Heute ist also Siegen angesagt 😉
Auch wenn die mintgrüne Keramik im Haus Schneider nicht mehr ganz in die Zeit passt, habe ich hier eine sehr gute Nacht verbracht.
Das Frühstück ist reichlich, leider mit hellen Aufbackbrötchen, auf die ich so gar nicht stehe.
In der Nacht hat es geregnet. Der Blick aus dem Fenster zum Hügel, den ich gleich besteigen darf, zeigt mir einen strahlend blauen Himmel und einen dürren, toten Wald. Auch ein Bild der Trauer bietet die Hauptstraße, in der sich ein geschlossenes Geschäft an das andere reiht.
Der Hügel wird durch ein schönes Weglein bestiegen. So habe ich mir das gewünscht! Vorbei an riesigen abgeholzten Flächen geht es weiter zum Druidenstein, einem riesigen Basaltkegel. Polizeilich verboten ist die Besteigung, was mir den Kampf mit dem schlüpfrigen Gestein erspart. (Bis auf halbe Höhe führt nämlich noch ein passabler Pfad. Verboten kann das auch nicht sein, denn „bestiegen“ ist ein Berg ja nur, wenn man auf dem Gipfel war und wieder ins Tal kommt. Base-Camp reicht nicht!)
Auf dem Weg treffe ich eine Frau, die in südlicher Richtung unterwegs ist. Sie ist auf Kurzarbeit und Stewardess bei der Lufthansa. Und weil die diesen Monat gar keinen Einsatz hat, ist sie halt auf dem E1 unterwegs. Sie hat nichts vorgeplant und zur Not ein Zelt dabei, mit dem sie aber nicht wild zelten möchte. Ich wünsche ihr, dass sie bei der dünnen Infrastruktur (Pensionen/Zeltplätze) gut klar kommt. Ich habe mir durch Vorbuchung aller Etappen die Flexibilität genommen, dafür kann ich tagsüber entspannt laufen, weil ich weiss, wo mein Bett steht.
Ich wandere beschwingt auf breiten Wegen weiter und steige nach Kirchen (Mühle) ab. Die ganze Zeit ist der Himmel schon dunkler geworden - nun fallen die ersten Tropfen. Ich verschmähe ein Buswartehäuschen direkt an der vielbefahrenen Landstrasse und gehe an ihr entlang (zum Glück mit Trottoir) weiter nach Freusburg. Es geht sehr steil hoch zur Burg. Wenige hundert Meter vor der Burg ist ein Museum und eine Bushaltestelle. Hier bietet mir ein Carport-ähnlicher Unterstand Schutz vor dem inzwischen starken Regen. Es hat richtig zugezogen und sieht nicht nach kurzfristiger Besserung aus.
Echte Experten habe die Wartebänke außerhalb des Unterstands aufgestellt (und leider auch angeschraubt). Egal - Hauptsache trocken. Muss ja nicht auch noch bequem sein.
Dem Regen zusehend verspeise ich meine Käsebrötchen. Völlig überraschend hört der Regen schon bald auf, so dass ich doch noch den Abstecher zur Burg hinauf mache. Obwohl laut meinem Track der E1 dort gar nicht entlangführt, sind dort Markierungen und sogar eine E1-Tafel. Verwundert folge ich diesen Markierungen, doch bald ist keine mehr da. Nur ein Weg, der offensichtlich in die falsche Richtung führt, aber mit dem Andreaskreuz markiert ist. Na toll! Nach einem Blick auf die Karte entscheide ich mich, dem „Natursteig Sieg“ zu folgen, der, hoffentlich topografisch optimiert, später wieder auf den E1 trifft.
Es geht mörderisch steil hinauf durch den vor sich hin tropfenden Wald - richtiges Waschküchenklima. So komme ich am Gedenkstein „Soldatengräber“ vorbei und stehe bald auf dem Giebelberg, dem zweiten Höhepunkt der heutigen Etappe. Da längere Passagen durch regennasses Gras führten, habe ich nun nasse Füße. Gore-Tex scheint wohl nur noch bei trockenem Wetter zu funktionieren? Irgendwie wünsche ich mir gerade meine schweren Voll-Leder Schuhe. Gut eingefettet haben die so etwas immer locker weggesteckt.
Die Strecke zieht sich. Irgendwann kommt ich an einen schönen Aussichtspunkt auf das Siegtal und die Siegerlandbrücke, sowie dem markanten Hardt-Turm. Lustigerweise steht dort gerade eine einheimische Familie, die mir das alles erklären kann. Einige Kilometer weiter höre ich schon die A45, die ich dann auch unterquere. Ich besteige den „Starker Buberg“ - der letzte Anstieg für heute und freue mich an dem Graffito am Wasserhaus und der bequemen Bank daneben.
Der Einmarsch nach Siegen fühlt sich komisch an. Den ganzen Tag Natur pur und dann plötzlich Großstadt. Das Schloss wird leider gerade renoviert - die Fußgängerzone finde ich wenig sehenswert. Nun noch zum Hotel in dieser hügeligen Stadt. Ich sehne mich nach Dusche und Schuhe ausziehen. Die heutige Etappe war zwar wirklich schön und abwechslungsreich, aber die Höhenmeter und die Länge stecken mir in den Knochen. Ich mache mir eine mentale Notiz, Ruhetage alle 7-10 Tage einzuplanen, wenn ich mal länger unterwegs sein werde. Im Hotel "Bürger" in welchem ich mich gleich wohl fühle, gibt es, soweit ich gesehen habe, ein Bistro, wonach mir jedoch nicht der Sinn steht.
Auf dem Weg zu ALDI sehe ich zum Glück noch eine kleine Pizzeria, die ich auf Google übersehen hatte. So bekomme ich doch noch ein warmes Abendessen.