Mummelsee, 07.07.2023
Eine traumlose Nacht in einem traumhaften Bett liegt hinter mir, ich habe fantastisch geschlafen.
Das Frühstücksbuffet ist grandios und ziemlich weitläufig. Was hier jedoch fehlt, ist jemand, der Herzblut einbringt und nachdenkt, wie z.B. die Besitzer des letzten, kleinen Hotels. Dort wurde ich beim Frühstück durch dezente Klänge von Elvis und Sinatra in den Tag gewiegt, hier am Mummelsee zieht man es vor, einen Radiosender laufen zu lassen, sodass ich erfahre, dass irgendeine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert ist, in einem brutalen Mordfall irgendwelche Neuigkeiten vorliegen und welcher Unfall gerade geschehen ist. Das ist auch genau das, was ich bei strahlendem Sonnenschein, tollem Ausblick und vorzüglichem Essen brauche. Sonst könnte ich noch auf die Idee kommen, das Leben könne fantastisch und sorgenfrei sein.
Im Zimmer werde ich mit einem mir ziemlich unbekannten Gefühl konfrontiert. Es zieht mich gar nicht an die frische Luft, sondern ich könnte mir tatsächlich vorstellen, noch ein paar Stunden mit meinem Buch auf Couch und Terrasse zu verbringen.
Beim Check-out lobe ich das Hotel und gebe Feedback zum Service im Restaurant, welches gerne entgegengenommen wird. Ich bekomme wie jeder Übernachtungsgast einen Gutschein für das leckere Holzofen-Brot, welches vor Ort frisch gebacken wird. Das Brot gab es auch beim Frühstück und es hat mir ausgezeichnet geschmeckt, dennoch möchte ich meinen Rucksack nicht unnötig belasten. Bevor der Gutschein bei mir vergammelt, beschließe ich, ihn lieber einer Frau zu schenken, die mit ihrem Mann den dazu passenden Schinken begutachtet. Sie freut sich und ich freue mich, dass sie sich freut. An diesem Gefühl trage ich nicht schwer und nehme es gerne mit.
Ich genieße den Tag bei dem herrlichen Sommerwetter. Zur Einkehr an der Darmstädter Hütte ist es eigentlich noch zu früh, für ein isotonisches, alkoholfreies Erfrischungsgetränk vom Fass ist es genau richtig. Außerdem kann ich hier eine Reibestelle an der Ferse verpflastern, bevor sie noch schlimmer wird. Das hätte ich jetzt nicht unbedingt gebraucht und doch muss ich beim Bekleben der Stelle mit Kinesio-Tape in Regenbogen-Farben lächeln. Wie sich meine Laune doch durch Farben beeinflussen lässt. (Danke, Julia!)
Zwar reizt mich der als „gefährlich“ beschilderte Abstieg zum gut 100 m tiefer liegenden Wildsee, doch ich folge der Vernunft und dem Westweg und genieße die besondere Vegetation der Hochebene.
Im Informationszentrum Ruhestein tanke ich Wasser nach und trete den schweißtreibenden Anstieg auf der anderen Talseite an. Als ich oben an der Ski-Sprungschanze stehe, stelle ich beruhigt fest, dass ich bei Hobby- und Berufswahl einiges richtig gemacht habe.
Auf der höchsten Erhebung des Tages, dem Schliffkopf (1055 m) soll ich zwar laut Führer den „Gipfelsieg“ feiern, begnüge mich jedoch mit einer langen Rast auf einem schönen Bänkchen mit Blick ins Land.
Besonders gut schmeckt die Karotte, die am Frühstücksbuffet nicht in den Entsafter, an dem man sich selbst frischen Obst-/Gemüse-Saft zubereiten konnte, sondern in meine Hosentasche gefallen ist.
Schattenlos geht es auf breiten Wegen weiter. Ich merke, dass mein Sonnenpensum für heute definitiv erreicht ist, denn diese scheint seit dem Morgen ungebremst vom Himmel. Allerdings fällt mir nichts anderes ein, als immer wieder vom Wasser zu trinken, was dann auch gleich ausgeschwitzt wird.
