Lübeck, 07.06.2023

Die Nacht im voll belegten 10-Bett-Zimmer war besonders. Alle waren so leise wie möglich und es wurde kein Wort gesprochen. Kurz nach 22 Uhr reisten die letzten drei Gäste an und durften die am wenigsten attraktiven Betten belegen. Besonderes Pech für einen sicher 150 kg starken jungen Mann, der als Letzter schnaufend und schwitzend wie eine Dampfwalze im dritten Stock ankam. Und nun durfte er in das über 2 Betten „schwebende“ Einzel-Bett einziehen. In meinem bequemen Einzelbett in normaler Höhe liegend, tat er mir schon ein bisschen leid.
Interessant war, dass bis auf mich wirklich alle schnarchten. Drei besonders laut, aber auch die anderen immer wieder deutlich vernehmbar. Und dabei waren weniger als 50 % männlich. Und wer gerade nicht schnarchte, ging zum Klo, trank aus knisternden PET-Flaschen oder wälzte sich in den etwas knarzenden Betten. Für eine stetige Geräuschkulisse war also gesorgt.
Aufgrund der Geräusche der in der Gasse befindlichen Bar hatte jemand am späten Abend beschlossen, das Fenster zu schließen, wodurch es tatsächlich leiser wurde. Allerdings auch irgendwann sehr, sehr warm und stickig. Ganz unkollektiv entschied ich dann um halb zwei Uhr, diese Entscheidung zu revidieren. Danach schlief es sich wieder etwas besser.
Um halb sechs besuchte ich schon einmal das „Bad“, da ich befürchtete, später keine Ruhe mehr zu haben. Und danach hatte ich die beste Schlafphase der Nacht bis kurz nach sieben. Schnell sammelte ich meine Sachen zusammen, um dann im Flur richtig zu packen und zu gehen. Neun Betten wurden ja noch beschlafen.
Bemerkenswert finde ich übrigens, dass am Morgen die Toilette immer noch sauber ist, ebenso wie der Schlafsaal und eigentlich das ganze Haus. Viel sauberer zum Beispiel als die Jugendherberge in Hamburg, wo man sich keinesfalls mit Socken auf dem Boden stellen durfte, da diese danach dreckig waren. Zumindest hier ist alternativ kein Synonym für schmuddelig und dreckig.

Vor dem Hostel spricht mich ein Holländer an, der wohl auch im SchickSAAL* übernachtet hat, wohin es denn mit meinem Rucksack gehe und erzählt mir im Gegenzug, dass er vor zwei Jahren von zu Holland nach Rom gepilgert und dabei vier Monate unterwegs gewesen sei.

Der ZOB (Zentraler Omnibus-Bahnhof) sollte in Lübeck eigentlich ZOO heißen, denn hier kann man sich zum Affen machen. Warum?
Ich bin etwa 8 Minuten vor Abfahrt meines Busses da. Jetzt nur noch schnell „Bussteig 13“ finden. Noch ahne ich nicht, dass dies etwas Ähnliches wie in Harry Potter „Gleis 9 3⁄4 nach Hogwarts“ ist.
Ich gehe die oval angeordneten Bussteige ab und stelle fest, dass sich dort die Steige 1 bis 12 befinden. Aha. Etwas abseits gibt es noch ein paar Steige. Und zwar 15 bis 20. Da ich nicht mehr weiterweiß, frage ich einen Busfahrer und erhalte die Antwort, dass die 13 von vielen gesucht würde. Ich solle mal in der Seitenstraße schauen. Also schnell hin. Dort steht ein Bus - sogar meiner - und fährt gerade los. Mist! Und das bei Stundentakt - ärgerlich!
Zum Glück gibt es in einer halben Stunde noch eine Umsteigeverbindung mit Zug und Bus und ich habe jetzt Zeit, in Ruhe einen Kaffee zu trinken und lerne auch noch den Bahnhof kennen.

Als ich um 9 Uhr am Amselweg in Techau bei strahlend blauem Himmel und noch angenehmen Temperaturen starte, habe ich schon wieder so viel erlebt.
Durch den Wald erreiche ich bald einen idyllischen See, dessen Überlauf sich hervorragend zum Spielen eignet, was von ein paar kleinen Kindern, vermutlich einem Waldkindergarten, genutzt wird. Ich könnte mir vorstellen, dass es schön ist, so naturnah aufzuwachsen.

Weiter wandere ich auf der ehemaligen Landstraße und später auf einem Forstweg im schattigen Wald, als es plötzlich dauerhaft und unglaublich eklig süß stinkt. Mich erinnert es an meine Studienzeit, als mein Ausbildungsbetrieb unweit einer Mülldeponie lag, die im Sommer ähnlich roch. Ein Blick auf die Karte verrät mir, dass es sich hierbei um die Bio-Gasanlage Schürsdorf handeln muss. Ist Bio, stinkt aber kein bisschen besser. Zum Glück ist das Frühstück schon eine Weile her.

In Schürsdorf befindet sich ein traumhafter See am Anfang des Dorfes, in dem sich große Fische tummeln. Im Schatten mache ich meine erste Pause, auch wenn ich noch gar nicht so lange unterwegs bin. Das ist schön.

Auffallend ist, dass hier wirklich fast jede Straße den Begriff „Redder“ im Namen hat, was bedeutet, dass die Straße ursprünglich beidseitig von einer Hecke oder einem Knick begrenzt war.

