Schattenmühle, 18.07.2023
Die Nacht war auf dem Bett sehr unbequem und doch habe ich immer mal wieder tief geschlafen.
Als ich zehn Minuten nach Beginn der Frühstückszeit in den Speiseraum komme, ist dieser schon gut gefüllt. Klar, hier sind nur Wanderer, die sich möglichst bald auf die nächste Etappe begeben möchten.
Zum Glück habe ich mich als Vegetarier angemeldet, denn abgesehen davon, dass es nur 2 helle Brötchen und eine Scheibe Weißbrot gibt, ist an dem für jeden Tisch vorbereiteten Frühstück nicht viel auszusetzen. Es ist sogar eine ganze Tomate dabei und eine große Kanne Kaffee habe ich auch.
Früher wäre ich vermutlich auch schnellstmöglich aufgebrochen, doch inzwischen bin ich entspannter. Selbst der Rother-Führer gibt nur 6:45 Gehzeit an. Falls es regnet, dann laut Vorhersage um 14 Uhr und heute Abend wieder.
Ein Rätsel löst sich auch noch, weil ich ein Gespräch mit dem Wirt mitbekomme. Im Restaurant gestern Abend wurde der Service nämlich von drei jungen, motivierten, gutaussehenden jungen Frauen erledigt, was deutlich angenehmer war, als bei meinem Besuch vor drei Jahren. In dem „belauschten“ Gespräch geht es um das Tragen der Schwarzwälder Tracht und plötzlich fällt der Ausdruck „meine ukrainischen Mädels“. Da wird mir einiges klar und jetzt weiß ich gar nicht, ob ich mich immer noch über den guten Service freuen darf.
Der Weg durch die Wutachschlucht ist ein einziger Traum. Auf diese Etappe habe ich mich lange gefreut, denn sie ist etwas ganz Besonderes. Immer wieder bin ich ganz tief in der Schlucht und dicht an der Wutach. Über längere Zeit verläuft der Weg in unglaublich spannendem Auf und Ab. Ich liebe das. Heute kann ich auch gar nicht alle Höhepunkte aufzählen, denn es gibt so viele davon.
Was mich als Wanderer heutzutage begeistert und Touristen anlockt, stellte die Bevölkerung früher vor große Herausforderungen, denn die Wutach auf Handelswegen zu überqueren war mühsam und gefährlich. Sehr steile Hänge mussten hinab und hinauf überwunden und der Fluss selbst gefurtet oder per Brücke überquert werden. Zudem verändert sich die erst in den letzten 20.000 Jahren entstanden Schlucht durch Erdrutsche, Felsstürze und Hochwasser ständig. Für Wege, Brücken und Furten und alle von Menschen angelegten Strukturen ist das eher schlecht. Das ist Natur.
Zur Mittagszeit hat sich der Himmel verdunkelt und ich vernehme deutlich das Donnergrollen. Es wird doch nicht etwa ….
10 Minuten später wird die Ungewissheit durch den einsetzenden Regen abgelöst. Abgesehen vom nun schlüpfrig werdenden Weg stellt das für mich kein Problem dar, denn ich bin ja gut ausgerüstet. Den Tages-„Wanderern“ in Baumwollshirt oder Träger-Top und Turnhosen mit Nix dabei außer einer Flasche Wasser geht es eher nicht so gut.
Gerade bin ich mal wieder extrem glücklich über meinen „handsfree“-Schirm, der sich quasi selbst trägt und mir freie Hände lässt. Zum Beispiel, um die lästigen Bremsen totzuschlagen oder das Gleichgewicht zu halten.
Hinderlich ist er nur an Engstellen oder wenn der Weg unter umgestürzten Bäumen durchführt.
Nach einer Viertelstunde ist der erste Regen vorbei. Überall, wo der Weg nicht durch überhängende Felsen oder dichten Wald geschützt war, sind die blanken Kiesel super rutschig.
