann noch schön in der Sonne trocknen.