Wunderschön liegt der große Pönitzer See in der Sonne und lädt zum Baden ein. Ein großer Teil des Ufers ist mit Schilf bewachsen. Und es gibt eine Badeanstalt mit schönem Steg, Liegewiese, Umkleiden, Duschen und Toiletten. Drei Menschen mit Neopren-Anzug sind im Wasser und ziehen ihre Bahnen. Wenn man passendes Kleingeld hat, bezahlt man den Eintritt an einer Art Parkscheinautomat 2 Euro. Es ist niemand da, der das kontrolliert. Ich muss leider zum Schwarzbader werden und habe auch ein bisschen ein schlechtes Gewissen.
Das Wasser ist herrlich erfrischend, aber nicht kalt und im Gegensatz zur wenige Kilometer entfernten Ostsee prima Süßwasser.

Weil es am See so schön ist, verpasse ich den Abzweig und gehe eine Extra-Schleife und als ich am Restaurant ankomme, in dem ich einen Mittags-Imbiss eingeplant habe, stelle ich fest, dass es ein Grieche ist, der auf der Mittagskarte nur Gerichte mit toten Tieren hat. Planungsfehler! Und ich habe Hunger, denn Schwimmen macht hungrig. Bis heute Abend gibt es kein anderes Restaurant, keinen Laden und keine Tankstelle mehr. Und nur ein Müsliriegel und drei Karöttchen erscheinen mir etwas wenig. Von den in Fett schwimmenden Calamares ist schließlich der Reis und der abschließende Ouzo das Beste. Und wenig war es auch.

Zwar nicht satt, aber ausgeruht und wieder motiviert wandere ich weiter zum kleinen Pönitzer See und durch einen unglaublich schönen Hohlweg zum Taschensee, wo eine unbewachte Badestelle mit Steg wieder zur Erfrischung einlädt. Man soll es ja nicht übertreiben. Diese Seen-Landschaft ist einfach herrlich.

Bei der Planung der folgenden 8 km zwischen Stawedder und Neustadt hielt sich meine Vorfreude in Grenzen. Laut Karte und Google Earth sieht es so aus, als wanderte man schattenlos auf einer Teerstraße zwischen Feldern. Scheint die Sonne, ist es heiß, und sonst ist es kalt und windig.
In der Realität ist allerdings neben der Straße meist noch ein 30 cm breiter unbefestigter Streifen, den der Wanderer nutzen kann, um seine Füße zu schonen. Meistens ist mindestens auf einer Seite der Straße ein Knick oder eine Hecke, die Windschutz und manchmal sogar Schatten spendet. Wenn man dann parallel zum Wandern noch Karöttchen knabbern kann, wird die Strecke zwar nicht zum Highlight, aber erträglich.

Durchs Industriegebiet, entlang des Hafen in dem auch ein großes Marineschiff liegt und entlang des Kasernen-Stacheldrahtzauns erreiche ich den Bahnhof von Neustadt. Der Bahnhofsvorplatz, von dem eigentlich die Busse abfahren sollten, ist eine riesige Baustelle. Busse fahren hier definitiv keine. Und auch ein Schild, wo sie stattdessen fahren, steht hier nicht. Glücklicherweise finde ich deutschsprachige Bauarbeiter, die mir den Weg weisen. Und tatsächlich finde ich die Ersatzhaltestellen.
Von hier habe ich einen guten Blick auf die Altstadt auf der anderen Seite der Brücke, die ich mir morgen (abseits des E1) anschauen werde.

Ich nehme die Busverbindung, mit der ich in Eutin eine gute Stunde Aufenthalt habe und nutze diese Zeit, um bei EDEKA einzukaufen und zu Abend zu essen. Die Pause wird sogar noch etwas länger, da die Busfahrerin ankündigt, erst mit 10 Minuten Verspätung loszufahren, um ihre Lenkzeitunterbrechung einzuhalten. Was es nicht alles gibt.
Die Dörfer, die sie anfährt, sind alle irgendwo im Nirgendwo und über einspurige Straßen verbunden, die der Bus mit einer unglaublichen Geschwindigkeit entlang schießt. Bei Gegenverkehr muss stark abgebremst und auf den Seitenstreifen ausgewichen werden.
Als ich in Kasseedorf aussteigen, ist mir übel. Jetzt nur noch einen knappen Kilometer und schon bin ich da. Es ist 19:30 Uhr und mir reicht es.

„Dat Lehmhuus“, das ich über AirBnB gebucht habe, ist wie der Name verrät ein Haus, welches komplett aus Holzbalken und Lehm gebaut ist. Das ist sehr besonders - zumal die Räume rund gestaltet sind.
Vom Haus hat man einen unglaublichen Blick in die Natur. So kann man z.B. auf dem WC sitzen und durch die große Panoramascheibe den Büffeln beim Grasen zusehen. Kein Witz!
Der Empfang von Uta und Klaus ist extrem herzlich und ich habe keinen Zweifel, dass ich mich hier wohlfühlen werde. Würde ich noch etwas zu essen benötigen, dann hätten sie es jetzt noch schnell besorgt.
Heute bin ich der einzige Gast - ab morgen ist noch ein weiteres Zimmer in der Gäste-Etage vermietet, sodass ich mir dann das unglaubliche Bad mit Panoramablick und auch die Regenwald-Dusche und das Wohnzimmer teilen werde. Das sollte eine machbare Aufgabe sein.

Länge Auf Ab
25.1 km 143 Hm 156 Hm


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