Nach zweimal Ausrutschen entscheide ich mich, die Stücke, die ich über 1000 km spazieren getragen habe, zum Einsatz zu bringen.
Das Donnergrollen setzt sich fort und wird stärker. Und so eindrucksvoll dieser Donner in dieser Schlucht das auch ist, könnte ich gut darauf verzichten. Erneut setzt der Regen ein und ich darf ausprobieren, wie man mit Stöcken und Schirm gleichzeitig wandern kann.
So erreiche ich die Wutachmühle, an der der „aufregende“ Teil der Wanderung zu Ende ist. Der Kiosk hat dienstags Ruhetag. Das ist perfekt, denn so habe ich die überdachte Sitzgelegenheit für mich und kann Mittagspause machen und dank Mobilfunkempfang gleichzeitig das Regenradar im Auge behalten.
Das Lunchpaket enthält leider Käsesandwiches aus Weißbrot, auf denen die Butter (oder Margarine) doppelt so dick wie der Käse aufgetragen ist. Eigentlich müsste man denjenigen, der das fabriziert hat, dazu zwingen, es zu essen, denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das irgendjemanden so schmeckt. Einen Teil der Sandwiches schaffe ich - danach ist mir von dem vielen Fett übel. So einen Mist habe ich lange nicht mehr gegessen und ich ärgere mich darüber.
Als das Regenradar grünes Licht gibt, gehe ich weiter. Bedauerlicherweise ist der Schluchtensteig ab hier wegen Holzfällarbeiten gesperrt und ich sehe sogar wie der Harvester den Bäumen in wenigen Sekunden den Garaus macht. Krass!
Immerhin ist eine Umleitung über die Landstraße markiert, wodurch diese allerdings nicht angenehmer wird. Auch durch den nun wieder einsetzenden Regen nicht, den es laut Regenradar auch gar nicht geben dürfte. Na sowas.
Nach Ende der Umleitung wandere ich bis Achdorf auf breiten Wegen ohne Flussberührung. Eigentlich sollte ich jetzt noch einen Hügel hinauf, doch da es heute ausgiebig geregnet hat, nehme ich die Warnung des Rother Führers ernst und folge nicht dem E1, der angeblich über ungesicherte, rutschige Passagen im Steilhang führt. Die von Rother vorgeschlagener Alternative über die kurvige Landstraße ohne Gehweg ist mir auch nicht genehm. Ich wandere also weiter auf dem Schluchtensteig und umgehe kurz vor Blumberg das kritische, mit Treppen und Leitern versicherte Teilstück in der Schleifenbachklamm durch eine extrem steile, aber zumindest bergauf sicher zu begehende Alternative und erreiche Blumberg heil und bei strahlendem Sonnenschein.
Da die Einkaufsmöglichkeiten geballt am gegenüberliegenden Ortsrand liegen, gehe ich jetzt sofort für morgen einkaufen und erst danach ins Hotel. Somit spare ich mir den Umweg morgen früh und bekomme heute Abend noch ein kostengünstiges Bier.
Zu wissen, dass ich morgen wieder etwas „gescheites“ unterwegs essen kann, macht mich glücklich.
Ich checke im Hirschen ein und bekomme ein schönes Zimmer. Dieses Hotel ist mir von der Schluchtensteig-Begehung in guter Erinnerung, weil wir so freundlich empfangen wurden und weil es ein super leckeres vegetarisches Gericht gab. Heute gibt es leider ausschließlich ein Abend-Buffet für 26 €. Ich frage, was davon vegetarisch sei und erfahre, dass Käsespätzle und Maultaschen dabei seien und ich ja auch Beilagen essen könne.
Danke, aber Nein Danke.
Und so lasse ich den Abend bei angenehmen Temperaturen im Biergarten des Dönerladens ausklingen.
Länge | Auf | Ab |
---|---|---|
23.7 km | 390 Hm | 371 Hm |
(sorry - heute sind auch die Bilder von gestern dabei - das kann ich unterwegs nicht korrigieren)