Da Arme und Beine seit über zwei Monaten textilfrei Deutschland gezeigt bekommen, muss ich mir zumindest um Sonnenbrand keine Sorgen machen. (Mitlesende Dermatologen dürfen gerne Bescheid sagen, ob auch ohne Sonnenbrand das Hautkrebsrisiko durch Sonneneinstrahlung steigt).
Nachdem das Wasser mich irgendwie gar nicht mehr befriedigt, vom Geschmack und der Temperatur spreche ich überhaupt nicht, kommt mir eine grandiose Idee. Ich lecke meinen verschwitzten Handrücken ab, und als dies guttut, streue mir etwas Salz, welches ich immer dabeihabe, auf den Handrücken und lecke es auf. Vermutlich ist es mit Tequila und Zitrone leckerer, doch schon Augenblicke später merke ich, dass es mir deutlich besser geht. Klassischer Salzmangel - kenne ich noch aus der Zeit, als ich Marathon gelaufen bin. Ich darf heute Abend also ganz besonders darauf achten, mein Salzhaushalt auszugleichen.
Ich erreiche das Hotel Zuflucht, vor dem gerade von der Ordnungsbehörde schnelle Andenkenfotos geschossen werden und obwohl die e-Biker von gestern über den schlechten Service gesprochen hatten, suche ich den Biergarten auf und besorge mir am Tresen ein Bier. Die Selbstbedienung ist schnell und freundlich.
Das letzte Stück zur Alexanderschanze, wo sich früher das Etappenziel und eine Unterkunft quasi direkt auf der Grenze zwischen Baden und Württemberg befunden hat, läuft wieder etwas besser und doch bin ich froh, als ich ankomme. Danach gehe ich noch knapp 2 km in den Ort Kniebis zum Wanderportal und dann zur AVIA-Tankstelle im Retro-Stil, über die ich im Wanderführer gelesen habe. Es ist schon ganz lustig, in die 60er gebeamt zu werden. Der Weg entlang der Straße war es nicht.
Jetzt nur noch schnell ins Hotel. Es ist schon nach 18 Uhr. Das Zimmer im Hotel Kniebishöhe fällt gegenüber gestern erwartungsgemäß ab, der Empfang durch die Hausherrin ist nett und ich bekomme schon gleich erklärt, dass ich morgen im Frühstücksraum „im Eckle“ meinen Tisch finde und wir handeln aus, wie lange ich mir mit Duschen Zeit lassen kann, bevor ich mich zum Abendessen einfinde.
Im Hof hinter dem Haus sind tatsächlich, wie angekündigt, alle Tische belegt.
Die junge Bedienung spricht passabel deutsch, ist vor allem jedoch sehr aufmerksam, flott und fast schon charmant. So bedient zu werden, macht Freude.
Ich genehmige mir heute einiges, weil ich Lust habe und zudem einen Vergleich zum gestrigen Menü haben möchte.
Der Beilagensalat ist fair und schmackhaft. Das Weißweinsüppchen ist ausgezeichnet.
Das Zucchini-Champignongratin schafft es, bissfestes Gemüse mit wenig Käse mit viel Geschmack zu kombinieren. Es ist ein Rezept der Chefin, die sich genau wie ihr Mann, der zu kochen scheint, bei den Gästen blicken lässt und sich um ihr Wohlergehen kümmert. Hier fühle ich mich ausgezeichnet aufgehoben.
Danach komme ich mit Axel aus Den Haag, der nach Innsbruck mit dem Rad fährt, ins Gespräch. Wir gönnen uns noch das leckere Tiramisu und ein paar Bier und unterhalten uns über vielfältige, auch persönliche Dinge, bis das Restaurant geschlossen wird und es stockdunkel ist. Das war ein sehr schöner Abend.
Länge |
Auf |
Ab |
26.5 km |
480 Hm |
609 Hm |